Christentum und Islam - Kardinal Woelkis seltsame Botschaft

Der Kölner Erzbischof Rainer Maria Woelki feiert Weihnachten als Exportschlager und redet gleichzeitig einem religiösen Wettrüsten das Wort. Er ist nicht der einzige, der den Islam für eigene Zwecke nutzt

Rainer Maria Kardinal Woelki, Erzbischof von Köln / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Coca-Cola bringt es auf den Punkt: „Wir haben unterschiedliche Traditionen. Aber gemeinsam schaffen wir neue.“ Mit diesem Spruch, der in seiner scheinbaren Allgemeingültigkeit auch aus einer Weihnachtsansprache von Frank-Walter Steinmeier stammen könnte, wirbt derzeit in einer aufwändigen Plakataktion der größte Brause-Hersteller der Welt. Illustriert wird das Ganze mit einem vollbärtigen Weihnachtsmann/Santa Claus/Nikolaus, der jubilierend eine rote Zipfelmütze auf dem Kopf trägt und, viel wichtiger noch, ein Cola-Fläschlein in der Hand hält. Bei diesem Synkretismus wächst in schönstem Kitsch zusammen, was offenbar zusammen gehört: christlicher Glaube, Konsumismus und (als wichtigste Zutat des 21. Jahrhunderts) die Behauptung einer alle Unterschiede überwölbenden Tradition. Aus Weihnachten wird am Ende dieser Verwertungskette ein multikultureller Limonaden-Event.

Die frohe Botschaft von Coca-Cola

Nun ist die Vereinnahmung des Weihnachtsfestes durch Lebensmittelkonzerne, Handelsketten oder Elektrofachmärkte wahrlich kein neues Phänomen. Und auch sein bewusstes Herausführen aus einem christlichen Kontext ist fast schon ein alter Hut, weil es allemal höhere Umsätze verspricht, wenn ein Konsum-Anlass nicht von vornherein auf einen bestimmten Kulturkreis beschränkt wird. Dass aber die Kirche selbst sich inzwischen des Vokabulars der Werbeindustrie bedient, lässt dann doch aufhorchen.

Es ist kein Geringerer als der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki, der am Montag auf die Frage der Bild-Zeitung, wer denn nach 2000 Jahren überhaupt noch an die Geschichte der Jungfrauengeburt glaube, mit folgenden Worten antwortete: „Das Faszinierende ist doch, dass Weihnachten DER Exportschlager des Christentums ist und weltweit Menschen unterschiedlicher Kulturen und Regionen verbindet.“ Weihnachten als Exportschlager mit Multikulti-Mission – so lautet die frohe Botschaft von Coca-Cola aus dem Munde eines deutschen Kardinals. Es fehlte nur noch eine lustige Zipfelmütze mit roten Leuchtdioden auf dem Kopf des Geistlichen.

An den Gesetzen der Logik vorbei

Ein paar Takte später schlägt Woelki dann aber ganz andere Töne an. Da zitiert er nämlich die Shell-Jugendstudie, wonach 73 Prozent der muslimischen Jugendlichen sagten, dass ihnen der Glaube wichtig sei; bei den katholischen Jugendlichen liege dieser Anteil bei lediglich 43 Prozent. Er habe „nichts gegen Menschen, die ihren Glauben ernst nehmen und ihn leben“, so Rainer Maria Woelki. Dass ein Erzbischof nichts gegen ernsthafte Gläubige einzuwenden hat, sollte sich eigentlich von selbst verstehen. Irritierend ist allerdings die Tatsache, dass es für diese Feststellung eines Vergleichs zwischen Muslimen und Katholiken bedarf.

Ein Zufall ist das keineswegs, Woelki selbst sagt mit Blick auf die unterschiedliche Glaubensfestigkeit zwischen den Anhängern der jeweils beiden Religionen: „Das macht den Unterschied.“ Und dann kommt seine alles entscheidende Conclusio: „Es liegt an uns. Deutschland wird islamischer, je weniger Christen wir sind und je weniger wir christlich leben.“ Diese Schlussfolgerung folgt zwar erkennbar nicht den Gesetzen der Logik, denn ob eine Gesellschaft beispielsweise islamischer, christlicher, jüdischer oder buddhistischer wird, das hängt erst einmal mit dem Anteil von Muslimen, Christen, Juden oder Buddhisten an der Gesamtbevölkerung zusammen. Und zum Zweiten hat es mit der Frage zu tun, welchen gesellschaftlichen Anspruch die Gläubigen für ihre jeweilige Religion erheben.

Religiöses Wettrüsten

Rainer Maria Woelki verdreht diesen Kausalzusammenhang zu einer Aufforderung an die Christen, dem Islam in Sachen Religiosität nachzueifern. Einer Islamisierung Deutschlands kann demnach nur durch ein verstärktes Herauskehren des Christentums begegnet werden. Dass viele Bürger, Muslime übrigens eingeschlossen, beides nicht wünschen, scheint den Bischof nicht zu kümmern. Er redet einem religiösen Wettrüsten das Wort, und vor diesem Hintergrund wirkt Woelkis Engagement gegen effiziente Migrationsbeschränkung in äußerst trübem Licht. Denn wer den Zuzug von Menschen aus dem islamischen Raum dazu verwendet, um die eigenen Anhänger zu mobilisieren, handelt ganz offensichtlich aus Eigeninteresse. In der Ökonomie heißt das Rent-Seeking.

Auch Käßmann und Merkel argumentieren so

Und das ist eine Methode, die keineswegs nur bei katholischen Kirchenfürsten Verwendung findet. Die evangelische Theologin Margot Käßmann bemühte schon vor vier Jahren das Motiv, wonach auch bei Religionen die Konkurrenz das Geschäft belebt. In einem Interview mit der Hamburger Morgenpost äußerte sie sich damals ganz ähnlich wie Woelki: „Ich muss bei den besorgten Mitbürgern immer ein wenig lächeln. Ich sage denen gern: Gehen Sie sonntags in die Kirchen, dann müssen Sie keine Angst vor vollen Moscheen haben.“ Kurz zuvor hatte die aus einem Pfarrershaushalt stammende Bundeskanzlerin einer Bürgerin, die sich auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise besorgt über das Ausmaß an muslimischer Zuwanderung zeigte, kühl beschieden: „Haben wir dann aber auch bitte schön die Tradition, mal wieder in einen Gottesdienst zu gehen oder ein bisschen bibelfest zu sein.“

Wie heißt es noch gleich in der Coca-Cola-Werbung: „Wir haben unterschiedliche Traditionen. Aber gemeinsam schaffen wir neue.“ Es könnte sein, dass eher das Gegenteil der Fall ist.

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