Verkehrswende - Macht endlich das Bahnfahren billiger!

Umweltministerin Schulze will das Fliegen verteuern, die Preise für das Bahnfahren aber unangetastet lassen. Offenbar sind die Renditen für die staatseigene Deutsche Bahn AG wichtiger als der Klimaschutz. Und wer Bürger gängelt, wird sie nie gewinnen

Wie ist es möglich, dass die Bahn teurer ist als das Flugzeug? / picture alliance
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Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Auf der Suche nach dem verschwundenen Markenkern geht die SPD einen langen Weg. Enteignungspläne werden diskutiert, drastische Eingriffe ins Eigentumsrecht. Werbung für Tabakprodukte will man zügig verbieten, das Recht auf Homeoffice hingegen gesetzlich verankern. In Straßburg votierte man gegen die deutsche Kandidatin für das Amt der EU-Kommissionspräsidentin, obwohl deren Wahl vom Rest der europäischen Sozialdemokratie mitgetragen wurde. Die verwaiste Spitze der Partei soll von einem Mann-Frau-Duo eingenommen werden. Die Spaßkandidatur Karl Lauterbachs, des in den sozialen Medien notorisch rüpelnden Gesundheitsexperten, ist eine kuriose Randerscheinung. Unbezwingbar aber bleibt der immer tiefere Griff in des Steuerzahlers Portemonnaie. Als Steuererhöhungspartei hat die SPD ihren vielleicht letzten Ruf zu verlieren. Darum soll nun das Fliegen verteuert, aber keineswegs das Bahnfahren verbilligt werden.

Umweltministerin und SPD-Präsidiumsmitglied Svenja Schulze erklärt in einem dieser typischen „Es kann nicht sein“-Phrasensätze, die spezielle politische Forderungen als allgemeine Imperative drapieren und so die eigene Machtlosigkeit herausstellen: „Es kann nicht sein, dass auf bestimmten Strecken Fliegen weniger kostet als Bahnfahren.“ Damit ist die verkehrsmittelabhängige Spreizung der Ticketpreise korrekt beschrieben. Wer mit der Deutschen Bahn AG etwa von Berlin nach Köln reist, zahlt regulär 125 Euro in der zweiten Klasse. Easyjet bietet die Strecke für rund 25 Euro an, sofern man sich mit Handgepäck begnügt. Differenzen können freilich auf zwei Arten verringert werden: Indem man die höhere Zahl absenkt oder die niedrige anhebt. Svenja Schulze hat sich für die zweite Variante entschieden: „Ich bin deshalb dafür, dass wir die deutsche Luftverkehrsabgabe (…) erhöhen.“ An den teuren Bahnpreisen soll sich nichts ändern.

Möglichkeitswolke am Gedankenhorizont

Flüge werden manchmal derart billig feilgeboten, dass man sich über die Kalkulationen der Fluggesellschaften nur wundern kann. Natürlich werden dadurch Anreize geschaffen für ein spontanes, häufiges und ergo klimaschädliches Fliegen. Die Sehnsucht der Deutschen nach den Regionen über den Wolken ist ungebrochen. Solange Kerosin unbesteuert bleibt und die Flughäfen nicht kollabieren, wird sich daran nichts ändern. Ganz gewiss aber würde das Bahnfahren sofort attraktiver, senkte man die mitunter horrenden Preise, statt sie, wie bisher üblich, regelmäßig anzuheben. Erst im Dezember vergangenen Jahres stiegen die Fernverkehrspreise um knapp zwei Prozent. Eine Absenkung der Preise müsste die Eigentümerin der Deutschen Bahn AG veranlassen – und das ist zu 100 Prozent jene Bundesrepublik Deutschland, deren Regierung Ministerin Schulz angehört.

Nicht einmal als kleine Möglichkeitswolke am Gedankenhorizont erscheint freilich die Idee, irgendwann einmal könne die für „umweltfreundliche Verkehrslösungen und aktiven Klimaschutz“ so gelobte Bahn ihre Ticketpreise senken. Da gehen „angemessene Renditen“ für den Staatsbetrieb vor. Ministerin Schulze will – und darin ist sie typisch für den sozialdemokratischen Etatismus – den Staatssäckel weiter mästen, nicht die Bürger entlasten. Lenkung durch Verbote, Erziehung durch Steuern, Abgaben, Gebühren: Das ist der sozialdemokratische Weg. Es ist ein Weg voller Misstrauen und Angst. Weder traut man sich selbst zu, durch das bessere Argument zu überzeugen, noch vertraut man dem Bürger, dass dieser bessere Angebote hinreichend zu schätzen wüsste. Also greift man zur Knute der Abgabenerhöhung. Man droht, man wirbt nicht. Man schimpft, man räsoniert nicht. Man zwingt, man gestaltet nicht.

Bahnreisen müssen billiger werden

Natürlich ist ein solcher unehrlicher Etatismus unter dem Banner hehrster Ziele nicht auf die SPD beschränkt. In Berlin erklärt der grüne Stadtrat Florian Schmidt offen, man müsse „das individuelle Autofahren unbequem“ machen. Auch er griff wie Schulze zur „Kann nicht sein“-Phrase: „Das kann ja wohl nicht wahr sein, was ist denn das für eine Verkehrsplanung, wo ich innerhalb der Stadt, um neun Uhr morgens, doppelt so schnell mit dem Auto bin? Da läuft was falsch.“ Falsch ist es in dieser verqueren Sicht, dass Autos zügiger vorankommen als öffentliche Busse, weshalb die Autos ins Schneckentempo oder gleich in die Garage gezwungen werden sollen. „Das wirklich Wirksamste ist es, das individuelle Autofahren unbequem zu machen, so hart das klingt.“ Abermals wird die Angleichung im Negativen als Fortschritt in der Gleichheit ausgegeben. Die Utopie dahinter ist düster: Wenn das Leben allen allgemein erschwert wird, verringern sich die Reibungsverluste, die das Leben nun einmal mit sich bringt. Schon Mephisto kannte dieses Prinzip: „Drum besser wär’s, dass nichts entstünde.“

Ein Staat, dem es mit Klimaschutz und Verkehrswende so ernst ist wie mit den eigenen Einnahmen, wird das Reisen mit der Bahn billiger machen. Und zwar drastisch und zwar zügig. Eine Partei, die für „die Menschen“ da sein will, wird diese nicht schröpfen, sondern unterstützen und ermuntern. Alles Andere ist Kokolores, Pillepalle, Wortgeklingel. Unernst, der verdrießlich stimmt.

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