1. FC Köln entlässt Mediendirektor - Der Mann, der bei „Bild“ Fritz Esser war

Es war die Sport-Meldung der Woche: Der 1. FC Köln entlässt seinen neuen Mediendirektor Fritz Esser. Im Netz waren Posts aufgetaucht, die Esser in die Nähe von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit rückten. Egal wie man die Äußerungen des einstigen Bild-Journalisten Esser beurteilt, der Fall legt abermals die Gnadenlosigkeit linker Krawallmacher im Netz offen.

Ausschreitungen bei einem Spiel des 1. FC Köln / dpa
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Autoreninfo

Judith Sevinç Basad ist Journalistin und lebt in Berlin. Sie studierte Philosophie und Germanistik und volontierte im Feuilleton der NZZ. Als freie Autorin schrieb sie u.a. für FAZ, NZZ und Welt. Sie bloggt mit dem Autoren-Kollektiv „Salonkolumnisten“. 

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Diese Woche sorgte die Kündigung von Fritz Esser beim 1. FC Köln für Aufregung. Der ehemalige Bild-Journalist sollte bei dem Bundesligisten von Mai an den Platz des neuen Mediendirektors einnehmen. Doch daraus wurde nichts. Der Grund: Im Netz tauchten Tweets und Kommentare von Esser auf, in denen er den Aktivismus einiger FC-Fans und die Asylpolitik der Bundesregierungen kritisierte. Der Verdacht entstand, dass Esser mit der AfD sympathisiere, was mit dem Rauswurf des Kölners endete.

War das ein klassischer Fall von Cancel Culture? Wenn man sich die Affäre genauer anguckt, ist es nicht ganz so einfach. Denn in erster Linie scheint die Vereinsführung versagt zu haben. Das zeigt sich in der Entlassung des vorherigen Kommunikationsleiters Tobias Kaufmann, der einen guten Job machte, aber gehen musste, weil ihn der neue Vorstand als Altlast ansah. Auch kann man sich fragen, ob Esser, der keine Erfahrung in der Bundesliga hatte, imstande gewesen wäre, einen von Machtkämpfen geprägten Krisenverein wie den 1. FC Köln gut zu repräsentieren.

Ein Verein fürs Diverse

Den größten Fauxpax erlaubten sich jedoch die Headhunter, die sich auf die Suche nach Ersatz für die vakante Stelle machten – und Esser selbst. Denn der 1. FC Köln ist bekannt dafür, dass er sich gerne für Diversität und gegen Rassismus ausspricht. So feierte er vor kurzem einen Diversity-Spieltag, nimmt mit einem eigenen Wagen am CSD teil, unterstützt Flüchtlingsinitiativen, und auf den Auswärtstrikots der Spieler ist neben der Silhouette des Kölner Doms auch die der Ditib-Moschee abgebildet.

Es erstaunt also, dass weder die Headhunter noch Esser selbst auf die Idee kamen, die Social-Media-Präsenz des Kandidaten, der zuvor für die in linken Kreisen unbeliebte Bild-Zeitung arbeitete, zu checken. Da gab es etwa einen Tweet, in dem Esser FC-Fans als „Schwachmaten“ bezeichnete, weil sie dem Red-Bull-Bus der Leipziger Kontrahenten den Weg ins Stadion versperrten. Der Grund für den Protest: Zu viel Kommerz im Fußball. In einem anderen Post lobte der damalige Journalist die Rede eines AfD-Abgeordneten im Bundestag. Und dann gab es noch einen Bild-Kommentar von Esser, in dem er sich über die versäumte Abschiebung eines Flüchtlings beschwerte.

Keine andere Wahl

Das alles wurde von den Fans zusammengetragen und per Screenshot auf Twitter geteilt. Eine Online-Petition wurde gestartet, die auch von Promis und Journalisten unterzeichnet wurde. Ab da war es eigentlich schon zu spät: Ein Shitstorm folgte, und Esser wurde der Stempel des Menschenfeinds aufgedrückt.

Der Vorstand hatte also keine andere Wahl, als sich von Esser zu trennen. Denn eins ist sicher: Die Netz-Aktivisten hätten mit der Diffamierung nicht einfach aufgehört, was nicht nur das Image des „Effzeh“, sondern auch das der Stadt Köln beschädigt hätte. In erster Linie hat es also der Verein vermasselt. Und dennoch ist die Art und Weise, wie sich die Mistgabelfraktion im Netz auf vermeintliche „Nazis“ stürzt, Inhalte verdreht und sich erst zufrieden gibt, wenn Karrieren zerstört wurden, unerträglich.

Verständnis für die AfD?

Nehmen wir etwa den Tweet, den Esser im Oktober 2017 über die Bundestagsrede von AfD-Politiker Bernd Baumann postete. „Diese Schelle von AfD-Mann Baumann hat sich der Bundestag redlich verdient“, stand dort. Es handelte sich um die erste Rede der AfD im Bundestag, in der sich Baumann darüber beschwerte, dass das Parlament die Alterspräsidenten-Regelung kurz vor der Bundestagswahl abänderte. Nicht mehr der älteste Abgeordnete, sondern der Politiker mit der längsten Dienstzeit solle demnach die erste Sitzung des neuen Bundestages eröffnen. Damit wollte man verhindern, dass der AfD-Politiker Wilhelm von Gottberg, der wegen Äußerungen zum Holocaust in der Kritik stand, die erste Rede hält.

Dass man durch solche Tricks versucht, die AfD im parlamentarischen Betrieb auszugrenzen, wurde damals nicht nur von Baumann, sondern auch von mehreren, teilweise linken Politikern und Journalisten moniert. Tenor: So bestärke man nur den Populismus der Partei, die sich gerne als Opfer der antidemokratischen „Altparteien“ inszeniert.

Kritik am Extremen

Um einiges verwerflicher war der Nazi-Vergleich, den Baumann bei seiner Rede vorbrachte. So erzählte er, dass im Jahr 1933 bereits Hermann Göring die Regel gebrochen habe, um die Marxistin Clara Zetkin aus dem Parlament auszuschließen, was sich als falsch herausstellte. 

Ob Esser diesen Geschichtsrevisionismus auf dem Schirm hatte, als er den Post absetzte, bleibt fraglich. Ihn deswegen als AfD-Fan dastehen zu lassen, geht dennoch zu weit, zumal der damalige Journalist in vorherigen Artikeln die extremistischen Tendenzen in der Partei scharf verurteilte.

Verkürzte Zitate

Aber auch ein Videokommentar Essers über die Abschiebepraxis von Flüchtlingen wurde von den Aktivisten aus dem Zusammenhang gerissen. Dort beschwerte er sich darüber, dass „gut integrierte, zugewanderte Mitarbeiter“ in Deutschland abgeschoben würden, „während Islamisten und Gefährder bleiben dürfen“. Das sei nicht nur „bekloppt und tragisch“, sondern zerstöre auch „Lebensträume und den Mut von all denen, die die harte Arbeit der Integration in diesem Land noch vor sich haben“, heißt es dort. 

Die Mühe, sich das Video anzugucken, machten sich die Netz-Aktivisten nicht. Stattdessen wurde der Inhalt des Videos auf den Satz „Wir schieben die Falschen ab!“ verkürzt und in einen Zusammenhang mit der Affäre um den Flüchtling Alassa M. gestellt, die sich aber ein halbes Jahr später ereignete. Der Kameruner wurde im Sommer 2018 von deutschen Behörden gemäß des EU-Abkommens Dublin III zurück in sein Einreiseland Italien abgeschoben, weil sein Asylantrag abgelehnt worden war. Im Dezember desselben Jahres reiste M. aber trotz Einreiseverbot wieder nach Deutschland ein und stellte erneut einen Antrag. Esser schrieb daraufhin in der Bild einen Kommentar, in dem er vor Asylmissbrauch warnte.

Es ist klar, dass einem Linken, der gern bei Sitzblockaden gegen Red-Bull mitmacht, ein solcher Text nicht gefällt. Eine Frage aber bleibt: Müssen ab jetzt alle Menschen, die in der Öffentlichkeit den Rechtsstaat verteidigen und sich gegen illegale Einwanderung aussprechen, um ihre Jobs bangen?

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