Genuss ist Notwehr - Jetzt Mairübchen, bevor es zu spät ist

Angeblich wollen immer mehr Deutsche weniger Fleisch und mehr regionales, saisonales Gemüse essen. Und überhaupt viel mehr zu Hause kochen, nicht nur in Zeiten von Corona. Aber stimmt das? Rainer Balcerowiak nimmt es jedenfalls wörtlich und tischt heute ein köstliches Gericht mit Mairübchen auf.

Die Mairübchen anbraten, aber keinesfalls zu braun werden lassen - hier geht's nicht um Bratkartoffeln! / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Politik ist ja selten wirklich lustig. Doch es gibt Ausnahmen. So hat der jährlich Ende Mai vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft veröffentlichte Ernährungsmittelreport stets hohen Unterhaltungswert. Das ist auch in diesem Jahr so. Laut dem Report essen die Deutschen deutlich seltener Fleisch und Wurst, kochen mehr zu Hause mit frischen Zutaten, legen mehr Wert auf regionale und saisonale Produkte, wollen weniger Lebensmittel wegschmeißen und setzen sich für ein Tierwohllabel ein. Und die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Restriktionen hätten diese Trends noch verstärkt.

Klingt gut, hat aber einen kleiner Schönheitsfehler. Mit den entsprechenden Statistiken der Lebensmittelproduzenten und -händler lässt sich das leider ebenso wenig vereinbaren, wie mit den alarmierenden Berichten von Ärzteverbänden und Ernährungswissenschaftlern über den ungebremsten Vormarsch von Diabetes und Adipositas. Und so werden wohl einige der rund 1.000 Teilnehmer an der repräsentativen Befragung, die die Basis für den Report darstellte, etwas geflunkert haben, um sich die eigenen Ernährungsgewohnheiten ein wenig schönzureden. Richtig ist allenfalls, dass im Zuge der Corona-Pandemie mehr zu Hause gekocht wurde, was angesichts wochenlang geschlossener Restaurants und Kantinen auch nicht sonderlich überraschend ist. Aber wir tun jetzt mal so, als ob der Report der Realität entspricht und die dort konstatierten Megatrends tatsächlich existieren. Wir verzichten mal auf Fleisch und Fisch und kaufen was regionales und saisonales ein.

Rüben? Ist das nicht Viehfutter?

Ohnehin ist der Mai als „Wonnemonat“ bekannt und der Juni verspricht stets den endgültigen Übergang zum heiß ersehnten Sommer. Auch das Angebot an saisonalen, regionalen Lebensmitteln wird allmählich größer. Einer der Klassiker dieser Jahreszeit sind Mairübchen, die in Frankreich auch Navetten genannt wird. Jetzt sind sie reif, und die Saison ist kurz, da sie kaum lagerfähig sind und schnell ihre zarte Konsistenz verlieren. Mit der eher derben Kohlrübe haben sie nichts gemein, außer der gemeinsamen Zugehörigkeit zu einer sehr weit verzweigten Pflanzenfamilie.Die Blätter der Mairübe können wie Spinat verarbeitet werden. Und die Wurzelknollen kann man sowohl roh verzehren, etwa geraspelt in einem Rohkostsalat als Beilage, als auch gekocht oder gedünstet verarbeiten. Das schauen wird uns jetzt mal an einem Beispiel an.

Die geschälten Rübchen zunächst halbieren und in Scheiben schneiden, aber nicht zu dick. Dann lässt man die Scheiben in zerlassener Butter im Topf gut anschwitzen, aber sie sollten keinesfalls braun werden, schließlich geht es hier nicht um Bratkartoffeln! Anschließend löschen wir das mit ein wenig Gemüsebrühe ab (aus dem Glas, keinesfalls Brühwürfel!), geben die gehackten Rübchenblätter dazu und lassen das Ganze 10 Minuten köcheln. Zum abschmecken reichen Salz und schwarzer Pfeffer (natürlich frisch gemahlen, sonst schmeckt er stets hart und bitter) Jetzt noch Sahne und Creme fraiche einrühren und fein gehackte Petersilie und in Ringe geschnittene Frühlingszwiebel dazugeben. Dazu Pellkartoffeln (vorwiegend festkochend). Fertig.

Einmal Mairübchen, immer wieder Mairübchen

Das klingt natürlich eher nach einer kleinen Zwischenmahlzeit als nach einem umfassend sättigenden Hauptgericht. Soll ja auch nur ein Einstieg in die wirklich großartige Geschmackswelt der zarten Mairübchen sein. Und wenn die gefällt, kann gerne weitergemacht werden, beispielsweise mit einem Mairübchen-Kartoffel-Auflauf mit einer Käsesoße. Oder mit Mairübchen (ähnlich zubereitet wie in dem Rezept) als Beilage zu in Estragon und Weißwein geschmorten Kaninchenkeulen. Aber wir wollten heute ja kein Fleisch essen und sind damit voll im Trend des Ernährungsreports.

Zutaten für vier Personen:

Vier Mairübchen (mit Blättern)
2 ELButter
100ml Gemüsebrühe (aus dem Glas)
4EL süße Sahne
2EL Creme fraiche
Frühlingszwiebeln, Petersilie, Salz, schwarzer Pfeffer

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