Aloe Blacc wurde am 7. Januar 1979 in Los Angeles geboren. Seine Karriere startete er als Hiphop-MC. Als Solokünstler bekannt wurde der Soulsänger und Rapper mit „I Need a Dollar“. Im Oktober erschien sein neues Album „All Love Everything“.
Ich bin kein melancholischer oder trauriger Mensch, also bin ich das auch in meinen letzten 24 Stunden nicht. Der Tag wird ein Fest mit meiner Familie – meiner Frau und meinen Kindern, meinen Eltern und Schwiegereltern, meiner Schwester und Schwägerin sowie deren Familien. Wir verbringen ihn in meinem Haus in Los Angeles, wo ich mich wohlfühle.
Morgens bereitet meine Mutter ein Frühstück mit karibischen Früchten zu. Dann spielen wir ein paar Spiele, puzzeln, erzählen uns Geschichten. Mittags sitzen wir in der Sonne, schwimmen im Pool, liegen im Gras. Später hilft jeder mit, ein mediterranes Abendessen zu kochen. Es gibt Kebab und Köfte und meinen Lieblingssalat mit Spinat, Wassermelone und Schafskäse. Beim Essen sitzen wir in einem großen Kreis, sodass jeder jeden sehen kann. Wir hören panamaische Musik, Calypso- und Salsa-Songs aus der Heimat meiner Eltern, mit denen ich aufgewachsen bin. Die Lieder von Rubén Blades, Isma Rivera und The Exciters sind noch immer Teil von mir. Sie machen aus dem Tag eine Party, wir singen zusammen und tanzen. Meine Familie weiß, dass es meine letzten 24 Stunden sind. Ich möchte, dass sie die Bedeutung des Moments spüren.
Als mein Freund Avicii starb
Wir rufen uns gute Zeiten ins Gedächtnis. Zu meinen Erinnerungen gehört, wie sich mein Vater als Goofy verkleidet und Witze erzählt hat. Wie ich mit meiner Frau um die Welt gereist bin, bevor wir Kinder hatten. Wie ich meinen Kindern vorspiele, welche Musik ich liebe. Ich wäre noch mal gern mit einem Wingsuit geflogen, wie es sie für Fallschirmspringer und Basejumper gibt. Man springt von einem Gipfel oder aus einem Flugzeug und kann mit dem Flügelanzug eine längere Zeit fliegen. Die Schwerkraft herauszufordern und durch Technologie zu besiegen, wäre eine schöne letzte Erfahrung.
Ich glaube, dass wir Menschen eine Energie besitzen, die sich nach dem Tod verteilt oder verwandelt. Als mein Freund Avicii starb, habe ich gemerkt, dass ich danach suchte, Nachrichten seines Geistes zu bekommen: ein plötzlich flackerndes Licht oder eine Tür, die zuschlägt, ohne dass jemand sie berührt hat.
Vollständige Beziehungen
Könnte ich meinen Kindern nach meinem Tod Botschaften schicken, wählte ich einen Schmetterling oder einen Vogel, der ins Haus kommt. Als meine Tochter geboren wurde, landete eine weiße Taube vor unserem Fenster. Meine Frau und ich sagten uns, ein früheres Familienmitglied wünsche uns so alles Gute. Ich bin aber nicht abergläubisch, solche Vorstellungen machen mir schlicht Spaß.
Mein letzter Gedanke ist, wie sehr ich alle vermissen werde. Ich wünsche mir, dass meine Familie Geschichten über mich austauscht, die weiterleben. Meine Frau hat türkische und mexikanische Wurzeln und eine Tradition des Dia de los Muertos übernommen: einen Altar mit Fotos von Verstorbenen aufzustellen, sodass diese immer bei uns sind. Ich beobachte bei älteren Menschen, dass sie kürzer trauern. Ich glaube, der Grund ist, dass sie das Gefühl haben, ihre Beziehung zum Verstorbenen sei vollständig gewesen. Daher versuche ich, jeden Tag dafür zu sorgen, dass das Verhältnis zu meinen Kindern ausgefüllt ist. Sie sollen später im Leben verstehen: Die Zeit, die wir zusammen hatten, war wertvoll.
Aufgezeichnet von Nadine Emmerich
Dieser Text stammt aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.
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