Tobias Hans - Der Bekenntnis-Saarländer

Seit dem Wechsel von Annegret Kramp-Karrenbauer in die Bundespolitik ist Tobias Hans Ministerpräsident des kleinen Landes im Südwesten – und hat dort nun mit einem neuen Strukturwandel zu kämpfen

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans folgte auf Annegret Kramp-Karrenbauer / picture alliance
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Sonntagnachmittag, Ankunft am Saarbrücker Flughafen: Kein Taxi weit und breit, der Bus in die Innenstadt fährt nur alle zwei Stunden. So etwas kann schon mal passieren, schließlich ist die Landeshauptstadt kein Luftverkehrskreuz. Aber als Tobias Hans am nächsten Tag von dieser Episode erfährt, ist es ihm trotzdem ein bisschen peinlich. Immerhin hat der Ministerpräsident sein kleines Bundesland während des Gesprächs da schon lebhaft als eine Art Innovationslabor gepriesen. Und weil Hans gar nicht anders kann, als Optimismus zu verbreiten, fällt ihm prompt auch eine positive Wendung zur Anbindung des örtlichen Flughafens ein: Das sei doch ein wunderbarer Anwendungsfall für autonomes Fahren – und genau dafür betreibe man im Saarland eine Teststrecke. So macht man aus der Not eine Tugend.

Mit Problemen und der Frage, wie man das Beste daraus macht, kennen die Saarländer sich aus. Im Strukturwandel der Kohle- und Stahlregion hin zu einem modernen Industriestandort haben sich dort große Automobilhersteller und Zulieferbetriebe angesiedelt – Ford in Saarlouis mit 6.300 Beschäftigten oder das ZF-Werk in Saarbrücken mit rund 9.000 Mitarbeitern, um nur zwei Beispiele zu nennen. Aber die deutsche Autobranche steckt in der Krise, Ford hat bereits einen Stellenabbau angekündigt. Schlechte Nachrichten für den Regierungschef eines Bundeslands, das wirtschaftlich ohnehin stets zu kämpfen hat. Für Tobias Hans lautet die Lösung: Digitalisierung, Digitalisierung und noch mehr Digitalisierung.

Von der „Kulturnation“ zur „Bekenntnisnation“

Seit anderthalb Jahren ist der Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer jetzt im Amt, er habe in dieser Zeit „frischen Wind“ in die schwarz-rote Koalition gebracht, sagt Hans. Der gebürtige Neunkircher war vor seinem Einzug in die Staatskanzlei Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag gewesen, mit seinen 41 Jahren ist er der derzeit jüngste deutsche Ministerpräsident – ein „digital native“. Hans schwärmt von der Digitalisierungsstrategie, die er mit auf den Weg gebracht habe; Anfang des Jahres hat auf dem Saarbrücker Uni-Campus das neue Helmholtz-Zentrum für Cybersicherheit seine Arbeit aufgenommen, ganz in der Nähe befindet sich das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz. Dazu kommen unter anderem noch zwei Max-Planck-Institute für angewandte Informatik und Softwaresysteme. Und Tobias Hans, der über ein durchaus gewinnendes Wesen verfügt, ackert ohne Unterlass, um noch mehr digitale Kompetenz an die Saar zu bringen. Das ist auch dringend nötig, denn viele gut ausgebildete junge Leute sehen ihre Berufsperspektive außerhalb der Landesgrenzen.

Tatsächlich bräuchte das Saarland Zuwanderung, und wohl schon aus diesem Grund vertritt Hans in der Migrationspolitik eher liberale Positionen. Einiges Aufsehen hatte er Anfang Juni mit einem Meinungsbeitrag für die FAZ erregt, in dem er eine Abkehr vom Begriff der deutschen „Kulturnation“ hin zu einer „Bekenntnisnation“ forderte. „In meinen Augen ist der Begriff ,Kulturnation‘ zu sehr in Abgrenzung zu anderen europäischen Ländern gewählt“, sagt Hans. „So ein Begriff hat in einem modernen Grundsatzprogramm wenig verloren.“ Neben vielen positiven Reaktionen aus der Partei gab es auf diesen Vorstoß auch Kritik von konservativer Seite. Tobias Hans aber bleibt dabei, den Begriff „Nation“ will er „nicht den Rechten überlassen“. Wer ihn deshalb für einen verkappten Grünen hält, liegt dennoch falsch. Denn für Hans steht klipp und klar fest: „Die doppelte Staatsbürgerschaft als Regelfall passt nicht zu einer Bekenntnisnation.“ Die Bundeskanzlerin sieht das bekanntlich anders.

Die entkernte CDU

Ohnehin ist Tobias Hans deutlich kritischer gegenüber Angela Merkel, als man auf den ersten Blick glauben könnte. In der Flüchtlingskrise etwa habe die damalige Parteispitze „viele Fehler“ begangen, nicht zuletzt „beim Versuch, den Menschen vorzumachen, es gebe für alles eine europäische Lösung“. Solange das aber nicht der Fall sei, „muss Deutschland als souveräner Nationalstaat in der Lage sein zu sagen, wo Grenzen sind“. Das ist schon beinahe CSU-Sound. Die CDU, sagt Hans, sei aber nun einmal die Partei des durchsetzungsfähigen Rechtsstaats, „und da haben wir viel Vertrauen verloren“.

Im März 2022 wird er sich erstmals als Regierungschef einer Landtagswahl stellen müssen; bei der Europawahl holte die Saar-CDU mit 32,5 Prozent das beste Ergebnis aller Landesverbände. Ob die Stimmung so bleibt, liegt vielleicht auch an der bundespolitischen Fortüne von Hans’ Amtsvorgängerin AKK. Unter Merkel habe seine Partei „eine Sinnentleerung erlebt“, sagt er. „Die Seele der Partei oder kontroverse Debatten haben am Ende kaum noch eine Rolle gespielt.“ So hätten sich viele Mitglieder vernachlässigt gefühlt. „Ich bin aber sicher, dass unsere neue Vorsitzende auch diese Wähler wieder einbinden kann – doch das geht eben nicht von heute auf morgen.“

Dieser Text ist in der September-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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