Cicero-Kolumnistin Amelie Fried - Wer immer Applaus bekommt, hat mit Sicherheit etwas falsch gemacht

Amelie Fried beendet nach vier Jahren ihre Cicero-Kolumne „Frau Fried fragt sich“. Dabei sorgt sie sich um ihre Leser, vor allem um die, die sie verärgert hat

Amelie Fried nimmt Abschied als Cicero-Kolumnistin / Illustration: Anja Stiehler/Jutta Fricke Illustrators
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Autoreninfo

Amelie Fried ist Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin. Für Cicero schreibt sie über Männer, Frauen und was das Leben sonst noch an Fragen aufwirft

So erreichen Sie Amelie Fried:

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Liebe Cicero-Leserin, lieber Cicero-Leser,

seit nunmehr vier Jahren freuen oder ärgern Sie sich regelmäßig über meine Kolumne „Frau Fried fragt sich“. Jetzt haben Sie zum letzten Mal Gelegenheit dazu, denn mit diesem Text verabschiede ich mich von Ihnen.

Vielleicht haben Sie mir in dieser Zeit ja mal einen Leserbrief geschickt („Liebe Frau Fried, Sie schreiben mir aus der Seele“ oder auch: „Ihr naives Gutmenschentum ist wirklich nicht zu ertragen“). Bekanntlich schreiben eher die Leser/innen, die sich ärgern, als die, deren Meinung man vertritt, und ich blicke mit einem gewissen Stolz auf eine stattliche Menge böser Zuschriften zurück. Wer immer Applaus kriegt, hat mit Sicherheit was falsch gemacht. Nur wer kritisiert wird, stößt auch Diskussionen an, und das ist schließlich das erklärte Ziel eines Debattenmagazins.

Auch der Cicero und seine Macher werden häufig angegriffen, in letzter Zeit gerne mit dem Vorwurf, sie näherten sich rechtspopulistischen Positionen. Aus meiner Erfahrung in vier Jahren kann ich nur sagen: Ich durfte in meiner Kolumne schreiben, was ich wollte – und das war oft das völlige Gegenteil dessen, was von Teilen der Redaktion vertreten wurde. Nie wurde ein Thema aus politischen oder ideologischen Gründen abgeschmettert, nie wurde mir inhaltlich hineinredigiert. Und als ich von Henryk M. Broder in der Welt auf üble und verleumderische Weise für einen Cicero-Text über Flüchtlinge angegriffen wurde, hat sich der Chefredakteur – obwohl in der Sache anderer Meinung – angesichts des Rufmords öffentlich hinter mich gestellt.

Vier Jahre sind eine lange Zeit, neue Herausforderungen warten auf mich, deshalb mache ich an dieser Stelle im Cicero Platz für andere Ideen und frische Gedanken. Ich danke der Redaktion für ihr Vertrauen und wünsche ihm und seinem Team viel Erfolg, den Mut, offen zu bleiben, und das Quäntchen Glück, das man als Blattmacher haben muss.

Natürlich mache ich mir ein bisschen Sorgen um Sie, liebe Leserinnen und Leser. Gerade um diejenigen unter Ihnen, die sich regelmäßig über mich geärgert haben. Sie werden es wahrscheinlich nicht glauben, aber ich werde Ihnen fehlen. Denn wer soll jetzt Ihren Blutdruck in Schwung bringen?

Wir bedanken uns herzlich bei Amelie Fried für ihre zahlreichen, erfrischenden Kolumnen. Die Oktober-Ausgabe des Cicero erhalten Sie ab sofort am Kiosk oder in unserem Online-Shop.

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