Stadtgespräche im August - Der CDU-Mann für die SPD

Gerhard Schröder will endlich Angela Merkel hängen sehen. Die Junge Union schlägt den CDU-Mann und Viel-Twitterer Ruprecht Polenz als SPD-Kanzlerkandidaten vor. Polit-Moderator Markus Lanz wird plötzlich mit lobenden Worten überhäuft. Und die Justizministerin möchte die Mohrenstraße umbenennen.

Unsere Stadtgespräche im August
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Bauer statt Mohr

Der Streit um die Mohrenstraße in Berlin-Mitte geht weiter. Bekanntlich wollen SPD und Grüne den Straßennamen wegen der vermeintlich rassistischen Wortwahl ändern. Fragt sich nur, wie. Als prominente Anwohnerin hat sich nun Christine Lambrecht zu Wort gemeldet. Ihr Bundesjustizministerium liegt an der Mohrenstraße 37. Die SPD-Politikerin schlägt den Namen Fritz-Bauer-Straße vor, verriet sie Cicero. Gerade erst hatte Lambrecht das bislang namenlose Foyer im Ministerium nach dem ehemaligen deutschen Generalstaatsanwalt und Nazi-Verfolger benennen lassen, wo nun auch eine Büste von ihm steht. „Wenn das hier ein Viertel würde mit interessanten, bekannten und spannenden Rechtspolitikerinnen und Rechtspolitikern, fände ich das toll“, sagt Lambrecht. Bastian Brauns


Zurück zum Beton

Dieses Haus ist brutal bedroht. Dabei ist es bei Liebhabern längst in der Berliner Architektur-Top-Ten gelistet. Die Rede ist vom Mäusebunker, einem einstigen Tierversuchslabor, das 1971 von Gerd Hänska errichtet wurde. Eine Perle des béton brut. Lange geschmäht, treibt dieser Stil international neue Blüten. Nur in Berlin will man davon nichts wissen. Ginge es nach dem Senat, würde der spröde Klotz den Weg alles Irdischen nehmen. Doch Beton ist geduldig. Niemand weiß das besser als Architekt Arno Brandlhuber, Experte für alles hübsch Betonierte. Zusammen mit Galerist Johann König will der die Brutalismus-Ikone nun zu einem Kulturort umfunktionieren. Zurück zum Beton! Etwas Besseres könnte der bärbeißigen Punk-Oma Berlin gar nicht passieren. Ralf Hanselle 



Freier Platz

Große Feldherren hatten immer Respekt vor der Kriegskunst des Gegners. Bei Kanzlern ist das nicht anders. In Gerhard Schröders Büro in Hannover hängt nicht nur ein Porträt des Mannes, den er einst im Kanzleramt abgelöst hat. Sondern die ganze Ahnenreihe der Bundeskanzler, von Adenauer bis zu ihm selbst, alle in Szene gesetzt von Konrad R. Müller. Für ein Bild ist noch Platz, bevor sich an der Wand ein Gemälde von Otto von Bismarck anschließt. „Hier hinten habe ich sie schon stehen“, sagt Schröder, holt ein Schwarz-Weiß-Porträt aus der Ecke und hält es in die Lücke. Er freue sich bereits auf den Tag, an dem er Angela Merkel in die Ahnenreihe aufnehmen könne. Da schwingt merklicher Respekt mit vor der Person, die ihn einst im Kanzleramt abgelöst hat. Christoph Schwennicke


Nostalgie mit Hindernis

Eine seltsame Liebe zum Flughafen Tegel zeichnet die Berliner FDP aus. Der einst revolutionäre und nach Jahren der Dauerüberlastung marode Airport soll weiter in Betrieb bleiben, wenn es nach den Liberalen um Sebastian Czaja geht, den Fraktionsvorsitzenden im Abgeordnetenhaus. Dabei wird noch in diesem Jahr aller Voraussicht nach tatsächlich der neue Hauptstadtflughafen BER eröffnen – was bedeutet, dass Tegel schließen muss. Fraktionsintern gibt es über das Thema großen Streit. Denn eine aktuelle Plakataktion der FDP pro Tegel, die Czaja gegen Bedenken durchgesetzt hat, bringt die Liberalen in juristische Schwierigkeiten. Die Plakate wirken nämlich zu sehr wie FDP-Wahlwerbung. Davor gewarnt hatte offenbar der charismatische innenpolitische Sprecher der Berliner FDP, Marcel Luthe. Die Widerworte scheinen Czaja nicht gefallen zu haben, er warf Luthe aus der Fraktion. Doch warum diese offensichtlich zerstörerische Liebe der Liberalen zum abgewrackten Flughafen? Möglicherweise ist es Nostalgie. Der sechseckige Flughafenkomplex, eröffnet 1974, gilt vielen als ein Symbol der alten Bundesrepublik, einer Zeit, in der vieles in (West-)Deutschland noch überschaubarer und geordneter war. Und es ist eine Zeit, in der die FDP noch mitregieren und -bestimmen durfte. Möglicherweise ist Czajas Sehnsucht danach besonders groß. Marko Northe


Polenz soll es machen

Die Junge Union Berlin-Mitte arbeitet hart daran, sich den Wanderpokal „Christdemokratisches Querulantentum“ zu sichern. Ende 2019 luden die konservativen jungen Wilden zu einer Weihnachtsfeier unter dem Motto „Schlager gegen Links“ – und lösten auf Facebook und Twitter einen mittelschweren Shitstorm aus. Zur Diskussion über Rassismus in der Polizei posteten sie in den sozialen Netzwerken zwei Polizisten in Uniform und dazu den Spruch „All cops are beautiful!“ Ihren Lieblingsfeind scheinen die Jungen Christdemokraten im einstigen CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz gefunden zu haben. Dem in den sozialen Netzwerken zum Superspreader aufgestiegenen Politiker gratulierten sie zur erreichten Marke von 50 000 Followern auf Twitter mit einer Fotocollage, die ihn mit Lorbeerkranz vor den Buchstaben SPD zeigt. In einer Umfrage, so hieß es, hätten die Freunde der JU Berlin-Mitte entschieden: „Die SPD soll mit Ruprecht Polenz als Kanzlerkandidaten in die nächste Wahlniederlage gehen!“ Polenz zeige mit seinem Twitter-Aktivismus, „wie scheinbar einfach es ist, neue Wähler mit Fundamentalkritik an der eigenen Partei nicht zu gewinnen.“ Das mache ihn zum perfekten Kandidaten für die Sozialdemokraten. Polenz reagierte kühl auf den Vorschlag: Er beteilige sich doch lieber an der Diskussion um den Kurs der CDU. Alexander Marguier


Zu viel Ehre

Markus Lanz gelte als „schleimig und neoliberal“, für manche gar als „Hassfigur“, heißt es im Vorspann des Textes. Andere fänden, er mache den besten Polit-Talk des Landes. „Was stimmt?“, fragt taz-Chefreporter Peter Unfried in einem Porträt über Markus Lanz und kommt zu einem eindeutigen Befund: Der Moderator und seine Redaktion hätten „ein Format des Politikergesprächs entwickelt, das in Deutschland seinesgleichen sucht, weil es wirklich ein Gespräch ist und weil es politische Inhalte und biografischen Hintergrund nebeneinanderstellt, sodass Querverbindungen entstehen können“. Das Porträt, recherchiert auch in den Vorbereitungsräumen der Sendung im Hamburger Studio, war das dritte in kürzerer Zeit, das Markus Lanz als besten oder jedenfalls als politischen Ausnahmetalker darstellte. Erst der Stern und die Zeit, jetzt sogar die taz, das ist dann so viel der Ehre auf einmal, dass ein kritischer Geist wie Markus Lanz darob schon wieder hellhörig wird. „Ich habe mich sehr darüber gefreut, zumal ich auch ganz andere Zeiten erlebt habe“, sagt Lanz am Telefon – und fügt hinzu: „Aber vielleicht ist ja auch alles ganz anders. Vielleicht wollen sie mich einfach nur loswerden, und das waren die Veilchen zum Abschied.“ Offenbar kann er nicht nur gut Politiker befragen, er kann auch denken wie sie. Und vielleicht ermöglicht das eine überhaupt erst das andere. Christoph Schwennicke

Dieser Text stammt aus der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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