Sommerinterview mit Markus Söder - Der Spielführer tritt nach

Im Gespräch mit dem ZDF lässt der bayerische Ministerpräsident Markus Söder kaum einen Zweifel daran, dass er der bessere Kanzlerkandidat gewesen wäre. Er behauptet sogar, wenn er wirklich gewollt hätte, wäre er es auch geworden. Bei der CDU vermisst der CSU-Chef Mut zur Attacke und Einsatz im Wahlkampf.

Markus Söder im Sommerinterview mit Theo Koll / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Wo sonst, wenn nicht im Stadion des 1. FC Nürnberg hätte das ZDF-Sommerinterview auch stattfinden sollen? Und so startete der Fernsehmoderator Theo Koll mit ein paar Plänkeleien zum Thema Fußball in sein Gespräch mit Markus Söder. Letzterer nahm das Motiv später noch einmal auf, als es um die Performance der Union im derzeitigen Nicht-Wahlkampf ging. 

Das Werben der Union um politische Zustimmung erinnert derzeit eher an das berüchtigte Catenaccio, soll sich aber nach Söders Wunsch alsbald an der Spielweise der aktuellen italienischen Nationalmannschaft orientieren: schnell, offensiv, taktisch durchdacht und mit Spaß an der Sache. Anders gesagt: Mit einem Kanzlerkandidaten Markus Söder als Spielmacher würden CDU und CSU nicht so unambitioniert auf dem Feld der politischen Auseinandersetzung herumkicken, wie sie es derzeit tun.

Respekt für Haseloff

Natürlich kam Koll als erstes auf die Schlammschlacht zwischen Söder und Armin Laschet im Rahmen der Kandidatenkür zu sprechen – und hielt dem bayerischen Ministerpräsidenten ein Zitat von dessen sachsen-anhaltischem Amtskollegen Reiner Haseloff vor, der sich mit der wenig charmanten Begründung, es gehe nun einmal um Macht und nicht um Charaktereigenschaften, für eine Kandidatur Söders ausgesprochen hatte. Den Bayern scheint das nicht schlimm getroffen zu haben, immerhin habe Haseloff mit seinen Präferenzen nicht hinter dem Berg gehalten, entgegnete er. Um maliziös hinzuzufügen, andere hätten sich das nicht getraut. Ob mit den „anderen“ weitere CDU-Ministerpräsidenten gemeint waren, blieb offen.

Einerseits gab Markus Söder sich zwar alle Mühe, den „Armin“ zu loben, mit dem er jeden Tag in telefonischem Kontakt stehe. Andererseits ließ er keinen Zweifel daran, dass er sich nach wie vor für den besseren Kanzlerkandidaten hält. Und nicht nur das: Söder sagte von sich, er hätte das Duell mit Laschet auch gewonnen, wenn er denn die „harte Auseinandersetzung“ gesucht hätte. Mit anderen Worten: Der MP aus NRW ist nur deshalb gemeinsamer Kandidat von CDU und CSU, weil Söder es nicht hat drauf ankommen lassen. Laschet wäre damit also ein Schwächling von Gnaden eines fränkischen Kraftprotzes. So viel zum Thema „ohne Groll“, wie Söder die Kandidatenkür nach eigenem Bekunden abschließen wollte.

Schlechte CSU-Werte in Bayern

Er positionierte sich auch in diesem Sommerinterview jedenfalls als Antreiber, der gewissermaßen mit Entsetzen auf die Passivität der CDU-Wahlkämpfer blickt: „Es fehlt die Offensive!“ Dem zaghaften Einwurf Theo Kolls, in Bayern sähen die Umfragewerte für die CSU auch nicht rosig aus, konterte der Antreiber standesgemäß: Natürlich wären diese Zahlen viel besser, wenn er selbst jetzt Kanzlerkandidat wäre. Und überhaupt: Seine persönlichen Beliebtheitswerte seien nach wie vor hervorragend. Söders Vorbild Franz Josef Strauß hätte dazu angemerkt, dass sich hier offenbar ein Politiker auf Kosten seiner eigenen Partei profiliert. Die Frage ist also eher, ob nicht auch die Bayern früher oder später Gefallen am selbstherrlichen Gebaren ihres Spielführers verlieren. Time will tell.

Und dann sitzt da mit Hubert Aiwanger auch noch ein notorischer Problembär in Söders Kabinett: Der Wirtschaftsminister von den Freien Wählern verweigert bekanntlich hartnäckig, sich gegen Covid impfen zu lassen und sprach im Zusammenhang mit einer Schlechterstellung von Ungeimpften bereits von Apartheid. Ob er ihn deswegen nicht aus dem Amt entlassen müsse, wollte Koll von Söder wissen. Man arbeite innerhalb der Regierung sehr gut zusammen, lautete dessen Antwort – allerdings „mache ich mir ein bisschen Sorgen um ihn“. Aiwanger befleißige sich nämlich einer Wortwahl, mit der er Gefahr laufe, sich in eine Ecke zu manövrieren, „aus der er nicht mehr herauskommt“. Sprich: Der Wirtschaftsminister biedere sich den „Querdenkern“ an – ein Kurs, bei dem die meisten Freien Wähler ihrem Vorsitzenden übrigens nicht folgen würden. Zumindest nicht nach Söders Einschätzung.

Schlechte Karten für Ungeimpfte

Damit war man auch schon beim heiklen Thema Impfpflicht. Eine solche lehnt Markus Söder zwar ab, weil das zu „schweren Spaltungen in der Gesellschaft“ führen würde – siehe Frankreich, wo wegen entsprechender Pläne inzwischen Hunderttausende auf die Straßen gehen. Allerdings stellte Söder auch klar, dass Ungeimpfte in Deutschland nicht in dem Maße ihre Rechte zurückerhalten würden wie Geimpfte. Zu dieser Diskriminierung (das Wort stammt vom Lateinischen Verb „discriminare“, zu Deutsch „trennen“, „absondern“, „unterscheiden“) ist die Politik Söder zufolge „verfassungsmäßig gezwungen“.

Es folgten gegen Ende ein paar Plänkeleien zum Thema Klimaschutz, was der CSU-Chef zum Anlass nahm, seine Forderung nach einem vorgezogenen Kohleausstieg zu erneuern, das bayerische Hinterherhinken beim Ausbau der Windkraft zu beschönigen („Bayern ist bei den Erneuerbaren die Nummer eins“) und ansonsten fast schon Laschet-mäßig zu intonieren, dass man Maßnahmen zum Klimaschutz nicht gegen die Interessen der Bürger umsetzen dürfe. (An die Bürger im Lausitzer Braunkohlerevier hat er in diesem Moment wohl eher nicht gedacht.)

Zum Schluss dann ein weiterer Söder-Klassiker, mit dem er in der Union letzthin nicht nur Jubelarien ausgelöst hat: die Parität. Die CSU-Listen zur Bundestagswahl seien schon paritätisch mit Frauen und Männern besetzt, bei den Direktkandidaten hinke man dieser Entwicklung leider noch etwas hinterher. Für Söder, den Antreiber, ist das natürlich kein Grund zu Verzagen oder gar klein Beizugeben: In der nächsten Bundesregierung werde sich das Thema Parität auf jeden Fall auch wiederfinden. Der Spielführer aus Franken wird schon dafür sorgen, dass es so kommt.

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