Svenja Schulze - Die Spielerin

Die Umweltministerin Svenja Schulze gehört zu den eher unbekannten Mitgliedern der Bundesregierung – sie gilt als kompetente Nervensäge, in der SPD gehört ihr die Zukunft

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Manche hielten Svenja Schulze für eine Fehlbesetzung, auch Genossen. Doch unterschätzt zu werden, hilft im Spiel / picture alliance
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Christoph Wöhrle ist freier Journalist und lebt in Hamburg.

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„Ist man mit 50 noch jung?“, fragt Svenja Schulze lachend, darauf angesprochen, ob sie die jüngste Hoffnung der SPD ist. Manchmal wird aus ihrem Lachen ein kindliches Prusten und Glucksen. Das war schon zu Juso-Zeiten so, berichten Weggefährten. Manche von ihnen sagen: Bei dieser Frau ist nichts Zufall. Ihre Karriere hat sie strategisch geplant. Zug um Zug. Karte für Karte. Schachspieler oder Pokerspieler verstehen etwas davon. Und weil Schulze diese Gabe hat, ist sie vielleicht wirklich ein Stück Zukunft der Sozialdemokratie. Selbst der Umstand, dass manche sie für eine Fehlbesetzung halten, auch Genossen, kann ihr in die Karten spielen: Unterschätzt zu werden, hilft im Spiel.

Da wäre zum Beispiel ihr fantastisches Verhältnis zu Andrea Nahles, mit der sie auf den legendären Juso-Partys in den neunziger Jahren abtanzte („Keine Details, bitte!“). „Ohne Nahles wäre die Schulze niemals Bundesministerin geworden“, sagt ein Genosse aus ihrer Heimat Münster. Schulze war bereit, als im Frühjahr die Große Koalition gebildet wurde, war vorbereitet. Schon 2005, als die SPD die Regierungsmacht in Nordrhein-Westfalen an Jürgen Rüttgers von der CDU verlor, fing sie an, sich für das bei Parteifreunden wenig beliebte Thema Umwelt zu interessieren. Denn Svenja Schulze wusste: Das wird noch mal wichtig. Sie wurde dann aber erst einmal Ministerin für Innovation, Wissenschaft und Forschung unter Hannelore Kraft.

Mit Maximalforderungen punkten

Die gebürtige Düsseldorferin ist im Rheinland aufgewachsen, hat im Ruhrgebiet Germanistik und Politikwissenschaften studiert und wohnt in Westfalen. Sie arbeitete vor ihrem Wechsel in die Politik als Unternehmensberaterin. Diese Frau erschloss sich so das ganze Bundesland und knüpfte Seilschaften quer durch die SPD. Dabei war sie schlau genug, die Ideologie, wo es geht, zu meiden. Parlamentarische Linke? Seeheimer Kreis? Netzwerker? Sie geht in keinen Debattierklub der Sozis.

Als Schulze bei der 11. Kommunalen Klimakonferenz Anfang Dezember in Berlin eine Rede hält, bekommt sie viel Szenenapplaus. Wenn sie sagt: „Was bitte ist sozialer, als sich für Maßnahmen gegen den Klimawandel und für Nachhaltigkeit einzusetzen?“ Oder: „Ich glaube fest daran, dass es eine CO2-Bepreisung geben wird. Ob in der Groko, ist nicht ausgemacht, aber sie wird kommen.“

Mögen sie doch die Minister der Union ausbremsen, wenn sie fordert, dass nur die Autobauer selbst die Kosten für die Hardware-Nachrüstung zu tragen haben. Mögen sie auch ihre SPD-Kabinettsgenossen regelmäßig im Stich lassen und schon mal von einem „irrationalen Verhalten“ der „Frau aus NRW“ reden. Schulze steht zwar unter Druck, aber mit ihren Maximalforderungen punktet sie zumindest aus ihrer Sicht so lange, bis die Partie irgendwann an sie geht.

Klare-Kante-Sprüche gegen das Ausbluten der SPD

Noch ist sie die unbekannteste Umweltministerin, die Deutschland je hatte. Sie springt nicht in den Rhein wie einst Klaus Töpfer. Sie macht in Talkshows meist eine schlechte Figur. Dafür setzt sie Nadelstiche, die ihre Kollegen in der Groko entscheidend pieksen, aber vielfach des Volkes Meinung widerspiegeln. „Wir müssen raus aus der Kohle!“ „Wir brauchen weniger SUVs auf den Straßen!“ „Das Klimaschutzgesetz ist in Arbeit!“

Einer SPD, die immer weiter ausblutet, setzt sie mit strategischem Kalkül Klare-Kante-Sprüche entgegen. Und es ist deshalb auch kein Zufall, wenn etwa die rheinland-pfälzische SPD-Ministerpräsidentin Malu Dreyer sagt: „Ich schätze Svenja Schulze für ihre gradlinige Art.“ In Münster hingegen beschwert sich mancher Genosse darüber, dass man „die Svenja“ nicht oft sehe. Dass die Heimat für sie austauschbar sei. Sie selbst widerspricht dem: „Münster ist für mich die Stadt der Liebe – mein Mann kommt dorther.“ Und vielleicht ist es sogar ein Vorteil für Schulze, dass sie kein Bundestagsmandat hat. So hat sie keine großen Verpflichtungen an der Basis, kann sich für die Zukunft der SPD – oder wem auch immer – empfehlen. Sie gilt vielen als Nervensäge, auch unter europäischen Amtskollegen, selbst wenn ihre Kompetenz niemand anzweifelt.

Die Notwendigkeit ökologischen Umdenkens

„Was soll sie denn machen? Die Zustimmung zur Groko in der Bevölkerung ist so niedrig wie noch nie. Das hat die Umweltministerin nicht zu verantworten“, findet Matthias Machnig, Ex-SPD-Staatssekretär und Schulze-Freund. Angesichts dräuender Überhitzung des Klimas und Wasserknappheit in vielen Weltregionen hat eine Umweltministerin nicht viel zu gewinnen, so scheint es, und für den Wähler nur unpopuläre Botschaften.

Aber weil es auch in Deutschland heißer wird, spüren die Menschen zugleich die Notwendigkeit ökologischen Umdenkens. Das muss nicht nur den Grünen in die Karten spielen. Der Zeitgeist spricht auch für Svenja Schulze. Nicht obwohl, sondern weil sie Sozialdemokratin ist.

Dies ist ein Artikel aus der Januar-Ausgabe des Cicero, die Sie ab am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.












 

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