Sondierungsgespräche zwischen FDP und Grünen - Gemeinsames und Trennendes

Die Sondierungsgespräche nach der Bundestagswahl dauern an. Entscheidend bleibt, wie FDP und Grüne verhandeln – zwei Parteien, die sich in vielen Punkten stark unterscheiden und doch überraschende Gemeinsamkeiten haben. Ein Überblick.

Die grünen Bundesvorsitzenden Robert Habeck (l) und Annalena Baerbock sowie der FDP-Parteivorsitzende Christian Lindner nach Sondierungsgesprächen / dpa
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Charlotte Jost studiert Political- and Social Studies an der Julius-Maximilians Universität in Würzburg und ist Hospitantin in der Cicero Online-Redaktion.

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Nach den ersten Sondierungen für eine Regierungsbildung ist der Ausgang weiterhin offen. SPD und Union, die beide nach der Regierungsführung streben, warben am Sonntag um FDP und Grüne. Entscheidend bleibt, wie FDP und Grüne in den Sondierungsgesprächen verhandeln – zwei Parteien, die sich in vielen Punkten stark unterscheiden und doch überraschende Gemeinsamkeiten haben.

Schnittstellen: Bildung und Digitalisierung

Bei Bildungsthemen kommen beide Parteien auf einen gemeinsamen Nenner. Beide sprechen sich für eine verstärkte Digitalisierung von Bildungseinrichtungen aus und sind dafür, BAföG-Leistungen vom Einkommen der Eltern zu entkoppeln. Wichtig ist beiden zudem eine stärkere Bund-Länder-Kooperation mit dem Ziel gleichwertiger Bildung.

Auch hinsichtlich einer Außenpolitik haben FDP und Grüne einige inhaltliche Übereinstimmungen. So soll die Rolle Europas in außenpolitischen Fragen und eine Koalition demokratischer Staaten gestärkt werden.

Bei Sozialpolitik und Arbeitspolitik vertreten FDP und Grüne gleichfalls ähnliche Ziele. Die Grünen wollen einen Mindestlohn von zwölf Euro und Hartz IV durch eine Garantiesicherung überwinden. Die Freien Demokraten fordern ein Liberales Bürgergeld und steuerfinanzierte Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II. Auch eine Grundsicherung im Alter soll garantiert werden. Bei den Liberalen heißt sie „gesetzliche Aktienrente“, bei den Grünen „Bürgerfonds“. Bei der Flüchtlingspolitik setzten beide Parteien auf Gleichberechtigung, der Integration von Einwandern und Facharbeitern aus dem Ausland.

Sowohl FDP als auch die Grünen setzen auf ein modernes Familienrecht, das vielfältige Familienformen abbildet. Der FDP nach sollen Mehr-Eltern-Familien und soziale Elternschaft über ein weiterentwickeltes „kleines Sorgerecht“ gestärkt werden. Die Grünen wollen außerdem das Adoptionsrecht ausweiten und Kindergeld erhöhen.

Auf einen Fortschritt in der Digitalisierung setzten beide, wenn auch aus unterschiedlichen Beweggründen: Für die FDP steht der Wettbewerb im Vordergrund. Sie will ein sogenanntes Ministerium für digitale Transformation schaffen mit dem Anspruch unkomplizierter digitaler Dienstleistungen. Auch für die Grünen bedeutet Digitalisierung Umbruch und zugleich notwendige, marktfähige europäische Innovationen, insbesondere hinsichtlich des Klimaschutzes.

Streitpunkte: Klimapolitik und Finanzen

Das große Hindernis der Verhandlungen ist vor allem das Thema Klima- und Umweltschutz. Während die Grünen Deutschland bis Anfang 2040 klimaneutral machen wollen, will die FDP Klimaneutralität erst 2050 erreichen. Die Grünen wollen zudem die Neuzulassung von Verbrennungsmotoren von 2030 an verbieten, die FDP dagegen sieht die Fokussierung auf Elektromobilität kritisch und möchte auch andere Technologien im Spiel halten, etwa Wasserstoff. Die Freien Demokraten hingegen wollen durch die Förderung synthetischer Kraftstoffe weiterhin den Einsatz von Verbrennungsmotoren ermöglichen und lehnen deren Verbot ab. Die Grünen fordern ein Tempolimit bei 130 Stundenkilometern auf allen Autobahnen, die FDP lehnt eine Geschwindigkeitsbegrenzung entschieden ab. Den Kohlausstieg, den die Grünen für 2030 planen, will die FDP frühestens 2038 beginnen.

Ein Kompromiss könnte der Emissionshandel sein: Das marktbasierte Instrument im Kampf gegen Umweltverschmutzung schafft ökonomische Anreize zur Reduktion von Schadstoffemissionen. Konzerne können Zertifikate kaufen, die zur Emission einer bestimmten Menge eines Schadstoffs über einen definierten Zeitraum berechtigt. Dies könnte jedoch stark steigende CO2-Preise zur Folge haben, weshalb beide Parteien als Ausgleich für eine solche Preissteigerung eine Rückvergütung an die Bürger vorsehen, unter anderem durch ein „Energiegeld“ (Grüne) beziehungsweise eine „Klimadividende“ (FDP). Auch setzen beide Parteien auf den Ausbau von Wind- und Solarenergiequellen.

Einen starken Kontrast beinhalten die Parteiprogramme von Grünen und FDP auch in der Steuer- und Finanzpolitik. Bürger mit nur unteren bis mittleren Einkommen wollen beide Parteien entlasten – die Grünen deutlich mehr als die FDP. Diese will auch den Solidaritätszuschlag abschaffen. Besonders problematisch wird es, wenn es um Belastungen hoher Einkommen, Erbschaften und Vermögen geht. Die FDP schließt Steuererhöhungen aus und will die Unternehmenssteuerlast auf 25 Prozent senken, die Grünen sind stark für Steuererhöhungen hoher Einkommen und Steuerreduktionen bei niedrigem Einkommen.

Mit Blick auf die Wirtschaft will die FDP an der Schuldenbremse festhalten. Die Grünen dagegen wollen die Schuldenbremse reformieren und plädieren für eine großzügigere Schuldenpolitik, insbesondere, um Investitionen in den Klimaschutz zu fördern. In der Gesundheitspolitik wollen die Grünen eine Bürgerversicherung für alle, die FDP dagegen setzt auf das bereits bestehende Krankenkassensystem.

Ebenfalls wenig Einigung steht bei der Miet- und Wohnungspolitik in Aussicht. Die FDP stellt sich klar gegen Enteignung, Mietpreisbremse und Mietendeckel und will dafür mehr Wohnungen bauen. Die Grünen wollen per Gesetz Mietobergrenzen für Bestandswohnungen ermöglichen und die Mietpreisbremse entfristen und verschärfen. Damit sollen Mieterhöhungen auf 2,5 Prozent im Jahr innerhalb des Mietspiegels begrenzt werden.

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