Der Flaneur - Hunde und Katzen retten das Klima

Beim Klimaschutz muss jeder seinen Beitrag leisten. Oder zumindest so tun. Die Frage ist dann auch, wie man seine Flugreisen in Zukunft wohl am besten tarnt.

Stefan aus dem Siepen reflektiert den Umweltschutz in Gegenwart und Zukunft
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Autoreninfo

Stefan aus dem Siepen ist Diplomat und Schriftsteller. Von ihm erschien zuletzt im Verlag zu Klampen „Wie man schlecht schreibt. Die Kunst des stilistischen Missgriffs“. (Foto: © Susanne Schleyer / autorenarchiv.de)

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Wer sich um den Zustand unseres Planeten sorgt, der möge zu seiner Beruhigung einen Blick in die Werbung werfen: Hier ist die ökologische Wende bereits geschafft. Sämtliche Produkte sind nachhaltig, eco, blue, aus natürlichen Rohstoffen sowie regional hergestellt. Die Autofirmen lassen ihre Sportwagen und Limousinen nur noch durch unberührte Landschaften fahren; wer genau hinsieht, entdeckt am unteren Bildrand einen Hinweis auf den CO2-Ausstoß pro hundert Kilometer.

Das erinnert an einen Beipackzettel, der über Risiken und Nebenwirkungen aufklärt, oder an einen Warnhinweis für Allergiker: Achtung – kann Spuren von CO2 erzeugen. In einer Werbung für Hundefutter las ich: „Willst auch Du Deinen Vierbeiner zum Klimaretter machen? Entdecke das nachhaltige Hunde- und Katzenfutter von Green Petfood.“ Ganz recht: Der ökologische Pfotenabdruck eines Dackels mag nicht groß sein, doch jeder Erdenbewohner, ob Mensch oder Tier, muss seinen Beitrag leisten, und wenn sämtliche Dackel Green Petfood fressen …

Babynahrung ist seit vielen Jahren bio und grün. Das dürfte mehr mit der Gesundheit der Kleinen und der Besorgtheit der Eltern als mit dem Ausstoß von CO2 zu tun haben, und doch: Auch Säuglinge belasten das Klima. Um Umweltsünden zu begehen, reicht es, geboren zu werden. Die Windeln, die das Baby beschmutzt, das Fläschchen, aus dem es trinkt, der Teddybär im Ärmchen – alles ist aus Rohstoffen gemacht. Die Lehre von der Erbsünde, wonach jeder Mensch schuldig geboren wird, ist in unserer glaubensschwachen Zeit nicht verschwunden: Sie erlebt eine Renaissance aus ökologischem Geiste. Von der religiösen Erbsünde kann allein Gottes Gnade den Menschen befreien – gegen die ökologische hilft der Kauf eines Bioprodukts.

Sommerferien der Zukunft

Ein Plakat auf dem Washingtoner Flughafen verheißt: „Jet fuel made from rubbish“. Das notierte ich mir als ein großartiges Beispiel für eine Win-win-Situation. Flugzeuge sind gut für die Umwelt, denn mit ihren Triebwerken sorgen sie dafür, dass der Müll verschwindet; und Müll zu produzieren, ist ökologisch nützlich, weil dann die Flugzeuge sauber fliegen können.

Auf vielen Flughäfen vermehren sich die Grünpflanzen, in Paris zum Beispiel sind ganze Wände mit üppigen, urwaldartigen Sträuchern bedeckt. Die Pappbecher, die in den Flugzeugen gereicht werden, tragen die Aufschrift „Enjoy your bio and fairtrade coffee“. Letztens wurde ich Zeuge einer Spendenaktion in der Luft. Die Stewardess erinnerte über Lautsprecher an „die verheerenden Buschbrände in Australien“ und bat um eine Spende für das Rote Kreuz. Anschließend ging sie mit einem Klingelbeutel zwischen den Sitzreihen entlang und sah halb betroffen, halb ahnungslos aus. Mir fiel der Satz von Upton ­Sinclair ein: „Es ist schwer, jemandem etwas begreiflich zu machen, wenn sein Gehalt davon abhängt, dass er es nicht begreift.“

Immerhin: Die Leute sprechen nicht mehr so gern über ihre Flugreisen wie früher, unternehmen sie auf diskretere Art, wenn auch nicht weniger oft. Vor Jahren war in der Zeitung zu lesen, dass sich manche Menschen während der Sommerferien in ihren Wohnungen verstecken, um vor ihren Nachbarn den Eindruck zu erwecken, sie seien im Urlaub; bei herabgelassenen Jalousien und mit vollem Kühlschrank harrten sie aus, um später von ihrem Luxusurlaub zu berichten. Vielleicht dreht sich diese Übung bald um: Der Klimabewusste erweckt den Anschein, zu Hause zu sein, um seine Flugreise zu tarnen.
 

Dieser Text ist in der April-Ausgabe des Cicero erschienen, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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