Bauchspeck als Hoffnungsschimmer - Bacon oder Beacon: Egal – Hauptsache Baerbock

Mit Verwunderung hat unser Genusskolumnist zur Kenntnis genommen, dass die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bei einem Südafrika-Besuch die Befreiung des Landes vom Apartheid-Regime mit Bauchspeck vom Schwein in Verbindung brachte. Für ihn ist das aber auch Anlass, ein ganz eigenes Loblied auf dieses Lebensmittel zu verfassen.

„Stilleben mit Schinken“, unbekannter Meister, um 1650 / dpa
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Autoreninfo

Rainer Balcerowiak ist Journalist und Autor und wohnt in Berlin. Im Februar 2017 erschien von ihm „Die Heuchelei von der Reform: Wie die Politik Meinungen macht, desinformiert und falsche Hoffnungen weckt (edition berolina). Er betreibt den Blog „Genuss ist Notwehr“.

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Eigentlich hat es die deutsche Außenministerin wieder mal nur gut gemeint. Ende Juni wollte sie bei ihrem Besuch in Südafrika ihre Gastgeberin, die Amtskollegin Naledi Pandor, vor laufenden Kameras ein bisschen umgarnen, besonders mit der Aussage: „Der Weg Südafrikas in die Freiheit war ein Hoffnungsschimmer, der Männer und Frauen auf der ganzen Welt inspirierte.“ Dummerweise versuchte sie das auf Englisch, und das ging gründlich daneben. Denn aus dem Hoffnungsschimmer (Beacon) wurde in ihrer Rede laut und deutlich Frühstücksspeck (Bacon).

Wobei man noch froh sein muss, dass ihr dieser Lapsus nicht in einem muslimischen Land passierte, denn dort wäre der Vergleich der eigenen politischen Entwicklung mit gepökelten und geräucherten Bauchfleischscheiben vom Schwein wohl als ziemlich schwerwiegende Beleidigung aufgefasst worden. Pandor ist zwar Muslimin, scheint aber zum liberalen Flügel dieser Religion zu gehören, denn sie hat sich – jedenfalls offiziell – nicht zu dem Schweinegleichnis geäußert.

Als Freiheitssymbol eher ungeeignet

Aber auch innenpolitisch passt Baerbocks Speck-Rede kaum zum grünen Zeitgeist, den sie ja an vorderster Front repräsentieren soll. Denn dass der Weg zur Freiheit ausgerechnet auf Schweinefleisch, das viele Grüne in Deutschland am liebsten verbieten würden, basieren soll, dürfte in der veganen und vegetarischen Community nicht gut ankommen. Zumal die besonders stark verbreitete Darreichungsform von Bacon als gebratene und deutlich angekokelte Scheiben beim berüchtigten „Full English Breakfast“ auch noch als äußerst gesundheitsschädlich gilt.

Als Freiheitssymbol taugt Schweinespeck jedenfalls ganz bestimmt nicht, dann könnte man ja gleich der Freiheitsstatue in New York eine Bratwurst in die Hand drücken. Und schließlich sang der US-Entertainer David Hasselhoff angesichts der bröckelnden Berliner Mauer bei der Berliner Silvesterfeier 1989/90 auch nicht „Looking for Bacon“ sondern „Looking for Freedom“. Doch der Schweinefleischindustrie wird der Lapsus der Ministerin mit Sicherheit sehr gut gefallen, denn wann war eines ihrer Produkte schon mal Gegenstand der weltweiten medialen Aufmerksamkeit?

Wollte Baerbock Cem Özdemir ärgern?

Auch der Ernährungssoziologe Daniel Kofahl findet Baerbocks Schweine-Nummer durchaus bemerkenswert. Er vermutet „ein verdrängtes, aber tief in ihr pochendes fleischliches Begehren, welches sich da zwischen ihren sonst stets so besonnen gewählten Worten ins Rampenlicht der Öffentlichkeit wand“. Kofahl schließt allerdings auch nicht aus, dass es sich um einen gezielten Seitenhieb gegen ihren Partei- und Kabinettskollegen Cem Özdemir handelt, denn dieser könne „im Gegensatz zur vom Bacon of Hope entflammten Annalena geradezu als baconophob ,gelesen werden‘, wie man heutzutage so schön sagt“.

 

Zuletzt in „Genuss ist Notwehr“ erschienen:

 

In der Tat hat Özdemir für das von ihm geführte Bundeslandwirtschaftsministerium angeordnet, dass die Verpflegung bei Veranstaltungen seiner Behörde grundsätzlich vegetarisch sein soll und Abweichungen einer Sondererlaubnis bedürften, wie das Branchenmagazin agrarheute am 28. Juni berichtete. Diese Vorgabe gibt auch die öffentliche Cafeteria des Ministeriums, für die jetzt – bislang erfolglos – ein neuer Betreiber gesucht wird.

Bauchspeck ist kulinarisches Kulturgut

Unter diesem Aspekt bringt Kofahl dem – vielleicht nur vermeintlichen – Versprecher der grünen Ministerin ein gewisses Wohlwollen entgegen. Schließlich seien „die Lust auf einen schönen Schinken und das Wohlgefallen an etwas kräftigem Speck doch Lebensfreude pur“. Und auch ich begreife Baerbocks Bacon durchaus als Beacon, also als einmalige Gelegenheit, eine Lanze für Schweinespeck zu brechen. Dünn geschnittene Scheiben eignen sich unter anderem hervorragend zum Bardieren, um durch das Umwickeln mit Speck das Austrocknen von Schmorgut, etwas bei Hasen und Fasanen, zu verhindern.

Eine bekannte und beliebte Vorspeise sind ferner Datteln im Speckmantel, die unter der Bezeichnung Dátiles con Bacon auch zu den Klassikern der spanischen Tapas-Kultur gehören. Die Datteln kann man dafür aufschneiden, mit Frischkäse füllen, dann mit einer Speckscheibe umwickeln, die man mit einem Zahnstocher befestigt und anschließend im Ofen backen, in der Pfanne rösten oder auf den Grill legen kann.

Politisch spielt Bacon keine Rolle

Klassischer Partner ist Bauchspeck auch für Champignons und grüne Bohnen, sowie – dann allerdings eher gewürfelt als in dünnen Scheiben – bei diversen Eintopfgerichten oder beim Pasta-Klassiker „Spaghetti alla Carbonara“. Und natürlich kann man Bauchspeck auch kalt bei einer zünftigen Brotzeit genießen. Dann sollte man allerdings nicht auf den Billig-Bacon aus dem Supermarkt zurückgreifen, sondern auf etwas edlere Produkte, etwa aus Südtirol.

Baerbocks in der Rede postulierte Schweine-Hoffnung hat sich allerdings nicht erfüllt. Südafrika ist nach wie vor nicht bereit, sich den westlichen Sanktionen gegen Russland anzuschließen und im Krieg in der Ukraine eindeutig Partei zu ergreifen. Aber das hat ganz bestimmt nichts mit Bacon zu tun.

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