Rot-Rot-Grün - Die Wähler sind weiter als die Politiker

Rein rechnerisch hätte eine Koaliton aus SPD, Grünen und Linken eine Mehrheit im Bundestag. Obwohl sich die Parteien selbst schwer tun mit einer Annäherung, hat das Bündnis bei den Wählern seinen Schrecken verloren. Das zeigt eine INSA-Umfrage im Auftrag von Cicero

Wackelig, aber für viele Wähler lecker: rot-rot-grün / picture alliance
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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Sie sind wie Königskinder, sie wollen, aber sie können nicht zusammenkommen. Seit mehr als zwei Jahrzehnten wird in Deutschland über ein Bündnis von SPD, Linken und Grünen diskutiert. Aber bei einer Annäherung stehen sich die drei Parteien ständig selbst im Wege. Immerhin: Die SPD hat vor drei Jahren auf einem Parteitag in Leipzig beschlossen, eine Koalition mit Grünen und Linken nicht mehr auszuschließen. Aber sie tut im politischen Alltag wenig dafür, sich diese Machtalternative strategisch zu erschließen und die programmatischen Gemeinsamkeiten auszuloten.

Dabei sehnt sich ein Großteil der sozialdemokratischen Parteibasis nach einer Alternative zur Großen Koalition. Auch der Demokratie tut es nicht gut, wenn die Große Koalition von der Ausnahme zur Regel und die Lagerlogik im Parteiensystem auf Dauer blockiert wird. Österreich hat gezeigt, welche Folgen das haben kann. Dort stellt sich für die einstigen Volksparteien SPÖ und ÖVP bereits die Existenzfrage. Die rechtspopulistische FPÖ hingegen eilt von Wahlerfolg zu Wahlerfolg. Wenn SPD und Union so weitermachen, gibt es auch nach der Bundestagswahl 2017 keine Alternative zur Großen Koalition. Deutschland drohen schon bald österreichische Verhältnisse.

Die Linken stellen sich quer

Dass SPD und Linke nicht zusammenkommen, liegt allerdings auch an den Linken. Viele Linken-Politiker waren früher in der SPD und haben die Partei aus Protest gegen die Schröderschen Sozialreformen verlassen. Für sie scheint die SPD, nicht die Union, der Hauptfeind zu sein. Allen voran für den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Oskar Lafontaine, der bei den Linken immer noch viel Einfluss besitzt, obwohl er sich aus der Parteiführung zurückgezogen hat. Für eine Zusammenarbeit stellen Politiker der Linken unannehmbare Bedingungen, etwa die Rücknahme der Hartz-Reformen, vor allem die Abschaffung von Hartz IV. Oder die Beendigung aller Auslandseinsätze der Bundeswehr.

Die Grünen sind mittlerweile ziemlich genervt vom Streit der beiden sozialdemokratischen Parteien. Sie glauben nicht mehr an ein Linksbündnis und setzen stattdessen auf Schwarz-Grün. Selbst der linke Flügel der Öko-Partei plädiert nur noch aus Gründen der innerparteilichen Machttaktik für ein rot-rot-grünes Bündnis.

Rechnerische Mehrheit für Rot-Rot-Grün

Dabei gäbe es sogar im aktuellen Bundestag eine rot-rot-grüne Mehrheit. CDU und CSU verfügen über 310 Abgeordnete. SPD, Linke und Grüne haben zusammen 320. Sie könnten sich jederzeit zusammentun, um die Große Koalition zu beenden und Merkel abzuwählen. In einem konstruktiven Misstrauensvotum könnten die drei Parteien einen Sozialdemokraten zum Kanzler wählen.

Ein Schreckgespenst wäre ein rot-rot-grünes Bündnis für die Wähler nicht mehr. Selbst wenn es noch in dieser Legislaturperiode dazu käme. Dies geht aus einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag von Cicero hervor. Dafür wurden im Zeitraum 15. bis 18. Juli insgesamt online 2037 Wahlberechtigte befragt.

Zustimmung von den Wählern von SPD, Linken und Grünen

28 Prozent der Befragten würden es demnach begrüßen, wenn es kurzfristig zu einem rot-rot-grünen Bündnis käme. Nur noch 34 Prozent sprachen sich dagegen aus. 38 Prozent antworteten mit „Weiß nicht“ oder machten keine Angaben.

Bei den bürgerlichen Wählern von CDU und CSU, von FDP und AfD stieße ein Linksbündnis auf deutliche Ablehnung. Doch die Wähler von SPD, Linken und Grünen sind mit großer Mehrheit dafür. So stimmten 54,2 Prozent der Befragten, die 2013 SPD gewählt haben, der Aussage zu, die drei Parteien sollten ihre rechnerische Mehrheit im Bundestag nutzen. Bei den Wählern der Linken von 2013 sind es 64,4 Prozent, bei den Grünen 58,5 Prozent. Die Gegner sind in der Minderheit (SPD: 21,7 Prozent; Linke 13,6 Prozent; Grüne 12,9 Prozent).

Es scheint so, als seien die Wähler längst weiter als die Politiker.

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