Streit um Pinky Gloves - Meine Periode gehört mir

Dürfen Männer einen Tampon-Handschuh entwerfen? Nein, befanden Feministinnen und hetzten so lange gegen zwei Startup-Unternehmer, bis die ihre „Pinkygloves“ vom Markt nahmen. Die Cancel Culture, sie ist jetzt auf der Toilette angekommen.

Fuck you, Pinky Glove: Feministinnen machen mobil gegen den Tamponhandschuh / Aufn: Cicero
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Es gibt Momente im Leben, da schämt man sich, eine Frau zu sein. Das ging mir gerade bei #Pinkygate so. Der Name suggeriert, es handele sich hier um einen Skandal. Dabei geht es um pinkfarbene Einweghandschuhe, die menstruierende Frauen benutzen können, um damit gebrauchte Tampons zu entsorgen. Weil ihren Herstellern Sexismus unterstellt wird, wurden sie wieder aus dem Handel genommen. 

Die Cancel Culture, sie ist jetzt also auch in der Konsumwelt angekommen, Abteilung: Hygiene-Artikel. Besonders perfide ist daran, dass es zwei Frauen waren, die einen Shitstorm unter dem Deckmantel des Feminismus losgetreten haben, obwohl es ihnen in erster Linie um PR für ihr eigenes Business ging. 

Ungläubiges Kopfschütteln  

Aber immer der Reihe nach. Tatort: Der TV-Sender Vox, vergangene Woche. In der Gründershow „Die Höhle der Löwen“ stellen zwei Männer, Eugen Raimkulow und André Ritterswürden, ein Patent vor, von dem sie glauben, die Frauen hätten schon lange darauf gewartet: Pinky Gloves. Ich weiß nicht, wie die beiden auf diese verwegene Idee kommen konnten.

Zugegeben: Einweghandschuhe mögen praktisch sein – etwa dann, wenn man als Hundebesitzer die Hinterlassenschaft seines Vierbeiners entsorgen muss. Aber welche Frau würde sie benutzen, um darin Tampons zu entsorgen? Es gibt appetitlichere Dinge, wohl wahr. Aber auch beim Wickeln von Babys oder nach dem Toilettengang käme kaum einer auf die Idee, sich vorher Handschuhe überzuziehen. Insofern ist die erste Reaktion auf den Tampon-Handschuh ungläubiges Kopfschütteln. Das kommt eben davon, wenn Männer ein Produkt entwerfen, das an den Bedürfnissen der Frauen vorbeigeht. Praktisch? Ja, klar. Aber nur in der Theorie – aus der Sicht von Männern. 

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Der Markt wird es schon regeln  

Andererseits zwingt uns natürlich niemand, Pinky Gloves zu kaufen. Und wenn von 100 Frauen vielleicht doch mal fünf auf die Idee kommen, es beim Campen, auf Reisen oder auf Festivals auf dem Dixie-Klo wenigstens mal auszuprobieren – ja mei, warum denn nicht? Der Markt wird es schon regeln. Im Fall von #Pinkygate wird es dazu aber erst gar nicht kommen.  

Denn obwohl Eugen Raimkulow und André Ritterswürden in der Vox-Show einen Investor für ihr Patent gefunden hatten, wurde die Produktion gestoppt. Auf ihrer Webseite schreiben die beiden Start-up-Unternehmer zerknirscht: „Wir haben Pinky Gloves vom Markt genommen und hierfür alle notwendigen Maßnahmen eingeleitet. Wir stellen sämtliche Einkaufs- und Vertriebsaktivitäten ein.“

Sexistischer Faux pas  

So weit, so befremdlich. Doch die Begründung treibt mir als Frau die Schamesröte ins Gesicht. Die Rede ist von einer „heftigen Welle an Hass, Mobbing und Gewaltandrohungen – bis hin zu Morddrohungen.“ Damit aber nicht genug. Die Unternehmer entschuldigen sich auch noch „bei allen, deren Gefühle und Emotionen verletzt wurden.“ Sie bedanken sich bei ihren Hatern dafür, dass „eine wichtige Debatte angestoßen wurde“.

So kann man das natürlich auch nennen, was sich in den sozialen Medien unter dem Hashtag #Pinkygate angesammelt hatte: Hohn. Spott. Wut. Und ein Gefühl latenten Beleidigtseins, das nur auf einen Anlass zu warten scheint, um sich ein neues Opfer zu suchen. Die Männer haben mit ihrem Patent ein Tabu gebrochen Die Deutungshoheit über den weiblichen Körper liegt nach dem Verständnis der meisten Feministinnen bei den Frauen. Sie entscheiden nicht nur, ob sie Kinder bekommen wollen. Sie entscheiden auch, wie sie menstruieren.

Hygiene-Falle: Dixie-Toilette  

Es ist ein natürlicher Vorgang. Nichts, für das man sich schämen müsste. Der Tampon macht es möglich. Man kann ihn diskret einführen oder ebenso wieder entsorgen – zumindest im eigenen Badezimmer. Auf Reisen oder unterwegs ist das mitunter schwieriger. Nicht überall gibt es Hygiene-Eimer oder Waschbecken. Und das brachte die Väter der Pinky Gloves auf eine Idee: Warum entsorgt man den Tampon dann nicht gleich in dem dazugehörigen Handschuh? 

Keine schlechte Idee. Und hätte eine Frau sich das ausgedacht, jede Wette, man hätte dem Produkt zumindest eine Chance gegeben. So aber wurde den Erfindern unterstellt, sie stigmatisierten die Periode als etwas Ekliges und maßten sich an, Tipps zu geben, wie frau noch diskreter menstruiert. 

„Können wir bitte einfach verbreiten, dass man sich für Menstruation nicht schämen muss?“, empört sich etwa eine Twitterin. Pinky Gloves, da sind sich die meisten Kommentatorinnen einig, seien  sinnlos, dumm, unüberlegt, dreist – und obendrein noch umweltschädlich. Von einem „sexistischen Faux pas“ ist sogar die Rede und davon, dass als männliches Pendant jetzt eigentlich nur noch ein blauer Gummihandschuh mit einem Traktor drauf fehle, damit Männer „ihr Ding“ beim Masturbieren nicht anfassen müssten.

Perioden-Unterwäsche  

Normalerweise wäre der Shitstorm damit wohl verpufft. Aber in diesem Fall ging er erst richtig los. Zwei Frauen waren daran nicht ganz unschuldig: Kati Ernst und Kristine Zeller, auch sie zwei Unternehmerinnen. Ooia heißt ihr Label. Sie verkaufen „Deutschlands erste Periodenunterwäsche“ – nicht aus Plastik, sondern aus Baumwolle. Es sind besonders saugfähige Schlüpfer, man kann sie waschen und wiederverwenden. Lang lebe die Nachhaltigkeit.

Doch ach, Kapitalgeber fanden sie für ihr Produkt nicht. Sie hatten sich ja schon im November 2019 ebenfalls in die „Höhle der Löwen“ gewagt. Aber sie verließen diese ohne Deal. 300.000 Euro Kapital für 30 Prozent der Unternehmensanteile, dieses Angebot war ihnen zu mickrig. Und vielleicht wären die „Period Pantys“ damit für immer vom Radar der Medien verschwunden, wenn, ja wenn die „Pinky Gloves“ nicht gewesen wären. Auf Instagram heizten die beiden Unternehmerinnen den Shitstorm über Wegwerf-Handschuhe mit Stories und einem Video kräftig an – offenbar mit nachhaltigem Erfolg.  

Die Opferkarte sticht

Die Nachfrage nach ihren Schlüpfern sei sprunghaft gestiegen, sagten sie im Interview mit der Wirtschaftswoche. „Die Wut vieler Frauen über zahlreiche systemische Probleme, von Sexismus bis Body Shaming, entlädt sich gerade an Pinky Gloves.“ Mitleid mit deren Erfindern zeigen sie keines. Noch sei niemand von dem Deal mit dem Investor zurückgetreten, die Gloves würden deshalb wohl doch in immer mehr Läden kommen, behaupten sie. Ihre Konkurrenten hätten Größe bewiesen, indem sie sich entschuldigt und negative Kommentare auf ihrer Webseite nicht gelöscht hätten.

Nein, man hat sich nicht verlesen. Da stilisieren sich zwei Frauen erst zu Opfern einer von Männern dominierten Industrie. Dann spielen sie die Opferkarte knallhart aus, als sich ihnen die Gelegenheit bietet. Und am Ende erwarten sie von ihren Mitbewerbern auch noch, dass die sich bei den Frauen entschuldigen. Aber wofür eigentlich? Dass sie Männer sind? Dass sie keine Periode bekommen, sich aber darüber Gedanken gemacht haben, wie sie Frauen das Leben erleichtern könnten? Und welche Folgen hat das Aus für den Tampon-Handschuh? Muss es künftig eigene  Drogeriemärkte für Männer und für Frauen geben? Dürfen Männer Tampons nur noch mit einer schriftlichen Einverständniserklärung einer Frau kaufen? 

Meine Periode gehört mir, das ist die Botschaft, die hinter diesem bizarren Streit  steht. Dabei, das ist die Pointe dieser Geschichte, wurde der Tampon 1931 in den USA von dem Arzt Earle Cleeveland Haas erfunden. Man muss kein Mann sein, um darüber den Kopf zu schütteln.

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