#unteilbar - Eine Form von Ausgrenzung

Unter dem Motto „Solidarität statt Ausgrenzung“ haben am Sonnabend 240.000 Menschen in Berlin gegen Rassimus demonstriert. Ein hehres Anliegen. Aber wie solidarisch kann eine Demo von Globalierungsbefürwortern sein, die Verlierer der Globalisierung ausschließt?

240.000 Menschen demonstrierten in Berlin gegen „Ausgrenzung“ – doch Pegida und AfD mussten draußen bleiben / picture alliance
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Autoreninfo

Martin Busch arbeitet seit über 20 Jahren als Redakteur und Moderator für die Hörfunkprogramme von Radio Bremen. 2016 erschien seine Streitschrift „Deutschland, Deutschland ohne alles“. Im Dezember 2018 veröffentlichte er den Aphorismenband „Als Freiheit und Fortschritt begannen, Eigentore zu schießen“.

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Den Zusammenhalt stärken. Das ist eine prima Idee. Er ist in unserem Land mittlerweile nur noch so gering ausgeprägt, dass man ihn kaum mehr guten Gewissens großschreiben kann. Insofern gebührt den Veranstaltern der Groß-Demo #unteilbar Dank. Unter dem Motto Solidarität statt Ausgrenzung“ mobilisierte ein Bündnis von Kulturschaffenden um die Journalistin Carolin Emcke, den ZDF-Moderator Jan Böhmermann und die Berliner Band Die Ärzte am Sonnabend mehr als 240.000 Menschen. Auch Toleranz einzufordern – wer wollte da widersprechen? Natürlich soll es bunt sein und nicht braun. Allerdings liegt der Demo von Berlin ein gedanklicher Irrtum zugrunde, dem auch schon Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) zum Opfer gefallen ist: Man glaubt, mit solchen Aktionen ein Zeichen gegen die Zeitgenossen zu setzen, die unsere Gesellschaft spalten wollen.

Viele derer, die sich Pegida angeschlossen haben oder die die AfD wählen, haben aber ihrerseits mit ihrer Haltung schon auf die Spaltung der Gesellschaft reagiert. Dass der Protest von links nach rechts wandert, ist ja auch kein deutsches Spezifikum. Die 40 Prozent der Bevölkerung, die laut Ökonom Marcel Fratzscher das Wirtschaftswachstum nicht zu spüren bekommen, haben den Eindruck, dass die etablierten Parteien ihre Lage nicht verbessern. Die Linke, darauf weist der amerikanische Politologe Francis Fukuyama im Spiegel hin, kümmert sich schon lange nicht mehr um die Arbeiterschaft, sondern um alle möglichen Minderheiten, seien sie noch so klein und die Benachteiligung vielleicht nur gefühlt.

Lauter Individualisten 

Viele von denen, die da auf die Straße gegangen sind und die Gemeinschaft beschwören, stehen in Wahrheit für eine nie da gewesene Fragmentierung der Gesellschaft. Wer nur für sich verantwortlich ist, den wird eine prekäre oder zumindest atypische Beschäftigung nicht gleich aus der Bahn werfen. Alleine im – hoffentlich nie mehr teilbaren – Berlin wohnen wahrscheinlich Hunderttausende Individualisten, die sich durchs Leben zappen und einfach die historisch einmalige Freiheit genießen. Ist auch nicht verwerflich. Millionen Jobs in Deutschland werden aber so bezahlt, dass es schwierig ist, von dem Geld eine Familie zu ernähren. Bei uns profitiert die Mitte nicht von der Entwicklung der vergangenen 20 Jahre – das passiert in China und Indien. Die Schere der Ungleichheit schließt sich nur global – in Deutschland geht sie auseinander.

Sahra Wagenknecht ist die einzige prominente Politikerin im deutschsprachigen linken Spektrum, die begriffen hat, dass wir – bei aller Menschenliebe – ein wenig genauer hinschauen müssen, wer so alles ins Land kommt. Sie hat erkannt, dass ihre Partei weiter Stimmen verlieren wird, wenn man sich nicht stärker für diejenigen einsetzt, die schon etwas länger in Deutschland leben und die Monat für Monat einen beachtlichen Teil dessen, was sie verdienen, abgeben. Oder was sie bereit wären, abzugeben, wenn sie denn arbeiten dürften. Ein Aufbruch in eine solidarische Gesellschaft sollte #unteilbar sein. Wenn man allerdings nur Solidarität mit denen verspürt, die die Globalisierung als Fortschritt wahrnehmen, ist das auch eine Form von Ausgrenzung.

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