Schäubles Rückzug aus der CDU-Führungsriege - S’isch wie’s isch

Der bisherige Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble verzichtet darauf, nochmals für den Bundesvorstand der CDU zu kandidieren. Ob er nämlich wie bei früheren Wahlen ein herausragendes Ergebnis erzielen würde, darf bezweifelt werden. Aber ganz abtreten wird der Vollblutpolitiker auch nicht.

Wolfgang Schäuble (CDU), Bundestagspräsident, spricht während einer Sitzung des Bundestags / dpa
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Dr. Hugo Müller-Vogg arbeitet als Publizist in Berlin. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher zu politischen und wirtschaftlichen Fragen, darunter einen Interviewband mit Angela Merkel. Der gebürtige Mannheimer war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

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Wolfgang Schäuble hatte sich wohl einen schöneren Ausklang seiner politischen Endloskarriere vorgestellt. Noch mal vier Jahre als Bundestagspräsident das Parlament mit einer Mischung aus Lockerheit und Strenge zu führen, zuschauen, wie „sein“ Kanzler Armin Laschet das Land regiert, gelegentlich darauf aufmerksam zu machen, dass man dieses und jenes auch anders machen könnte: So hätte sie 2025 enden können, die letzte Legislaturperiode des Abgeordneten Schäuble nach dann 53 Jahren im Bundestag.

So aber wird es nicht kommen. Denn die CDU/CSU stellt nicht mehr den Parlamentspräsidenten, weil sie mit dem von Schäuble gepuschten Laschet hinter die SPD auf Platz zwei zurückgefallen ist. Schäuble wird das mit der ihm eigenen Nonchalance darstellen als etwas, was in der Politik halt vorkommen kann. Unvorhergesehenem, auch Unangenehmem die Brisanz zu nehmen, ist sein charakteristisches Stilmittel. Die implizierte Botschaft: Wer, wie ich, schon so viele Höhen und Tiefen erlebt hat, den kann nichts mehr erschüttern.

Begnadeter Strippenzieher

Gleichwohl kann man sich vorstellen, wie es in ihm brodelt und wie es an ihm nagt, dass ausgerechnet er, der große Stratege, mit Laschet auf den falschen Kandidaten gesetzt und ihn recht robust gegen den CSU-Chef Markus Söder durchgepeitscht hat. Nicht nur dieses Mal hat Schäuble, die graue Eminenz der CDU, der begnadete Strippenzieher, die Lage falsch eingeschätzt. Schon vor drei Jahren, als er Friedrich Merz zum Parteivorsitzenden und Kanzlerkandidaten machen wollte, hatte er die innerparteilichen Kräfteverhältnisse falsch eingeschätzt. Auch wenn es stets ganz ruhig wird, wenn Schäuble in CDU-Gremien das Wort ergreift: Der Respekt für seine Lebensleistung führt nicht automatisch dazu, dass alle CDU-Mandatsträger und -Funktionäre seinen Ratschlägen und Forderungen folgen.

„S’isch wie’s isch“ lautet eine Lieblingsformulierung des südbadischen Politikers, der unüberhörbar alemannisch „schwätzt“. Und weil es ist, wie es ist, hat er glasklar erkannt: Es „isch over“ mit herausgehobenen Ämtern. Deshalb verzichtet er darauf, nochmals für den Bundesvorstand der Partei zu kandidieren. Ob er nämlich wie bei früheren Wahlen ein herausragendes Ergebnis erzielen würde, darf bezweifelt werden.

Rhetorische Stärke

Schäuble wird sich auch ohne formelles Parteiamt und als „einfacher“ Abgeordneter zu Wort melden, wenn er der Meinung ist, das sei nötig. Ein Ex-Kanzleramtschef, Ex-Fraktionsvorsitzender, Ex-Innenminister und Ex-Parteivorsitzender braucht keinen Titel, um Gehör zu finden. Seine rhetorische Stärke liegt nämlich in seiner Formulierungskraft und seiner bilderreichen Sprache. Und das gepaart mit dem heimatlichen Sprachduktus, der vielen Aussagen die Schärfe nimmt, jedenfalls im Hörfunk und Fernsehen.

„Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität“ hat er einmal auf seine nüchterne Art gesagt. Ein Abgeordnetendasein ohne besondere Funktion ist demnächst sein Rendezvous mit der für die CDU bitteren Realität. Zu dieser neuen Wirklichkeit gehört, dass die große Zeit des 79-jährigen Vollblutpolitikers endgültig vorbei ist. Aber ganz abtreten wird er auch nicht. Denn erstens fühlt er sich als zum 14. Mal direkt gewählter Abgeordneter des Wahlkreises Offenburg seinen Wählern verpflichtet. Und zweitens kann er ohne Politik gar nicht sein.

Stets loyal

In der CDU muss man sich kaum Sorgen machen, ein durch kein Amt gebundener Schäuble werde sich jetzt als Kritiker der eigenen Partei hervortun. Schäuble hat in den fünf Jahrzehnten seiner politischen Tätigkeit innerparteiliche Auseinandersetzungen nie gescheut. Aber er war, wenn es darauf ankam, stets loyal. Gegenüber Helmut Kohl, als der ihn 1997 zum Kronprinzen für 2002 ausrief und damit düpierte, wie gegenüber Angela Merkel, die in der Euro-Krise die Griechen unbedingt in der Eurozone halten wollte – gegen den Rat der meisten Experten. Das unterscheidet Schäuble von Heiner Geißler, der sich auf seine alten Tage lustvoll auf Kosten der CDU als kühner Vordenker zu profilieren suchte.

Als Konrad Adenauer 1966 sein Amt als CDU-Vorsitzender abgab, versprach er der Partei, auch weiterhin mit Rat und Tat zur Verfügung zu stehen, falls man ihn frage. Und fügte hinzu, er erwarte auch, dass er gefragt werde. Schäuble würde das nie so formulieren. Er wird sich auch ungefragt zu Wort melden. Von wegen „isch over“.

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