Streit um die Öffnung der Friseure - Einmal blondieren, aber schwarz!

Friseure dürfen ab dem 1. März wieder öffnen. Die Erklärung der Bundesregierung wirkt verlogen. Nur einer spricht aus, was Millionen Bürger längst wissen: Die Schwarzarbeit boomt. Unsere Autorin hat es getestet. Ein Selbstversuch mit gefährlichen Folgen.

Von wegen: Lockdown. Friseure können sich vor Arbeit kaum retten / dpa
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Franziska Giffey und ich, wir haben ein Problem gemeinsam: Den Haaransatz. Bei Wahlblondinen wie uns wächst die Farbe irgendwann heraus. Was nachwächst, bezeichnet man gern als „Straßenköter“. Schön ist das nicht. Man kann eine Mütze aufsetzen, um diesen Schönheitsfehler zu korrigieren. Man kann in der täglichen Video-Konferenz etwas vom Bad Hair Day murmeln. Aber wenn aus einem Tag ein Monat oder gar ein Jahr wird, gerät man in Erklärungsnot. Besonders als Bundesfamilienministerin.

Aber so weit wird es nicht kommen. Ab dem 1. März dürfen die Friseure wieder öffnen. Kaum hatte die Kanzlerin das verkündet, da gerieten sich die Bundesbürger darüber in die Haare. Endlich, frohlockte das Giffey-Lager. Und griff schnell zum Telefon, um einen Friseurtermin zu ergattern. Waschen, schneiden, färben. Andere fanden diese Nachricht haarsträubend. Warum ausgerechnet Friseure wieder ihre Salons öffnen dürfen und nicht Kosmetiker, Fußpfleger oder Fitness-Studios, das leuchtete ihnen nicht ein.

Eine Frage der Körperhygiene?

Tatsächlich klang die Begründung der Bundesregierung wenig überzeugend „Vor dem Hintergrund der Bedeutung von Friseuren für die Körperhygiene und der jetzt bereits seit längerem dauernden Schließung erscheint es erforderlich, die Inanspruchnahme zu ermöglichen, da erhebliche Teile der Bevölkerung, insbesondere ältere Menschen, auf diese angewiesen sind.“ Was wollte die Regierung damit sagen?

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Fast die Hälfte der Senioren spielen in der Haarkranzliga. Männer in dieser Altersklasse leiden eher darunter, dass sie zu wenig Haare auf dem Kopf haben und nicht zu viel. Bei den Frauen ist das in der Regel anders herum. Aber warum argumentiert die Bundesregierung gerade hier mit „Körperhygiene“? Sind Golden Girls nicht mehr in der Lage, sich die Haare selber zu waschen? Sind ihre Dauerwellen gar so verfilzt, dass sich darin schon Vögel ein Nest gebaut haben?

Vorsicht, Womble!

Um uns den Haarschnitt als prioritäre Maßnahme zu verkaufen, sollte sich die Bundesregierung schon eine bessere Begründung einfallen lassen. Wie wäre es zur Abwechslung mit der Wahrheit?  Man muss keine falsche Blondine sein, um zuzugeben, dass eine gepflegte Frisur mehr ist als nur ein nice-to-have. Man schaut doch viel lieber in den Spiegel, wenn man sich selbst darin wiedererkennt und nicht einen Womble, einen Bobtail oder gar Cousin Itt, jenes Mitglied der Adams Family, dessen Haare so lang sind, dass man beim besten Willen nicht mehr erkennen kann, wo vorne und wo hinten ist.

Auch Profifußballer wissen diese Vorzüge zu schätzen. Dem Zentralverband des Deutschen Friseurhandwerks ist das nicht verborgen geblieben. In einem offenen Protestbrief, den er an den DFB-Präsidenten Fritz Keller geschrieben hat, hat er seine Verwunderung darüber geäußert, „dass sich ein Großteil der Fußballprofis mit frisch geschnittenen Haaren auf dem Platz präsentierte: einrasierte Scheitel, auf wenige Millimeter getrimmtes Nacken- und Schläfenhaar, saubere Konturen. Frisuren, die nur professionelle Friseurinnen und Friseure mit Profi-Equipment schneiden können.“

Die akkurat frisierten Haare des Heiko Maas

Hätten die Friseure genau hingeguckt, hätten, sie gemerkt, dass es auch Politiker gibt, die aussehen, als hätten sie sich gerade die frisch geschnittenen Haare vom Friseurkittel gepustet. Nein, wir reden nicht von der Kanzlerin. Ihr Pony ist mittlerweile fast so lang, dass Bobtails vor Neid erblassen würden. Aber ihre pflegeleichte Hillary-Clinton-Frisur hat den Vorteil, dass man auch noch von einer Frisur sprechen kann, wenn der Schnitt schon vier Wochen überfällig ist. Außenminister Heiko Maas hat es da schwerer. Aber seine Haare sind auch in der Krise so millimetergenau gestutzt wie immer. Ist es vorstellbar, dass jemand, der derart eitel ist, sich selbst mit einem elektrischen Haarschneider frisiert?

Den Friseurverband bringen die Alleingänge der Promis langsam, aber sicher in Erklärungsnot. „Viele Friseurbetriebe sind in ihrer Existenz bedroht. Beschäftigte und Betriebsinhaberinnen und Betriebsinhaber müssen derzeit mit Kurzarbeitergeld oder ganz ohne Einkommen zurechtkommen“, heißt es in dem Brief an den DFB. „Der Unmut gegenüber topgestylten Fußballern wächst.“ Von Kundenanrufen, die zu Schwarzarbeit und Regelverstößen wie Hausbesuchen überreden wollen, ist die Rede.

Hinter verschlossenen Jalousien

Was der Verband nicht sagt: Diese Regelverstöße sind längst keine Ausnahme mehr, sondern die Regel. Achten Sie selber mal darauf, wenn Sie im Supermarkt an der Kasse stehen. Wildwuchs auf männlichen Teenager-Köpfen? Fehlanzeige. Die Jungs kennen alle jemanden, der jemanden kennt, der sie für einen Zehner frisiert. Mal ist es die Friseurmeisterin, die jetzt viel Tagesfreizeit hat. Mal ist es die handwerklich begabte Mutter eines Kumpels, die vorher an kleineren Kindern trainiert hat. 

Meine Aushilfsfriseurin heißt Mandy*. Es ist die Freundin einer Freundin, die ihren Job in einem Salon vor Jahren gekündigt hat, weil es ihr zu stressig wurde. In der Krise kann sie sich jetzt vor Anfragen kaum noch retten. Doch was heißt hier Krise? Mandys Terminkalender ist voll. Auch am Sonnabend rückt sie aus. Hair-Reinspaziert!

Damit keiner sieht, wie sie mir die Haare blondiert, müssen wir die Jalousien herunterlassen. Mandy ist nicht ganz wohl in ihrer Haut. Sie trägt zwar eine FFP2-Maske, aber alle anderen Hygieneregeln kann sie getrost ignorieren. Sie sagt, Kollegen von ihr seien schon aufgeflogen. Von Bußgeldern in vierstelliger Höhe ist die Rede. Einmal habe ein vermeintlicher Kunde in James-Bond-Manier seinen Ausweis gezückt: „Gestatten, Ordnungsamt.“

Die Schattenseite des Schwarzmarktes

Bekommt die Politik nicht mit, was hier hinter heruntergelassenen Jalousien jeden Tag passiert? Schwer vorstellbar. Es war Horst Seehofer, der das eigentliche Problem beim Namen genannt hat: „Schwarzmarkt.“ Wenn sich immer mehr Menschen ohne Abstand und heimlich die Haare schneiden ließen, könne man die Salons auch wieder öffnen, sagte der Bundesinnenminister. Mit seiner Matte ginge er zwar bald als Hippie durch. Trotzdem käme man nicht auf die Idee, dass er die Öffnung der Salons eigennützig forcieren würde. In den Salons, sagt er, schaue jedenfalls ab und zu das Ordnungsamt nach, ob die Regeln eingehalten werden.

Als Wahlblondine fällt mir noch ein weiteres Argument für das Ende des Lockdowns der schneidenden Zunft ein: die Qualität der Friseure. Meine Haare sind jetzt nicht blond, sondern gelb. Seit ich sie selbst mit einem mattierenden Silbershampoo gewaschen haben, haben sie einen leichten Stich ins Lilafarbene bekommen. Ich sehe aus wie die Tochter einer im Osten verhassten Politikerin. Diese Erfahrung bleibt Franziska Giffey jetzt erspart.

Ich hoffe, sie weiß das zu schätzen. Ich werde jetzt gelegentlich „Frau Honecker“ genannt. 

*Name von der Redaktion geändert 

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