Eine schöne Bescherung - Gans oder gar nicht

Die Corona-Pandemie ist keine gute Zeit für opulente Festessen. Doch ganz ohne Gans ist der Dezember eigentlich undenkbar, findet Rainer Balcerowiak. Und schiebt einfach ein paar Gänsekeulen in den Ofen.

Aber bitte mit Rotkohl und Klößen: Die Weihnachtsgans darf auch in der Pandemie nicht fehlen / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Bringen wir es hinter uns. Denn der Gänsebraten ist nun mal das beherrschende kulinarische Thema des Dezembers. Schon in den Wochen vor den eigentlichen Festtagen flattern einem die Tiere förmlich um die Ohren. Normalerweise bringt es ein durchschnittlicher, gänse-affiner Journalist in dieser Zeit auf mindestens vier bis fünf Einladungen von Firmen, Parteien, Verbänden, Vereinen oder anderen um Kontaktpflege bemühten Institutionen, bei denen es meistens auch um das von reichlich Alkohol begleitete Verzehren von Gänseteilen geht.

Von Betriebs- und ähnlichen Feiern im Dezember ganz zu schweigen. Auch Gastronomen können es sich normalerweise nicht leisten, keine Gänsekeule auf der Karte zu haben. Und das alles ist nur das Vorspiel für das, was sich am 1. und 2. Weihnachtsfeiertag bei Familienfesten oder vergleichbaren Gelagen im Freundeskreis abspielt.

Schlechte Zeiten für große Festessen

Da kommt was zusammen. Knapp 30.000 Tonnen Gänsefleisch landen in Deutschland jährlich im Handel, fast ausschließlich in der Wintersaison. Nur ein Bruchteil davon kommt aus heimischer Produktion. Marktführer sind Polen und Ungarn, die die deutschen Supermarktregale mit konkurrenzlos billiger Tiefkühlware fluten. Zwar haben sich auch Enten und Puten – letztere rückläufig – einen festen Platz im Dezember-Verköstigungsplan erobert, doch die Gans bleibt das Maß aller Dinge.

Doch in diesem Jahr ist alles anders. Betriebsfeiern und PR-Events fallen komplett flach, das gilt auch für das gesellige Gänseessen im Restaurant. Viele Gastronomen bieten fertig zubereitete Gänsemenüs, die man zuhause noch mal erwärmt, zum Mitnehmen an, doch das ist ein eher karger Ersatz. Und selbst private Feiern werden deutlich minimierter ausfallen, so dürfen sich etwa in Berlin auch an Weihnachten nur maximal fünf Erwachsene in einer Wohnung aufhalten. Die klassische Weihnachtsgans, mit einem Gewicht von 4-5 Kilo, üppig gefüllt mit Äpfeln, Kastanien oder auch Trockenpflaumen, ist dann wohl eher fehl am Platz.

Ein Ritual für das gute Leben

Eigentlich schade, findet der an dieser Stelle des öfteren zu Wort kommende, katholisch sozialisierte Ernährungssoziologe Daniel Kofahl. Zwar sei das üppige Gänsemenü historisch dem St.Martins-Tag vor der adventlichen Fastenzeit zuzuordnen, „um sich auf köstliche und nahrhafte Art und Weise den Bauch zu füllen, bevor es in die Askese geht, die der Katholik, wie auch jeder gute Gourmet, von Zeit zu Zeit durchläuft.“ 

Doch auch als Ritual, „um dem guten Leben ein kulinarisches Denkmal zu setzen, ist nichts dagegen einzuwenden, wenn’s sein muss, auch säkularisiert.“ Feinde dieser Form von Genusskultur sieht Kofahl vor allem „im gesellschaftlichen Aufstiegsmilieu der Leistungsangsthasen“. Diese verschmähten das Gänseessen, weil es zu opulent sei, „und der anschließende Verdauungsprozess dem Arbeitseifer abträglich sein könnte“.

Gänsekeulen von freilaufenden Gänsen 

Und etliche Zeitgenossen „betrauern in ihren urbanen Mittelklasseappartments zwar nicht die ausgebeuteten Paketboten, aber jedes gerupfte Gänschen lässt sie bitterlich weinen, so dass sie auf den Braten „aus ethischen Gründen“ verzichten.“

Aber das kommt für uns nicht in Frage, wir fügen uns allerdings demütig in die Corona-Restriktionen, auch wenn sie tief in lebenskulturelle Gewohnheiten eingreifen. Machen wir das Beste draus. Auf unsere Gans müssen wir keinesfalls verzichten. Wir besorgen einfach Gänsekeulen, eine pro Person. Natürlich frische Ware von freilaufenden Gänsen, denn der geschmackliche Unterschied zu Tiefkühlprodukten ist erheblich. Und jetzt schreiten wir zur Tat.  

Geheimtipp: Sherry in den Bratensud

Keulen abspülen und trockentupfen. Die Sehnen am unteren Ende durchtrennen, das zähe Fett auf der Innenseite entfernen, salzen, pfeffern und auf der Hautseite ein bisschen einstechen, aber nicht ins Fleisch! Dann die Keulen mit Öl kräftig in der Pfanne anbraten und zusammen mit angeröstetem Suppengemüse (Möhre, Sellerie, Lauch, Petersilienwurzel) und Apfelwürfeln in den Bräter umfüllen.

Gerne noch einen Thymianzweig und 2 Lorbeerblätter dazu. Mit etwas Geflügelfonds und – Achtung! Supertipp! – einem Glas Medium Sherry auffüllen und mit Deckel im vorgeheizten Ofen (180 Grad) eine Stunde schmoren. In der Zeit ein- bis zwei mal mit Bratensaft begießen, danach noch 30-40 Minuten ohne Deckel weiter schmoren und zum Schluss noch 10 Minuten grillen, damit‘s schön knusprig wird.

Aus dem durch ein feines Sieb teilentfetteten Bratensud basteln wir die Soße, und dazu gibt‘s vorzugsweise Rotkohl, Klöße und einen anständigen Spätburgunder vom Kaiserstuhl.  Schmeckt garantiert prächtig, und zwar unabhängig von Konfession und Anlass.

Gebratene Gänsekeulen

Zutaten für 4 Personen

4 Gänsekeulen

1 Suppengrün (Möhre, Sellerie, Lauch, Petersilienwurzel

1 großer, säuerlicher Apfel (Boskop o.ä.)

Salz, schwarzer Pfeffer, Kräuter (Thymian, Lorbeerblatt)

1 Glas (420 ml) Geflügelfonds

50 ml Medium Sherry

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