Alexander Graf Lambsdorff liest... - Das politische Buch

Donald Trump stellt eine ernstzunehmende Gefahr für die amerikanische Gesellschaft dar. Das sagen Bob Woodward und Robert Costa in ihrem neuen Buch „Gefahr“. Der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff hat es für uns gelesen.

Bob Woodward und Robert Costa haben ihre Informationen zur republikanischen Partei aus über 200 Interviews zusammengefasst / Hanser
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Autoreninfo

Alexander Graf Lambsdorff ist Mitglied des Deutschen Bundestags und stellvertretender Vorsitzender der FDP-Fraktion. Er ist zuständig für Außen-, Sicherheits-, Europa- und Entwicklungspolitik.

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Am 6. Januar 2021 verübte Donald Trump einen Anschlag auf die amerikanische Demokratie und auf die Heiligen Hallen des Landes. Fast ein halbes Jahrhundert nach Watergate veröffentlichten die Bestsellerautoren Bob Woodward und Robert Costa mit „Peril“, zu Deutsch „Gefahr“, ein informatives und sorgfältig recherchiertes Buch über die Ära Trump, den Sturm auf das Kapitol und den verzweifelten, aber brandgefährlichen Versuch, die rechtmäßige Wahl Joe Bidens zum 46. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika infrage zu stellen – koste es, was es wolle.

Nicht weniger erschreckend ist der Zustand der Republikanischen Partei, in der zwar viele Trump verachten, aber dennoch bis auf wenige Ausnahmen aus machtpolitischem Kalkül weiter auf ihn setzen. 

An der Katastrophe vorbeigeschrammt

„Gefahr“ macht deutlich, wie knapp Amerika im Januar 2021 wirklich an einer Katastrophe vorbei­schrammte. Dabei werfen die Autoren ein wichtiges Schlaglicht darauf, wie sehr die innenpolitische Krise Amerikas mit außenpolitischen Herausforderungen einhergeht. Eindrucksvollstes Beispiel hierfür ist das Telefonat zwischen General Mark Milley und seinem chinesischen Counterpart, der ernsthaft in Betracht zog, dass die USA China angreifen würden.

Nicht weniger eindrucksvoll ist die Szene zwischen Milley und Nancy Pelosi, Urgestein der Demokraten und Sprecherin des Repräsentantenhauses, die von Milley wissen will, was dieser tut, um einen Atomkrieg zu verhindern, den der erratische und cholerische Donald Trump möglicherweise aus einer Laune heraus beginne. 

Eine der Stärken des Buches ist die umsichtige, ja fast vorsichtige Beschreibung des Charakters des 46. Präsidenten der USA. Joe Biden war nicht nur Vizepräsident unter Präsident Barack Obama, verfügt nicht nur über jahrzehntelange politische Erfahrung, weiß nicht nur um den Wert von Verbündeten im In- und Ausland, sondern ist auch ein Mann, dem extrem harte persönliche Schicksalsschläge widerfahren sind. Eindrücklich beschreiben Costa und Woodward, wie Biden sich in einem Alter, in dem andere längst ihre Rente genießen, dazu durchringt, als Präsidentschaftskandidat für die Demokraten anzutreten – und die Wahl schließlich gewinnt. 

Der Blick hinter die Kulissen

Wahr ist, dass die beiden Autoren wenig Analyse liefern. Aus geschichtswissenschaftlicher Sicht hat das Buch eher den Status einer Quelle als den eines historiografischen Versuchs. Die politische und historische Einordnung der Geschehnisse ist aber auch nicht Absicht des Buches. Vielmehr erfahren die Leser spannende Details aus stundenlangen Interviews mit mehr als 200 Personen und bekommen so einen Eindruck davon, wie sehr Donald Trump die amerikanischen Institutionen, Traditionen, die Gerichte und nicht zuletzt die Wähler verachtet. 

Gemeinsam werfen der zweifache Pulitzer-Preisträger Bob Woodward und Robert Costa nicht nur einen Blick hinter die Kulissen der Grand Old Party, sondern beleuchten eine der tiefsten Krisen der amerikanischen Demokratie, die auch eine Krise der westlichen Welt und unserer regelbasierten Ordnung ist, die nicht erst seit dem völkerrechtswidrigen Einmarsch Russlands in die Ukraine in Gefahr ist.

Fast wie eine Drohung wirkt es da, wenn Woodward und Costa das Buch mit einem Zitat des 45. US-Präsidenten beenden: „Ich bringe die Wut an die Oberfläche. Ja, ich sorge dafür, dass die Leute ihre Wut herauslassen.“ Und wenn sie mit Blick auf die kommende Präsidentschaftswahl 2024 fragen: „Gab es Grenzen für das, was er und seine Anhänger tun könnten, um ihn wieder an die Macht zu bringen?“

Bob Woodward und Robert Costa: Gefahr. Die amerikanische Demokratie in der Krise. Hanser, München 2022. 560 Seiten, 26 €

 

Dieser Text stammt aus der April-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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