Wirtschaftsministerium statt CDU-Vorsitz? - Der vergiftete Edelmut des Friedrich Merz 

Friedrich Merz hat der CDU nach der verlorenen Vorsitzwahl ein Angebot gemacht, das sie nur ablehnen kann: Das Wirtschaftsministerium noch in dieser Legislatur zu übernehmen. Ein durchsichtiges Manöver. 

Er wollte ja, doch man ließ ihn nicht: Friedrich Merz / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Marko Northe hat die Onlineredaktion von cicero.de geleitet. Zuvor war er Teamleiter Online im ARD-Hauptstadtstudio und Redakteur bei der "Welt". Studium in Bonn, Genf und Berlin sowie am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. 

So erreichen Sie Marko Northe:

Anzeige

Der kürzlich verstorbene Schweizer Entwicklungspsychologe Remo H. Largo hat einst ein Phänomen bei jungen Eltern beschrieben, das er mit feiner Ironie „edelmütiges Verhalten“ nannte: Schreit das Kind nachts, stellen sich Vater und Mutter schlafend in der Hoffnung, der andere stehe auf und kümmere sich um den Nachwuchs. Steht einer von beiden schließlich auf, sagt der anderen liegenbleibend: „Ich kann auch hingehen.“ Natürlich wiederum in der Hoffnung, dass sein Angebot jetzt nicht mehr benötigt wird, er aber hinterher sagen kann, er habe es ja angeboten.  

Was Friedrich Merz mit dem Vorschlag, das Bundeswirtschaftsministerium noch in dieser Legislaturperiode zu übernehmen, gemacht hat, ist ebenso „edelmütig“. Er musste wissen, dass die Absage aus dem Kanzleramt prompt folgen würde. Hätte er zumindest angeboten, nach der Bundestagswahl im Herbst für einen Ministerposten bereit zu stehen, hätte man ihm abgekauft, dass er sich wirklich an der Regierungsarbeit unter einem möglichen Kanzler Laschet (oder Söder) beteiligen will.

Ein Angebot, das man nur ablehnen kann

Doch Merz hat ein Angebot gemacht, das Merkel nur ablehnen konnte. Und zwar hat Merz es, da kann man sicher sein, gemacht, um sagen zu können: Ich wollte ja, aber man ließ mich nicht. Dieses Manöver ist so durchsichtig, dass es eigentlich schon eine intellektuelle Anmaßung ist. Auf jeden Fall sollte es unter dem Niveau eines Mannes sein, der sich den Vorsitz der letzten deutschen Volkspartei und das Kanzleramt zutraut.

Doch es bestätigt wieder einmal: Merz scheut sich vor wirklicher Verantwortung. Nach der letzten verlorenen Wahl zum CDU-Vorsitz gegen Annegret Kramp-Karrenbauer im Dezember 2018 war Merz nicht bereit, sich politisch einzubringen, nun tut er lediglich so, als sei er es. Merz will sich nicht als Minister abmühen, er will Parteichef und dann Kanzler sein, auch um sich an Merkel zu rächen, weil sie ihm einst seine politische Karriere vermasselte. Zumindest aus seiner Sicht.

%paywall%

Man könnte das Selbstüberschätzung nennen

Denn Merz steht sich vor allem selbst im Weg. Er hat es nie für nötig befunden, sich bis ins Kanzleramt hochzuarbeiten. Er war immer überzeugt davon, dass er CDU-Vorsitzender und irgendwann auch Kanzler werden würde, einfach nur weil er Friedrich Merz ist. Selbstüberschätzung könnte man das nennen. Oder Narzissmus. Eines dürfte nun aber sicher sein, wenn in diesen Zeiten überhaupt etwas sicher ist: Merz hat seine letzte Chance gehabt. Er wird weder in der CDU noch in der Bundesregierung in Zukunft eine Rolle spielen. 

Man kann das tragisch finden. Es muss auch nicht unbedingt gut für die CDU sein. Laschet hätte den Sauerländer sofort einbinden oder zumindest einfangen müssen, um die Merzianer in der Partei zu beruhigen und auf sie zuzugehen. Indem Merz aber nun edelmütig sagen kann: Ihr wolltet mich ja nicht, dürfte er seine Anhänger wütend auf das von ihm so bezeichnete „Establishment“ der Partei machen. Wütender, als sie es ohnehin schon sind, weil er die Wahl zum Vorsitzenden verloren hat.

Laschet hätte wahrscheinlich nur eine Chance gehabt, um Merz in sein Team zu holen: Er hätte dem Unterlegenen die Kanzlerkandidatur anbieten müssen. Wobei Merz vielleicht nicht einmal da eingeschlagen hätte, weil er sich dann im Wahlkampf hätte beweisen müssen. Wahrscheinlich wäre nur die sofortige Kanzlerschaft gut genug gewesen. Nun kann er sich ruhig umdrehen, wenn sein Baby, die CDU, schreit. Es kümmern sich andere um sie.

Anzeige