Debatte und Demokratie - Die versteckte Öffentlichkeit

Die Gesellschaft wandelt sich. Noch nie konnte so viel in so kurzer Zeit öffentlich gesagt, gehasst und gelobt werden. Doch der Diskurs hat keine Öffentlichkeit mehr, schreibt Markus Ziener in der NZZ

Soziale Medien haben unsere Gesellschaft gewandelt / picture alliance
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Jeder kann alles sagen, solange es auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Heutzutage ist es mit den Vorzügen des Internets sogar einfacher denn je, den Leuten die eigene Meinung zu geigen. Wir sind alle vernetzt, über Facebook, Twitter oder Instagram. 

Markus Zeiner von der Neuen Zürcher Zeitung aber hat ein Problem ausgemacht: Zwar existiert ein reger Diskurs. Allerdings fehle ein Ort, an dem dieser von allen wahrgenommen werden kann, nicht nur von wenigen. Dann erst entsteht Öffentlichkeit, die sich dieser Tage zersplittert wiederfindet. 

„Zwar konnte noch nie so viel in so kurzer Zeit öffentlich gesagt, gemeint, gehasst und gelobt werden. Doch eine Debatte, die vereinzelt und vor allem in Nischen und Echokammern stattfindet, hat keine Öffentlichkeit mehr.“, schreibt Ziener dazu.

Außerdem würden die „sozialen Medien“, die ja eigentlich ziemlich asozial sind, in ihrer Beliebigkeit das Schlechte im Menschen zutage fördern: Oberflächlichkeit, Voreingenommenheit, Bequemlichkeit, Schadenfreude, Gier nach Aufmerksamkeit. Abgesehen davon zirkulieren wir mit unseren Meinungen in unseren Bubbles, was einer Debattenkultur nicht zuträglich ist. 

Interessiert Sie dieser Denkansatz, empfehlen wir Ihnen als weiterführende Lektüre das Stück von Christan Bartels auf mdr.de. Darin bespricht Bartels auch die Dankesrede von Autorin Eva Menasse, die sie hielt, nachdem sie den Ludwig-Börne-Preis verliehen bekam. Darin heißt es: „Wen wollen wir heute noch erreichen, wenn wir in der Paulskirche sprechen, wenn wir in der ZEIT oder der FAZ schreiben?“ 

Später sagt sie: „Und so ist die alte Öffentlichkeit an ihr Ende gekommen. Sie ist fast komplett ins Private diffundiert. Es ist nicht mehr annähernd festzustellen, was der eigene Nachbar weiß, erfährt und glaubt, welcher Minderheit er anzugehören wünscht oder welchen Phantasmen er gerade aufsitzt. Jeder hat seine eigene winzige Öffentlichkeit, er hat sie sich nämlich 'personalisiert'. Das aber ist, nach allem, was man an Folgen bisher sehen kann, so gefährlich wie eine Autoimmunkrankheit.“

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