Cicero im August - Kiss & Go Areas, S-Bahnverspätungen, Wagenpflege

Die Berliner S-Bahnen bieten ihren Kunden Verbindungen ohne lästige Zwischenstopps, während der rot-rot-grüne Senat nicht vom Fleck kommt und vor Schulen sollen Kurzzeit-Verabschiedungszonen eingerichtet werden. Die Stadtgespräche im August

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Gekommen, um zu bleiben: Das ist das Motto vieler Zuzügler, Dauergäste und Migranten in Berlin / picture alliance
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So isset halt

Gekommen, um zu bleiben: Das ist das Motto vieler Zuzügler, Dauergäste, Migranten, aber auch Losung islamistischer Terroristen. Der Berliner Senat geht von einer dauerhaften Bedrohung aus: Bis 2020 sollen 1200 Beamte in einem neuen Anti-Terror-Zentrum zusammengezogen werden, das für Renovierungskosten von kalkulierten 25 Millionen Euro in Tempelhof entsteht. Und fünf Beamte bilden ab sofort die „Anlaufstelle für Terror­opfer“. Justizsenator Dirk Behrendt von den Grünen erklärt dazu lässig im RBB: Nun könne den Hinterbliebenen rascher die Frage beantwortet werden: „Wo ist der Leichnam freigegeben?“ Schließlich „müssen wir auch in Zukunft damit rechnen, dass in Berlin wieder etwas passieren könnte“. Wurstigkeit trifft Dienstweg: Et läuft. akis

Voll durchgefahren

Der öffentliche Nahverkehr in Berlin ist auf die eine oder andere Art stets unterhaltsam. So werben etwa die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) gerade mit dem Spruch: „BVG-Fahren ist wie Urlaub auf Mallorca: Hohe Temperaturen. Unterirdisches Niveau. Ab und zu trifft man Spanier.“ Da wollte die Deutsche Bahn als Betreiberin der örtlichen S-Bahnen humormäßig nicht zurückstehen und verkündete jüngst ihre Strategie im Kampf gegen Verspätungen. Diese funktioniert so: Wenn eine S-Bahn verspätet ist, soll sie künftig an bestimmten Haltestellen einfach durchfahren. Es handle sich bei diesem Pilotprojekt „um eine Maßnahme unserer Qualitätsoffensive“, verkündete eine Sprecherin der Bahn stolz. Das Beste an dieser Lachnummer: Sie wurde nach Protesten wieder ad acta gelegt. mar

Endlich durchgreifen

Dieses Jahr war die Gegend ums Kottbusser Tor und den Görlitzer Park wegen sexueller Übergriffe, Drogenhandels und Taschendiebstahls bereits als sogenannte No-go-Area bezeichnet worden. Der Vorwurf: Die Justiz würde hier kapitulieren, während sie andernorts lieber Strafzettel an Falsch­parker verteile. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller, SPD, wollte das nicht gelten lassen und sagte, No-go-Areas gebe es in Berlin gar nicht. Stattdessen sollen nun vor Schulen im Bezirk Spandau bald sogenannte „Kiss & Go Areas“ eingerichtet werden. Diese Kurzzeit-Verabschiedungszonen sollen überbesorgte Eltern maßregeln, die ihre Kinder mit dem Auto zur Schule bringen und dort etwa Feuerwehreinfahrten zuparken. Wenigstens Eltern bekommen jetzt Platzverweise. bb

Hübsch Bescheiden

Das war kein entspannter Abend für Berlins Vize-Bürgermeister Klaus Lederer (Die Linke), der sich als bekennender Kiffer gern mal eine „Tüte“ gönnt: Bei der Sommerklausur des Senats ging es nach 19 Monaten rot-rot-grüner Koalition um den grauen Alltag der Stadtpolitik, samt einer scharfen Attacke auf Lederers linke Genossin, die Bausenatorin. „Ich höre immer nur Bürgerbeteiligung und Ähnliches“, kanzelte der Regierende Bürgermeister Müller sie ab, „und nie, dass sie Wohnungsneubau machen will.“ Für die überfüllten Schulen laufen die großen Sanierungsprojekte erst 2023 an; die Polizei wiederum hat sogar das Schießen verlernt: Wegen Schadstoffbelastung durften die Schießstände lange nicht betreten werden. Seit Ende Juni ist Ballern zwar wieder erlaubt, aber nur im Stehen, nicht im Knien oder Liegen – die Bodenmatten waren nicht rechtzeitig bestellt worden. Auch die überfällige Verwaltungsreform ist erst mal an den Linken gescheitert, sie könnte nämlich den Besitzstand parteipolitisch eingefärbter Pöstchen gefährden. Angesichts dieser Bilanz ist dem Senat ein Ausflug ins Renaissance-Theater zu gönnen, wo gerade der Sommerhit „Im Weißen Rössl“ läuft. Denn wie ließe sich die Situation besser aufhübschen als mit der Operettenmelodie „Auch der schönste Traum / bleibt nur Schaum / man sieht allmählich ein / man muss hübsch bescheiden sein“. Ernst Elitz

Kantinenharmonie

Es gibt sie noch, die Momente der rot-rot-grünen Liebe. Zum Beispiel in der Kulturkantine, gelegen im Hinterhof einer ehemaligen Brauerei im Berliner Bezirk Pankow. Der Linken-Politiker Stefan Liebich, der hier bei der Bundestagswahl das Direktmandat holte, hat eingeladen. Juso-Chef Kevin Kühnert und Grünen-Chefin Annalena Baerbock sind gekommen, um über „Hoffnung: Mitte-Links“ zu diskutieren. Leicht fällt es den Diskutanten nicht, die alte Zuneigung wiederzubeleben. Kühnert kommt zu spät, Liebich redet so viel, dass es unhöflich wirkt, schließlich ist er der Gastgeber. Annalena Baerbock wiederum muss sich dafür rechtfertigen, dass sie zuletzt mit Union und FDP geflirtet hat. Dann werden sich die drei doch irgendwie einig, zum Beispiel darüber, dass ein Rechtsruck in der Gesellschaft schuld daran sei, dass Rot-Rot-Grün in Umfragen nur noch auf 40 Prozent kommt. Und natürlich Sahra Wagenknecht. Die Fraktions­chefin der Linken hatte sich in einem Zeitungsbeitrag recht kritisch zur Politik der offenen Grenzen ihrer Partei geäußert. „Perfide“ nennt Kühnert deren Thesen, Liebich und Baerbock nicken. Dass die SPD zur selben Zeit mit der Union darum ringt, wie die offenen Grenzen Europas effektiv abgeriegelt werden können, dass die Grünen der Union in den Jamaika-Verhandlungen hier weitreichende Zugeständnisse gemacht haben, stört die Kantinenharmonie kaum. cse

Schonzeit für Bayern?

Auch in der Politik gilt das Motto: Kleine Gefälligkeiten erhalten die Freundschaft. Was natürlich andersherum heißt, kleine Gemeinheiten können aus politischen Weggefährten Widersacher oder sogar Gegner machen. Die CDU in Baden-Württemberg zumindest ist derzeit gar nicht gut auf die Schwesterpartei CSU zu sprechen. Nicht wegen des Asylstreits, sondern wegen Mercedes, dem Stolz des Ländles. Den dortigen Christdemokraten ist nämlich aufgefallen, um nicht zu sagen aufgestoßen, dass Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer im Dieselskandal gegenüber Mercedes-Chef Dieter Zetsche zuletzt einen recht rüden Ton angeschlagen, ihn sogar schlagzeilenträchtig ins Ministerium einbestellt hat. Gegenüber BMW hingegen hat der CSU-Minister seit seinem Amtsantritt im März kein böses Wort verloren. Dabei werden auch den Bayerischen Motorenwerken Abgasmanipulationen vorgeworfen. Da könnte es natürlich naheliegen, dass Scheuer den bayerischen Konzern schont und so auf Kosten des Nachbarlands Wahlkampf und Standortpolitik macht. Doch wie immer im Leben sieht man sich auch in der Politik meist zweimal. Und wenn die CSU sich in diesen Tagen wundert, warum sie im Machtkampf mit der Kanzlerin so wenig Unterstützung aus der CDU bekommt, dann liegt es womöglich auch daran, dass sie alte konservative Seilschaften in der Union nicht mehr pflegt. cse

Illustrationen Jan Rieckhoff

Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Onlineshop erhalten.

 

 

 

 

 

 

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