Wohneigentum in der Corona-Krise - Die Wohlstands-Party ist vorbei

Deutschland fühlt sich reicher als es ist. In der Krise schlägt vor allem die geringe Quote an Wohneigentum durch. Hohe Mieten bedrohen Existenzen. Die Not offenbart eine dramatische Schieflage von reichem Staat und relativ armen Bürgern.

Hohe Mieten in Corona-Zeiten bedrohen Existenzen / picture alliance
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Wolfgang Bok war Chefredakteur und Ressortleiter in Stuttgart und Heilbronn sowie Direktor bei der Berliner Agentur Scholz & Friends. Der promovierte Politologe lehrt an der Hochschule Heilbronn Strategische Kommunikation.

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„Deutschland ist ein reiches Land. Wir können uns das leisten!“ Wie oft wurde diese Parole in den Jahren des steten Wachstums ausgegeben? Ob neue Sozialleistungen oder Flüchtlinge, ob uneffektive Energiewende oder teure Ökoauflagen, ob Hilfen für die Welt oder für Europa – die offene Geldbörse gehörte zur Grundausstattung des deutschen Politikers. Und jetzt?

Schon wenige Tage, nachdem die Conora-Epidemie die Welt in Schockstarre versetzt und der Shutdown den Wirtschaftsmotor gegen Null herunterbremst, herrscht Land unter. Ökonomen türmen die Ausfälle zu gigantischen Förderungsbergen auf, Zentralbanken treiben die Geldpressen auf Hochtouren – und Regierungen schnüren Hilfspakete, die alles Dagewesene in den Schatten stellen. Existenzielle Not, so wird uns vermittelt, wohin man blickt.

Wo auf Kante genäht wird, ist der Abgrund nah

Es sind nicht nur Behörden und Banken, in denen sich Anträge auf „unbürokratische“ Corona-Hilfen türmen. Auch Leasing-Firmen, so ist aus dem Management zu hören, kämpfen mit massenhaften Anfragen, ob man die fällige Monatsrate fürs Auto stornieren oder den gemieteten Wagen ganz zurückgeben könne. Das darf als sicheres Indiz gewertet werden, dass die Situation nicht nur unter prekären Familien als ernst empfunden wird: Auf seinen Neuwagen verzichtet der (männliche) Deutsche erst, wenn auf dem Konto und im Kühlschrank tatsächlich Ebbe drohen.

Aus der Finanzbranche wird vertraulich berichtet, dass für Immobilien-Kredite oft Schichtzulagen und Sonderprämien einkalkuliert wurden, die jetzt wegfallen. Wo auf Kante genäht wird, ist der Abgrund nah. In diesen scheinen viele der rund zwei Millionen Solo-Selbständigen zu blicken, die das Just-in-time-Prinzip auch auf ihre private Situation übertragen haben.

Von der Vorsorge- zur Pump-Gesellschaft

Nicht wenige leben buchstäblich von der Hand in den Mund und können offenbar nicht einmal einen Monat ohne Einnahmen überbrücken. Nun rufen auch jene flehentlich nach Vater Staat, die sich den Sozialkassen entzogen und wirtschaftliches Wachstum für verzichtbar gehalten haben. „Spare in der Zeit, so hast du in der Not.“ Die Älteren erinnern sich noch an diese Tugend. Doch aus der Vorsorge- ist eine Pump-Gesellschaft geworden.

Warum sparen, wenn es keine Zinsen gibt? Warum verzichten, wenn sich das Schuldenmachen sogar noch zu lohnen scheint? Die „schwarze Null“ galt vielen schon als obszön. Privat, und erst recht in der Politik. Um Wähler und Genossen bei Laune zu halten, hat die Regierung Merkel die Sozialausgaben auf über eine Billion Euro getrieben, was beinahe einem Drittel der gesamten Wirtschaftsleistung entspricht.

Parteipolitische Projekte werden als „Corona-Hilfe" verkauft

Doch anstatt den Krisenmodus zu nutzen, um sich auf das wirklich Wichtige zu konzentrieren, wird die Gunst der Stunde genutzt, um dem Steuer- und Beitragszahler parteipolitische Projekte als „Corona-Hilfe“ unterzujubeln. Quasi über Nacht werden Schuldenstand und Haftungspegel durch einen Wust an Hilfsfonds und Bürgschaften von insgesamt 2.154 Milliarden Euro auf dann über vier Billionen Euro mehr als verdoppelt, wie SPD-Haushälter Kahrs frohgemut vorrechnet. Weil sich im eiligen Schuldenmachen ja offenbar die Demokratie bewährt.

Von Priorisierung also keine Spur. Im Gegenteil: Die SPD will auch noch ihre Grundrente durchpauken, obwohl sich die drohende Ebbe in den Alterskassen schon jetzt an fünf Fingern abzählen lässt. Schließlich verkehren sich mit einer Rezession die Verhältnisse grundlegend: Steigenden Ausgaben stehen sinkende Einnahmen entgegen.

Drohen Bilder der Weltwirtschaftskrise und sozialer Verwerfung?

Selbst bei Vollbeschäftigung reichen die Rücklagen für Sozialrentner nur sechs Wochen. Was, wenn erst die Zahl der Kurzarbeiter und dann der Arbeitslosen nach oben schnellen, wie es das Ifo-Institut selbst dann fürchtet, wenn der Corona-Ausnahmezustand nach drei Monaten bereits wieder aufgehoben werden kann? Drohen dann soziale Verwerfungen und Bilder wie in der Weltwirtschaftskrise vor 91 Jahren?

Wir haben uns angewöhnt, etwas mitleidig bis spöttisch auf den armen Süden und Osten zu blicken. Dabei wird ein fundamentaler Unterschied verkannt: In Süd- und erst recht in Osteuropa sind zwar die Staaten arm, doch die Bürger wohnen überwiegend in der eigenen Immobilie. Sie müssen meist keine exorbitanten Mieten zahlen – und können deshalb auch Krisenzeiten im starken familiären Verbund leichter überstehen.

Der unerfüllte Wunsch vom Eigenheim ist politisch gewollt

Deutschland liegt bei einer Eigentumsquote von nur 46,5 Prozent hingegen abgeschlagen auf dem zweitletzten Platz. Überproportional viele Bürger haben als Mieter mit einem Kostenblock von 25 bis 30 Prozent ihres Einkommens zu kämpfen, weshalb DIW-Chef Fratzscher „eine pauschale Stundung aller Mietzahlungen für Privatpersonen für bis zu zwölf Monaten“ fordert. Eine Idee, die reiche Konzerne wie H&M oder Adidas gerne aufgreifen.

Die Last wird damit auch auf gewöhnliche Vermieter und Kleinanleger abgewälzt, die auf ihren Unkosten sitzen bleiben. Hier kommt also einiges ins Rutschen. Dass der Wunsch nach der eigenen Wohnung viel zu oft eine Illusion bleibt, ist politisch durchaus gewollt: Aus ökologischen Gründen werden Bauland verknappt und Energieeinsparvorschriften laufend verschärft.

Was die Mieter schützt, schadet der Mittelschicht

Auch durch den starken Zuzug von Migranten steigt der Bedarf, weshalb sich die Immobilienpreise seit 2010 um 25 (NRW) bis 153 Prozent (Bayern) erhöht haben. Hinzu kommen bis zu 16 Prozent Nebenkosten, die wie die Grunderwerbsteuer ebenfalls politisch gesetzt sind. Nach der Mietpreisbremse wollen SPD und Grüne jetzt auch noch ein Umwandlungsverbot durchsetzen. Was die Mieter schützt, schadet insbesondere der Mittelschicht, die sich Eigentum zunächst über eine Vermietung finanzieren will.

Ihr bleibt somit die Flucht ins „Betongold“ verwehrt, derweil die Sparguthaben durch die Nullzinspolitik entwertet werden und auch Lebensversicherungen kaum mehr Ertrag abwerfen. Entfällt dann auch noch mit dem Job das regelmäßige Einkommen, sieht es für viele schnell recht düster aus. Denn entgegen der weitläufigen Meinung sind die Deutschen im internationalen Vergleich eher arme Schlucker: Der statistisch errechnete „mittlere Bürger“ verfügt je nach Berechnung gerade mal über ein Nettovermögen zwischen 18.250 bis 35.000 Euro

Kein Bedarf an Corona-Bonds

Der Wohlstandsreport der Schweizer Großbank Credit Suisse kommt für 2019 sogar zu dem Ergebnis, dass 41 Prozent der Bundesbürger über kaum mehr als 10.000 Dollar verfügen. So unterschiedlich derlei Vergleichsstatistiken im Detail sind, so einhellig ist das Urteil: Alles in allem gerechnet unterliegen die Deutschen einer Wohlstandsillusion.

Vor allem, weil zu viele Bürger zu wenig Eigentum besitzen und kaum in Aktien investiert haben. Gerade beim Wohneigentum schneiden Italiener, Spanier und auch Franzosen deutlich besser ab, deren Regierungen jetzt nach deutschen Bürgschaften rufen. Schon deshalb besteht keine Notwendigkeit, die Schulden von Ländern wie Italien, Spanien oder Griechenland über Corona-Bonds zu übernehmen, wie dies nun selbst von den deutschen Grünen gefordert wird.

Die, um dies zu finanzieren, auch jetzt noch verbissen an der CO₂-Steuer festhalten, da man um jeden fahrenden Lkw und jede produzierende Fabrik froh sein muss. Also auch hier: Von Priorisierung keine Spur. Der fiktiv ausgerufene Klimanotstand scheint wichtiger als die tatsächliche Not vieler Menschen. Schließlich muss der Staat reich bleiben, damit er die arm gemachten Bürger generös unterstützen kann. Die sind dann so dankbar, dass sie auch noch einen Corona-Soli schlucken.

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