Debatte um Documenta 15 - Antisemitische Propaganda unter dem Deckmantel der Kunst

Zur Documenta 15 sind nicht nur keine Israelis eingeladen worden. In Kassel wird auch ganz öffentlich antisemitische Propaganda betrieben. Ein Grund ist, dass in Deutschland Kuratoren wie das indonesische Künstlerkollektiv Ruangrupa immer weniger nach ihren künstlerischen Fähigkeiten, sondern nach Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht ausgewählt werden. Dafür tragen dieselben Politiker und Journalisten die Verantwortung, die sich nun öffentlich über die Folgen beklagen.

Protest gegen Antisemitismus auf der Documenta 15: Das betreffende Bild wurde mittlerweile verhüllt / dpa
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Autoreninfo

Hubertus Knabe arbeitet als Historiker an der Universität Würzburg, wo er über Mordanschläge des DDR-Staatssicherheitsdienstes forscht. Von 2000 bis 2018 war er wissenschaftlicher Direktor der Gedenkstätte im ehemaligen Stasi-Gefängnis Berlin-Hohenschönhausen.

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„Steinmeiers Rede ist ein Skandal“, hieß es kürzlich an dieser Stelle. Gemeint war die Eröffnungsrede des Bundespräsidenten auf der Documenta 15. Darin hatte dieser kritisiert, dass zur weltweit bedeutendsten Ausstellung für zeitgenössische Kunst keine jüdischen Künstler aus Israel eingeladen worden waren. „Nirgendwo auf dieser Ausstellung wird das Existenzrecht Israels in Frage gestellt. Es werden auch keine Juden diffamiert und herabgewürdigt“, hielt ihm die Journalistin Elke Buhr erzürnt entgegen.

Inzwischen hat sich herausgestellt, dass nicht nur keine Israelis eingeladen worden waren. Unter dem Deckmantel der Kunst wird vielmehr in Kassel seit vergangenem Samstag öffentlich antisemitische Propaganda betrieben. Nicht die Steinmeier-Rede ist ein Skandal, sondern die anti-jüdische Ausrichtung der aus Steuermitteln finanzierten Documenta 15.

In Ketten gelegte Muslime

Auf einem sogenannten Wimmelbild des indonesischen Künstlerkollektivs „Taring Padi“ im Stil von George Grosz ist zum Beispiel eine männliche Figur zu sehen, die mit mehreren vermeintlich jüdischen Attributen wie Schläfenlocken oder krummer Nase ausgestattet ist. Während das Gesicht von gefletschten Reißzähnen bestimmt wird, prangen auf seinem Hut die Runen der SS. Die Opfer der Nationalsozialisten werden damit selber zu Nazis erklärt – ein Klassiker des modernen Antisemitismus. Auf demselben Bild sieht man auch eine Truppe schwer bewaffneter Militärs, die über menschliche Schädel und Knochen trampeln. Einer von ihnen hat das Gesicht eines Schweines und trägt ein rotes Halstuch mit Davidstern, auf seinem Helm steht „Mossad“. Auch die Gleichsetzung von Juden mit negativ besetzten Tieren ist ein vielfach benutztes antisemitisches Stereotyp.

Das Wimmelbild wurde mittlerweile von den Organisatoren verdeckt, nachdem es scharfe Kritik daran auch von der israelischen Botschaft in Berlin hagelte. Die Gruppe „Taring Padi“ hat aber in Kassel noch ein weiteres Bild ausgestellt, in dem Israel und seine Verbündeten an den Pranger gestellt werden. Auf der Schwarz-Weiß-Zeichnung sieht man eine Gruppe von Muslimen, die in Ketten gelegt sind und von einem Soldaten mit Maschinengewehr bewacht werden. Hinter ihnen steht eine Gruppe bedrohlich blickender Männer mit Totenkopfgesichtern, die jeweils eine Fahne tragen. Von der US-Flagge über den Union Jack bis hin zu den Fahnen Deutschlands, Israels und Japans ist alles vertreten.

Gleichstellung israelischer Soldaten mit der Wehrmacht

Mohammed Al Hawarij, der dem palästinensischen Künstlerkollektiv „The question of Funding“ angehört, stellt auf der Documenta 15 sogar eine ganze Serie von Collagen aus, die Israel mit den Nationalsozialisten gleichsetzt. Auf einem seiner Bilder sitzen vorne Bauern, die einem Gemälde von Vincent van Gogh entlehnt sind, während hinter ihnen Neubauten im Gaza-Streifen brennen. Auf einem anderen bedrohen schwer bewaffnete israelische Soldaten eine friedlich rastende Menschengruppe, die einem Motiv von Francois Millet nachempfunden sind. Die Serie trägt den Titel „Guernica Gaza“ und spielt damit auf die brutale Bombardierung der Stadt Guernica durch die nationalsozialistische Wehrmacht während des Spanischen Bürgerkriegs an.

Das Bekanntwerden dieser Bilder hat die seit Wochen geführte Debatte über einen offenen oder verkappten Antisemitismus der Ausstellungsorganisatoren neu angefacht. Während die ehemalige Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) gar nicht erst anreiste, kritisierte die zuständige Kulturstaatministerin Claudia Roth (Grüne) die „antisemitische Bildsprache“ und forderte, dass die Ausstellungsorganisatoren „die notwendigen Konsequenzen ziehen“ müssten. Der Spiegel hielt ihr entgegen „Freiheit gilt auch für schlechte Kunst“ und meinte: „Israel wird nicht durch ein paar Kunstwerke bedroht.“

Auswahl nach Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht

Aus dem Konflikt zwischen Kunstfreiheit und Ablehnung von Antisemitismus gibt es keinen Ausweg mehr. Würden die Bilder entfernt, wäre dies ein Eingriff in die Grundrechte der Künstler, der spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht scheitern würde. Bleiben sie hängen, dient ausgerechnet Deutschland als Bühne für antisemitische und antiisraelische Propaganda. Auch die inzwischen erfolgte  Distanzierung der Ausstellungsorganisatoren ändert daran nichts mehr, zumal einige der ausstellenden Künstler bereits am Eröffnungstag an einer Demonstration für „Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen“ (BDS) gegenüber Israel teilnahmen.

Die heftig geführte Debatte von Journalisten, Politikern und Künstlern übersieht dabei allerdings die eigentliche Ursache des Skandals: In Deutschland werden Kuratoren – in diesem Fall das indonesische Künstlerkollektiv Ruangrupa – immer weniger nach ihren künstlerischen Fähigkeiten, sondern nach Herkunft, Hautfarbe oder Geschlecht ausgewählt. Diejenigen, die sich den Kampf für Gleichberechtigung und gegen Rassismus auf die Fahnen schreiben, agieren dadurch selber rassistisch und treten die Gleichberechtigung mit Füßen. Verantwortlich dafür sind oftmals dieselben Politiker und Journalisten, die sich jetzt über die Folgen beklagen.

 

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