Thüringen-Plan von Bodo Ramelow - Scheinbare Selbstlosigkeit

Indem er Christine Lieberknecht zur Ministerpräsidentin wählen will, lockt Bodo Ramelow die CDU Thüringen in eine Sackgasse. Das ist schlau, denn die Partei ist anfällig für gelegte Leimspuren. Dabei dürfte es ihm zwar auch um staatspolitische Verantwortung gehen. Doch er will vor allem wieder selber regieren.

Christine Lieberknecht gratulierte Bodo Ramelow 2014: Kommt es bald zum ungekehrten Revival?
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Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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„Der Fuchs geht um, der Fuchs geht um, es geht ein schlaues Tier herum“, lautet die Liedzeile zu einem alten Kinderspiel. Dabei geht es darum, mit List den Platz eines anderen einzunehmen. In Thüringen hat dieser Fuchs einen besonders leuchtend roten Pelz und hört auf den Namen Bodo Ramelow. Geht es nach ihm, soll ausgerechnet seine Amtsvorgängerin, die ehemalige CDU-Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht eine „technische“ Übergangsregierung anführen mit insgesamt drei zu ernennenden Ministern der Grünen, der SPD und einem Linken in der Staatskanzlei. Insbesondere der Landeshaushalt solle so gemeinsam verabschiedet werden, um anschließend so bald wie möglich Neuwahlen auszurufen.

Egal, wie man zu Bodo Ramelow und seiner Linken stehen mag, egal ob man sein Manöver als klugen Schachzug gegen oder als vergiftetes Angebot an die CDU bezeichnen mag. Fest steht, der Ex-Ministerpräsident der Linken bringt die CDU auf Landes- wie auf Bundesebene in eine schier ausweglose Situation. Denn lehnt die CDU ihre eigene Frau ab und damit zugleich eine gewisse staatspolitische Verantwortung, könnte sie womöglich noch weiter abstürzen in der Gunst der Wähler. Umfragen sehen die CDU derzeit nur noch zwischen 12 und 14 Prozent.

Wagt sie es jedoch, auf die List Ramelows einzugehen, verstößt sie am Ende doch gegen den Unvereinbarkeitsbeschluss, neben der AfD auch nicht mir der Linken zu kooperieren. Und angenommen, man fände dafür eine Lösung, weil es sich nur um eine begrenzte Zeit des absehbaren Übergangs zu Neuwahlen handeln würde: Trotzdem käme es dann bald zu Neuwahlen und damit womöglich zu weiteren Verlusten für die CDU und zu einer dann doch rot-rot-grünen Regierung, wenn nicht gar zu einer rot-roten.

Ein nur scheinbar selbstloses Opfer

Wer gestern und heute gewillt war, den Äußerungen des SPD-Chefs Wolfgang Tiefensee zu glauben, der könnte meinen, Bodo Ramelow gebühre schon jetzt der Verdienstorden des Freistaats Thüringen: „Hoher Respekt für Bodo Ramelow, dass er sich selbst zurückzieht, den Weg frei macht für eine technische Regierung, die wenige Tage – 70, 80 Tage – von der Antragstellung bis zur Neuwahl die Regierungsgeschäfte übernimmt“, sagte Tiefensee. Dabei hat Ramelows scheinbar selbstloses Opfer, nicht noch einmal im Landtag anzutreten, vor allem ein Ziel: selbst wieder Ministerpräsident zu werden. Das ist aus seiner Sicht auch nur verständlich.

Doch für die CDU gibt es nun anscheinend nur die Wahl zwischen Abgrund und Abgrund. Womöglich stünde sie aus Wählersicht noch besser da, wenn sie sich darauf einließe, weil sie so nicht als Totalverweigerer da stünde. Doch die Folgen auch für andere Länder, gerade im Osten wären vorerst kaum absehbar.

Interessanterweise war es Christine Lieberknecht selbst, die einen Tag vor Ramelows Vorstoß mit Äußerungen auffiel, die zumindest so interpretiert werden konnten: Liebe CDU, überdenke dein Verhältnis zur Linkspartei!

In einem Beitrag der taz über die DDR und den Übergang der Ost-CDU in die West-CDU hieß es nämlich: „Christine Lieberknecht lebt noch immer am Fuße des Ettersbergs bei Weimar. Die CDU-Frau ist heute 61 Jahre alt; die Ereignisse im Erfurter Landtag haben sie hörbar erschüttert. „Ich habe lange Weimarer Verhältnisse für unmöglich gehalten“, sagt sie, „aber nun habe ich erstmals richtig Sorge.“ Ihre Partei, für deren Würde sie vor dreißig Jahren ein hohes Risiko einging, müsse raus aus dieser Konfrontation zur Linken. „Es muss was passieren“, sagt Lieberknecht. Ihre Worte klingen ähnlich wie die aus dem Jahr 1989.“

Lieberknecht wäre zu vermitteln

Vielleicht war es ja dieser Text, der Ramelow zu seinem Vorschlag inspirierte. Er und Lieberknecht sollen seit Jahren befreundet sein. Und sie gehört innerhalb der Thüringen-CDU kaum zu jenen, die eher eine Zusammenarbeit mit der AfD anstreben und wohl auch nicht zu jenen, die sofort aus der CDU austreten würden, wenn die CDU mit der Linken kooperieren würde. Seit 2015 ist die einstige Pastorin Mitglied im Vorstand der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Sie wäre also unverdächtig, mit einer derartigen Kooperation mit den Linken, die Verbrechen der SED zu verharmlosen. Wie Lieberknecht allerdings zu diesem Angebot steht, ist derzeit unklar.

Welches Angebot aber könnte die Thüringer CDU nun machen, um jenes von Bodo Ramelow zu toppen? Denn eigentlich, so viel ist klar, annehmen kann sie es ihrem Selbstverständnis nach nicht. Wer also wäre schlau genug in der CDU?

Einen Fuchs hatte die CDU bislang auch in den Reihen. Doch Mike Mohring hat sich in seinem politischen Handeln nicht als schlau erwiesen. Zwar agierte auch er mit List. Doch weil ihm seine Manöver zurecht auch als Tücke und Machtgier ausgelegt werden konnten, steht er nun vor den Trümmern seiner politischen Karriere. Nicht zuletzt seine wiederholten Angriffe auf die eigene Fraktion lassen ihn ohne Freunde dastehen. Die Fraktion dringt auf seine sofortige Abwahl. Die Mitglieder trauen seinen Ankündigungen nicht mehr.

Mögliche Doppelstrategie

Möglicherweise wird nun aber der von der Bundeskanzlerin geschasste Ex-Ostbeauftragte Christian Hirte Mohrings Nachfolge antreten. Es wäre eine taktische Chance für die CDU Thüringen. Einerseits Christine Lieberknecht als quasi parteilose, weil im eigentlichen politischen Ruhestand, Übergangs-Ministerpräsidentin installieren. Andererseits mit einem Partei- und Fraktionschef Hirte in den nächsten Wahlkampf ziehen, der ein expliziter Gegner der Linkspartei ist und der sagen könnte: Ich hatte mit der Not-Kooperation nichts am Hut.

Aktualisierung: Inzwischen hat die CDU einen Gegenvorschlag gemacht. Demnach befürworte man zwar die Wahl der eigenen CDU-Frau Christine Lieberknecht, die Minister allerdings sollen nach dem Willen der Union hingegen kein Parteibuch haben, sondern nur von Grünen, SPD und Linken berufen werden dürfen. Auch eine allzu schnelle Neuwahl will man wohl vermeiden, um Zeit zu gewinnen, in den Umfragen wieder zu steigen. Der Ausgang der Verhandlungen zwischen Linken, CDU, SPD und Grünen beibt weiterhin offen.

Aktualisierung: Christine Lieberknecht (CDU) hat daraufhin erklärt, nicht mehr zur Verfügung zu stehen. Sie hätte nur Ramelows Vorschlag, schnelle Neuwahlen anzugehen, angenommen.

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