Sinnhaftigkeit von Antikörpertests - „Es ist nicht zu verantworten, sich absichtlich zu infizieren“

Antikörpertests sollen Klarheit darüber verschaffen, ob genesene Corona-Patienten immun gegen das Virus sind. Im Interview erklärt die Laboratoriumsmedizinerin Christine Brockmann-Hönig, wie zuverlässig Antikörpertests sind und wie sie über eine absichtliche Ansteckung denkt.

Die Forschung arbeitet unter Hochdruck / dpa
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Autoreninfo

Rixa Rieß hat Germanistik und VWL an der Universität Mannheim studiert und hospitiert derzeit in der Redaktion von CICERO.

 

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Christine Brockmann-Hönig ist Fachärztin für Laboratoriumsmedizin und für Innere Medizin im aescuLabor in Hamburg. Das aescuLabor ist ein interdisziplinäres Speziallabor, das alle Bereiche der modernen Laboratoriumsmedizin umfasst.

Frau Dr. Brockmann-Hönig, die Firma Roche hat in der vergangenen Woche einen neuen Antikörpertest vorgestellt, mit dem man Antikörper gegen Coronaviren nachweisen kann. Wie unterscheidet sich der neue Antikörpertest von Roche von  dem herkömmlichen Verfahren?
Es sind beides Antigen-Antikörper-Reaktionen. Beide messen die Antikörper. Roche hat den Vorteil, dass die Geräte für einen hohen Durchsatz geeignet sind. Die Roche-Geräte ermöglichen eine hohe Automatisation und die Abarbeitung einer hohen Anzahl von Proben. Auch ist es möglich kontinuierlich neue Patientenproben in das Gerät zu stellen im Gegensatz zu den anderen Verfahren, die nur eine bestimmte Anzahl Proben pro Lauf analysieren können.

Dr. med Christine Brockmann-Hönig /
Foto: aescuLabor

 

Es gibt ja auch Antikörpertests in der Apotheke oder im Online Handel zu kaufen…
Die Erfahrung mit anderen Antikörperschnelltests hat gezeigt, dass sie nicht mit den aufwendigeren ELISA-Tests im Labor mithalten können, die mit Hilfe einer enzymvermittelten Reaktion die Wechselwirkung von Antigen nachweisen. Sie sind daher nicht zu empfehlen.

Wie lässt sich die Qualität von Antikörpertests überhaupt nachweisen? Warum sind viele Tests so unzuverlässig?
Für die Entwicklung eines Antikörpertests werden Patientenkollektive mit bekannter positiver Diagnose und solche die sicher negativ sind benötigt. Erst in der Routine zeigen sich bei einem von der Industrie entwickelten Test die Vor- und Nachteile, sodass sich der bessere Test am Ende durchsetzt.

Es heißt: Antikörper bedeuten nicht gleich Immunität. Könnten Sie das genauer erläutern?
Das ist auch momentan Gegenstand der Untersuchung. Dieser Erreger ist seit Ende Dezember, Anfang Januar bekannt. Mit der Immunität von Masern oder Röteln zum Beispiel haben wir über Jahre Erfahrungen gemacht. Man hatte mehrere Infektionswellen, die gezeigt haben, dass Menschen, die eine hohe Antikörperzahl aufweisen, nicht wieder erkranken. Bei dem Coronavirus kann man das noch nicht sicher sagen. Das müssen wir lernen – das wird die Zeit bringen. Es gibt einen Neutralisationstest, der diese Art Antikörper misst. Der ist allerdings sehr aufwendig und nicht routine-tauglich für eine große Anzahl von Proben.

Demnach wäre eine zweite Infektionswelle mit dem Coronavirus für die Forschung interessant?
Ja, da ist die Frage: Was passiert mit den Menschen, die eine hohe Antikörperaktivität haben, und was ist mit denen, die die Infektion nachweislich gehabt haben, aber keine Antikörper gebildet haben? Erkranken diese Menschen nochmal, oder sind sie wirklich geschützt? Möglicherweise kann dann eine Aussage über einen Immunschutz getroffen werden.

Es fällt immer wieder der Begriff der passiven Immunisierung – das Braunschweiger Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung (HZI) hat einen Antikörper gefunden, der das Virus hindert, in die Zelle einzudringen. Was ist der Unterschied einer passiven Immunisierung zu einer Impfung?
Die passive Immunisierung bedeutet, dass ich Antikörper gegen den Erreger gebe und damit versuche in der Erstphase der Erkrankung, bevor der Patient selber Antikörper bildet, den Erreger abzufangen und somit einen möglichen Schutz zu erzielen. Die Impfung ist die aktive Immunisierung. Da gibt man abgeschwächtes Material des Erregers und regt so die selbständige Antikörperbildung an – in der Regel, ohne dass der Patient erkrankt.

Kann man sagen, welche Form der Immunisierung besser ist?
Die passive Immunisierung bedeutet, dass Sie dem Körper Antikörper gegen den Erreger zuführen – diese haben eine bestimmte Lebensdauer, bevor sie im Körper abgebaut werden. Bei der aktiven Immunisierung, wenn der Körper also selbst Antikörper bildet, besteht die Möglichkeit einer dauerhaften Immunantwort, wie zum Beispiel bei Masern oder Röteln.

Könnte ein leicht zugänglicher Test nicht dazu führen, dass sich mehr Menschen absichtlich infizieren, um somit eine Durchseuchung zu erzielen?
Im Moment haben wir das Problem, dass wir keine sichere Aussage über eine Immunität auf Grundlage der Antikörper machen können. Somit hätte das für jemanden, der sich jetzt absichtlich infiziert, vielleicht auch nicht die gewünschte Konsequenz. Das ist Thema der aktuellen Debatte. Man kennt die sogenannten „Masernparties“, damit man sich absichtlich infiziert. Das ist meines Erachtens aber ethisch und medizinisch nicht zu verantworten. Gerade an dem Coronavirus erkranken beispielsweise auch junge Menschen schwer. Diesem Risiko sollte sich niemand freiwillig aussetzten.

Die Fragen stellte Rixa Rieß. 

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