Frankfurter Buchmesse - Auf Butterfahrt durch den Kapitalismus

Der Weg zum Reichtum sei mit Trump gepflastert und die Frankfurter Börse ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Eine vergnüglich-traurige Odyssee von Gideon und Christine Böss

Erschienen in Ausgabe
An der Frankfurter Börse geht es nicht mehr so wild vor, wie Gideon Böss sich das vorstellt / picture alliance
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Autoreninfo

Sophie Dannenberg, geboren 1971, ist Schriftstellerin und lebt in Berlin. Ihr Debütroman „Das bleiche Herz der Revolution“ setzt sich kritisch mit den 68ern auseinander. Zuletzt erschien ihr Buch „Teufelsberg“

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Die besten Bücher sind einfach so hingeschrieben, ohne Mission und eine Spur zu lässig. Gideon und Christine Böss, er Autor und Journalist, sie Online-Marketing-Managerin, beide um die Mitte dreißig, sind ständig pleite und wollen versuchen, reich zu werden. Ihr Buch erforscht 20 verschiedene Methoden, wobei Christine nur in der dritten Person auftaucht und, ganz nebenbei, als eigenwillige Lakonikerin porträtiert wird, die auch eine wunderbare Romanfigur abgegeben hätte.

Das alles zu lesen, ist ein bisschen so, wie Buster Keaton beim Laufen zuzugucken. Denn dass die beiden auf die Nase fallen werden, weiß der Leser nach der ersten Pferdewette – „Ich bin schon bereit, fünfzig Euro auf ihn zu setzen, als er plötzlich im Laufen mehrere Pferdeäpfel fallen lässt. Wie unprofessionell kann man sein als Pferd?“ –, spätestens aber nach dem Ratgeber, den sich Gideon im Buchladen andrehen lässt.

Eine irrwitzige Butterfahrt durch den Kapitalismus

Die Buchhändlerin schaut ihn „aus grünen Augen an, die seit Jahrzehnten Leser und Bücher miteinander verkuppeln“, und empfiehlt ihm die „Ansichten und Einsichten eines Multimilliardärs“, Autor: ein gewisser Donald Trump. Das Buch verliert schon beim Durchblättern seine schlecht geleimten Seiten. Und so nimmt das Schicksal seinen Lauf. Das Paar begibt sich auf eine skurrile Kofferversteigerung („Schließlich hätte die Wäsche im Koffer ja auch gebraucht sein können. Das ist sie nicht, und das ist schön“), versucht es mit Preisausschreiben, Rentenfonds und Kunst.

Ziemlich komisch ist auch der Besuch an der Frankfurter Börse, wo Gideon Böss feststellen muss, dass es jene Börse mit ihrem Parkett und den Männern, „die schwitzen und mit rotem Kopf Aktien kaufen und verkaufen“, gar nicht mehr gibt. Das Buch, eine irrwitzige Butterfahrt durch den Kapitalismus, ist mit Charme und Mutterwitz geschrieben und in Wahrheit tieftraurig. Denn natürlich ist das Ehepaar Böss der Stellvertreter einer ganzen Generation, die, gut ausgebildet, tüchtig, begabt, das Leben als Pleite ertragen muss. Der großen Frage, warum das eigentlich so ist, muss der Leser sich freilich selbst stellen. 

Gideon und Christine Böss: „Schatz, wir werden reich! (vielleicht)“. Topicus, Luxemburg 2019. 300 Seiten, 9,99 €

Dieser Text ist in der Oktober-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können. 

 

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