Deal von Juncker und Trump - Bussi Buddies

War es am Ende noch der Charme Jean-Claude Junckers, der den US-Präsidenten mit einem Deal im Handelsstreit besänftigt hat? Fest steht, der Präsident der EU-Kommission kann mehr erreichen als Merkel oder Macron mit ihren Besuchen. Auch weil Trump zunehmend auf die Wirklichkeit trifft

Küsschen für den freien Handel / Twitter-Account Donald Trump
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Sogar eines der berüchtigten Küsschen von Jean-Claude Juncker ließ sich US-Präsident Donald Trump zum Abschied gefallen. Und diese bekundete neue Harmonie schien ihm so wichtig zu sein, dass er sie auch gleich mehrfach in Text und Bild durch den Kurznachrichtendienst Twitter jagte: „Obviously the European Union and the United States love each other“. Die Vertreter der Europäischen Union hätten ihm mitgeteilt, dass sie jetzt beginnen würden, Sojabohnen zu kaufen und außerdem eine riesige Menge des Flüssiggases (LNG), teilte er stolz mit. Ist Trump so einfach zu besänftigen?

Erst wenige Tage ist es her, dass der US-Präsident die Beziehungen zur EU verbal mit eher unfreundlichen oder zumindest stark kompetitiven Worten beschrieb. In einem Interview mit dem US-Fernsehsender CBS etwa sprach der US-Präsident von der EU als „foe“, also einem Gegner, Feind oder Widersacher. Das muss man nicht überbewerten, denn es entspricht nur den Tatsachen: Die Länder und Regionen dieser Erde stehen miteinander im wirtschaftlichen Wettstreit. Und um ihre heimischen Märkte zu schützen, bedienen sie sich mitunter – allen voran auch die EU – tarifärer und nicht-tarifärer Handelshemmnisse. Sie bauen also Zollschranken auf oder schaffen regulative Barrieren, wie etwa Regeln zum Umweltschutz, Verbraucherschutz, Arbeitnehmerschutz oder zum Wettbewerb.

Trump jedenfalls scheint ein großer Freund von Zöllen zu sein, vor allem um sie als Druckmittel einzusetzen, um andere Länder zu einem aus seiner Sicht fairen Deal zu zwingen.

Unfair – daran ließ Trump ebenfalls in den letzten Tagen keinen Zweifel – agiere die EU. Um ihre Wettbewerbsregeln durchzusetzen, hatte die EU-Kommission erst vor wenigen Tagen eine erneute Milliarden-Strafe gegen den Google-Konzern wegen Marktmachtmissbrauchs verhängt. Trump reagierte und kritisierte, die EU habe nun lange genug die USA ausgenutzt. Damit würde es aber bald vorbei sein.

Ein plötzlicher Neustart

Bevor es aber vorbei sein konnte, hat Donald Trump nun Seit' an Seit' mit Jean-Claude Juncker, einen Neustart der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den USA und der EU verkündet. Nickend, zustimmend und freundlich wandte sich der US-Präsident dem EU-Kommissions-Präsident Juncker zu. Dieser übernahm dann auch Trumps Vokabular und sagte: „Wir haben einen Deal geschlossen.“ Wer anders als Trump hat diesen ermöglicht? Kurz vor dem Treffen hatte der US-Präsident einen ungewöhnlich versöhnlichen Tweet in Richtung EU abgesetzt. Sein Vorschlag: Die USA und die EU sollten beide auf alle Zölle, alle Hindernisse und alles Subventionen verzichten. 

Woher dieser angebliche Sinneswandel? Tatsächlich ist Trumps Vorschlag laut des gemeinsamen Statements von Juncker und Trump stark ausgedünnt. Das Wort Deal impliziert zwar etwas konkretes, ist aber tatsächlich bislang eher eine Absichtserklärung. Zumindest aber bezüglich Industrieprodukten wolle man zusammen daran arbeiten, einander keinerlei Barrieren mehr aufzuhalsen. Bezüglich anderer Produkte (Dienstleistungen, Chemische Produkte, Medikamente, medizinische Produkte und Sojabohnen) klingt das sogar noch vager. Man wolle daran arbeiten, die Hindernisse reduzieren. Einen besonders wichtigen Punkt aus der Sicht Donald Trumps machten die USA bezüglich des Flüssiggases (LNG). Die EU will „mehr davon“ importieren. Das dürfte wohl auch ein Zugeständnis sein, um den heftigen Widerstand der Amerikaner gegen die mit Russland geplante Ostsee-Pipeline Nord Stream II zu brechen.

Ein bisschen weniger Unsicherheit

Aber ist das nun der große Deal, von dem nun viele sprechen? Kann Juncker wirklich einen so großen Erfolg verbuchen, wie zahlreiche Tweets und Statements von Politikern und Wirtschaftsvertretern vermuten lassen? Eines ist klar, die EU hat durch ihr Zusammenstehen und nicht zuletzt dank ihres massiven volkswirtschaftlichen Übergewichts und eines Marktes mit mehr als 500 Millionen Konsumenten einen nicht zu unterschätzenden Druck aufgebaut. Der sogenannte Deal verschafft der EU nun wichtige Zeit. Es wird wieder verhandelt. Solange das nicht scheitert, scheinen neue Strafzölle, etwa gegen Autos, kein Thema mehr zu sein. Die europäische und die US-amerikanische Wirtschaft und damit auch die Börsen haben nun ein bisschen weniger Unsicherheit, auch wenn nun natürlich Taten folgen müssen, um echte Ruhe und Planungssicherheit einkehren zu lassen. 

In seiner Funktion als Vertreter von derzeit noch 28 Staaten und mehr als 500 Millionen Bürgern mag Jean-Claude Junker außerdem für Donald Trump ein respektablerer Partner als Angela Merkel oder Emmanuel Macron gewesen sein. Da tut es offenbar wenig zur Sache, dass Junker eben kein echter Regierungschef ist oder dass ihm im Internet wegen angeblicher Trunkenheit bei einem offiziellen Termin massive Häme entgegengeschlagen war.

Druck der Republikaner, Landwirte und Whiskeybrenner

Entscheidend, insbesondere vor den baldigen Kongresswahlen, dürfte für Trumps Entgegenkommen aber auch gewesen sein, dass er Druck von den traditionell zollfeindlichen Republikanern bekam. Beinahe artig und minutenlang bedankte sich Trump für deren Anwesenheit bei der Pressekonferenz mit Juncker. Als Trump dann von no more tariffs sprach, applaudierten diese auch sogleich betont. Auch die Landwirte und Whiskeybrenner hatten gegen Trumps Handelspolitik rebelliert. Sie wollten sich nicht auf dessen angekündigte Subventionen als Ausgleich für EU-Gegenzölle verlassen. Und auch zahlreiche Wirtschaftsunternehmen, nicht zuletzt aus der Stahl- und Autobranche, lobbyieren seit Monaten, um Trump umzustimmen. Der selbsternannte Dealmaker Trump bekam zunehmend ein Problem, da zahlreiche US-Wirtschaftsexperten vorrechneten, wie sehr Trumps protektionistische Handelspolitik schlussendlich zu langfristigen Schäden für die gesamte US-Wirtschaft führen wird. Die stolz präsentierten sinkenden Arbeitslosen, wären dann in Gefahr und damit auch sein Amt.

 

Doch immerhin, Trumps aggressive Verbalattacken, die Stahlzölle und auch die Ankündigung weiterer empfindlicher Strafen gegen die EU haben mehr erreicht als nur Show für ihn selbst. Es wird wieder über Freihandel diskutiert, die EU lässt nun auch Selbstkritik zu und überdenkt ihre Zoll- und Subventionskultur. Die scheinbar störrische Art Trumps hat so Bewegung in ein Thema gebracht, dass seit dem Aus von TTIP auf beiden Seiten des Atlantiks mehr als erledigt schien. Ob am Ende nun ein solches Freihandelsabkommen herauskommt, werden die nun beginnenden Verhandlungen zeigen. Widerstand der Franzosen etwa beim Abbau von Landwirtschaftssubventionen dürfte dabei zu erwarten sein. Immerhin ist aber seit Junckers und Trumps Pressekonferenz mehr als ein halber Tag vergangen und der US-Prädident hat noch keinen verbalen Retourschein über Twitter abgeschickt.

Die Revanche-Taktik der EU und ihre vergleichsweise betont verbale Zurückhaltung jedenfalls scheinen vorerst aufgegangen zu sein. Und Trump kann behaupten, dass das alles letztlich seine geniale Idee war – auch wenn ihn das halbe Land dazu treiben musste, seine ausgefuchste Taktik zu beenden.

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