Protest an Uni Hamburg gegen Bernd Lucke - Wehret den Fortgängen!

Der Ökonom Bernd Lucke wurde von der Hamburger Universität vertrieben. Als Gründer der AfD und neoliberaler Wissenschaftler soll er keine Vorlesung halten dürfen. Die Aktion von Antifa und AStA zeigt: Linker Meinungstotalitarismus schadet der Republik und den Hochschulen

Bernd Lucke verlässt die Uni Hamburg mit Polizeischutz / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Wenn man an Selbstverständliches erinnern muss, ist der Wahnsinn nicht fern. Nachdem der Wirtschaftsprofessor Bernd Lucke am Mittwoch durch einen linksradikalen Mob aus der Universität Hamburg vertrieben worden ist, lauten die im Feuer stehenden Selbstverständlichkeiten: Die Freiheit der Meinung und die Freiheit der Wissenschaft sind grundgesetzlich verbrieft. Eine nichtlinke Gesinnung ist im Gegensatz zu Hausfriedensbruch und Nötigung nicht verboten. An einer Universität finden freie Diskurse statt, nicht unfreie Ausgrenzungen unerwünschter Weltanschauungen. Wer Menschen herabwürdigt, redet nicht im Namen der Menschlichkeit. Und wer als Antifaschist zu faschistischen Methoden greift, ist kein Antifaschist. Wird das Entsetzen über Luckes Vertreibung heilsame Wirkung entfalten?

Bernd Lucke kehrte nach dem Scheitern seiner Partei „Liberal-Konservative Reformer“ bei den jüngsten Wahlen zum EU-Parlament an seine Heimatuniversität zurück. Das ist sein gutes Recht als Beamter, das ist seine Pflicht. Er wollte über „Makroökonomik II“ lesen. Vorab hatte der 32-jährige AStA-Vorsitzende Karim Kuropka, der bereits 2015 im vierten Semester Germanistische Linguistik studierte und den man also früher einen Bummelstudenten genannt hätte, Luckes Sünden aufgezählt: Der habe einst die AfD gegründet und vertrete zudem eine „unsoziale Wirtschaftspolitik“. Dagegen werde man „gesitteten Protest“ erheben. Gute Sitten bewies dann aber nur Bernd Lucke, der im Hörsaal stoisch die Schmähungen seiner Person ertrug. Kuropka gehört übrigens der SPD an und ist, wie gesagt, Student der Sprachwissenschaften; maßt sich aber volkswirtschaftliche Spezialkenntnisse an und verhängt den makroökonomischen Bannfluch über Lucke.

Lucke bewahrt Contenance

Videos von der Vertreibung zeigen dreierlei: Da gibt es erstens die Aktivisten und deren Sympathisanten in den Sitzreihen, die hart und aggressiv immer wieder rufen „Nazi-Schweine raus aus der Uni“, militärisch skandiert. Weder ist Lucke ein „Schwein“ noch ein „Nazi“. In den Rufen trifft Entmenschlichung auf Unkenntnis und gebiert Hass. Eine blonde Frau in Rückenansicht schlägt besonders eindrücklich aufs Pult. Vorne lassen derweil schwarz gekleidete Männer von der „Antifaschistischen Aktion“ keinen Zweifel daran, dass Lucke hier weder reden noch sich aufhalten soll.

Dazwischen sitzen zweitens Studenten, die sich als Publikum missverstehen und so Mitläufer werden. Niemanden befällt die Erkenntnis, dass hier die eigene akademische Freiheit mitbegraben wird und also eine Aktion gegen die reaktionäre Antifa geboten gewesen wäre. Drittens steht Bernd Lucke im Tohuwabohu und bewahrt Contenance. Er ist ein David in Goliaths Welt und insofern der moralische Sieger.

Grüne Senatorin und Rektor mit Verständnis

Die vierte handelnde Partei fand nicht ins Bild. Gäbe es eines, es zeigte Politik und Universitätsleitung beim Abgießen haltungspolitischen Regenwassers über Lucke. Die grüne Hamburger Wissenschaftssenatorin und der Unipräsident verhehlen in einer gemeinsamen Erklärung nicht ihr Verständnis für den linken Mob. Statt den erzwungenen Abbruch der Lehrveranstaltung zu verurteilen und die Durchsetzung des Hausrechts für Luckes kommende Vorlesung anzukündigen, erklingt der lahme Verweis, der Staat müsse „die Durchführung freier wissenschaftlicher Lehre (…) grundsätzlich gewährleisten“, garniert vom kontrafaktischen Bezug auf „die diskursive Auseinandersetzung auch über kontroverse gesellschaftliche Sachverhalte und Positionen“, wie sie im Hörsaal gerade nicht stattgefunden hatte.

Zum Ausklang wird an den „Hintergrund der deutschen Geschichte“ erinnert, wodurch die Erklärung vollends ins Unernste kippte. Was, bitte schön, wäre aus der mutmaßlich gemeinten Geschichte zu lernen, wenn nicht die harte Lektion, dass das freie Wort unantastbar bleiben muss und dass keine Universität zur Ausgabestelle erwünschter politischer Losungen verkommen darf? Katharina Fegebank und Dieter Lenzen kennen die deutsche Geschichte nicht.

Ohne Ränder keine kraftvolle Mitte

Hamburg ist kein Einzelfall. Auch nach anderen deutschen Universitäten greift ein linker Meinungstotalitarismus – ermuntert durch das dreimal tägliche Absingen der Phrase vom „Kampf gegen rechts“, wozu besonders gern Außenminister Heiko Maas mangels sonstiger Erfolgsausweise Zuflucht nimmt. Dabei ist der „Kampf gegen rechts“ eine ebenso undemokratische, antirepublikanische Sache, wie es ein „Kampf gegen links“ wäre. Ohne rechte und linke Ränder kann es keine kraftvolle Mitte geben. Vielleicht kam uns deshalb die Mitte abhanden, weil wir keine Ränder mehr ertragen? Gefährlich und absolut intolerabel wird es dann, wenn die Schwelle zum Links- oder Rechtsextremismus überschritten wird.

Dass der AStA nun angekündigt hat, künftig „keine Proteste“ zu organisieren, die „seine (Luckes) Lehre stören werden“ und ein gemeinsames Gespräch „ zwischen uns und Herrn Lucke“ ankündigt, ist ein kleines Hoffnungszeichen. Die vorläufige Vertreibung Bernd Luckes aus der akademischen Hamburger Welt zeigt dennoch leider auch dies: Im Kampf wider die galoppierende Unvernunft und die schreckliche Vereinfachung sind Deutschlands Universitäten keine natürlichen Bündnisgenossen mehr.

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