
- Der Kampf um den Kanon
An Universitäten werden zunehmend missliebige Meinungen unterdrückt und Professoren an den Pranger gestellt. Jetzt traf es in Hamburg Bernd Lucke. Die Hochschulen verlieren damit ihre Funktion als Orte kritischer Auseinandersetzung und demokratische Kultur. Unser Titel vom Juni 2019
Als die Frankfurter Ethnologie-Professorin Susanne Schröter eine Konferenz unter dem Titel „Das islamische Kopftuch – Symbol der Würde oder der Unterdrückung?“ an der Goethe-Universität plant, war sie sich nicht sicher, ob sie den Raum voll bekommen würde. „Das Thema ist ja nicht ganz neu“, sagt sie ein wenig kokett, „wir diskutieren schon seit 20 Jahren über das Kopftuch.“ Doch dann, wenige Wochen bevor die Konferenz am 8. Mai beginnen soll, bricht über Schröter ein Shitstorm herein. Sie sei eine „antimuslimische Rassistin“, liest sie im Internet über sich, und dass sie mit ihrer Konferenz gegen den Islam hetzen wolle. Auf Instagram und Facebook kursiert der Hashtag #schroeter_raus. Sie soll ihre Professur verlieren.
Die Anfeindungen gegen Schröter haben die Frankfurter Kopftuchkonferenz landesweit in die Medien gebracht. Die Anmeldungen übersteigen die Platzkapazitäten um ein Vielfaches, vor der Tür stehen Einsatzwagen der Polizei. Kurz vor Beginn lädt Schröter zur Pressekonferenz. Ein wenig verdattert steht sie vor rund 20 Reportern, sechs Mikrofonen und vier Fernsehkameras und erklärt, warum ihre Konferenz keine muslimischen Frauen diskriminieren soll. „Wir haben zu der Konferenz auch zwei Frauen eingeladen, die das Kopftuchtragen ausdrücklich befürworten“, sagt Schröter. Man wolle lediglich eine wissenschaftliche Diskussion führen. An ihrer Seite sitzen die Universitätspräsidentin Birgitta Wolff und die AStA-Referentin Fatma Keser. Einige Studenten wollten Schröters Forschung zum Islam grundsätzlich verhindern, glaubt Keser. Wolff appelliert an die Wissenschaftsfreiheit.