Roland Koch zum CDU-Vorsitz - „Parteien sind keine Mädchenpensionate“

Der frühere hessische Ministerpräsident Roland Koch, ein ausgewiesener Unterstützer von Friedrich Merz, glaubt daran, dass der neue CDU-Vorsitzende Armin Laschet selbst eingefleischte „Merzianer“ einbinden kann. Und plädiert für eine Koalition mit den Grünen nach der Bundestagswahl.

„Das war ein perfekter Parteitag“ / dpa
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Roland Koch war von 1999 bis 2010 hessischer Ministerpräsident. Heute ist er Aufsichtsratsvorsitzender der UBS Europe SE und gehört dem Aufsichtsrat der Vodafone an. Seit 2017 ist Koch Professor of Management Practice in Regulated Environments an der Frankfurt School of Finance & Management.

Herr Koch, hatten Sie damit gerechnet, dass Armin Laschet die Wahl zum CDU-Vorsitz gegen Friedrich Merz gewinnt?
Die Situation in der CDU ist auch heute ähnlich offen vor zwei Jahren: Die Partei ist in den Fragen, die hinter diesen Personalien stehen, fast gleichgewichtig vertreten. Daran hat sich prinzipiell nichts geändert. Ich war mir nicht sicher, wer gewinnt. Aber dass diese beiden Kandidaten in die Stichwahl gehen, war mir klar. Und auch, dass es knapp wird. Die Wahl ist anders ausgegangen als ich persönlich abgestimmt habe.

Ihr Favorit war also Friedrich Merz?
Ja. Ganz unabhängig von Personen kommen wir als CDU in eine Zeit, in der wir wichtige gesellschafts- und wirtschaftspolitische Entscheidungen treffen müssen – in Konstellationen, die für die CDU nicht einfach sind. Wir müssen mit Koalitionspartnern zusammenarbeiten, die nicht zur gleichen Ideenfamilie gehören. Ich halte es für am wahrscheinlichsten, sogar am wünschenswertesten, dass die Grünen an der Regierung beteiligt werden, weil ich glaube, dass dieser Anspruch der Menschen, die ökologische Herausforderung zu bewältigen und gleichzeitig ökonomisch in Sicherheit und Wohlstand zu leben, versöhnt werden muss. Das geht ohne die CDU nicht. Aber die CDU muss dabei sehr erkennbar bleiben – denn die Kompromisse dürften sehr schwierig sein. Ich war der Auffassung, dass die notwendige Erkennbarkeit der CDU mit dem Profil, der Lebenserfahrung, auch den Führungsfähigkeiten von Friedrich Merz sehr gut zusammenpassen würde.

Was sind denn diese Fragen, in denen die CDU so grundsätzlich gespalten ist?
Ich bestreite das Wort „gespalten“. Aber es gibt in der Partei eine Diskussion darüber, wie möglichst viele Menschen an die CDU gebunden werden können. Der eine Teil glaubt, dass man mit einem etwas flacheren Profil eher ein Moderator der gesellschaftlichen Entwicklung sein muss. Der andere Teil, zu dem ich gehöre, ist der Meinung, dass man eine eigene, sehr starke Position haben muss, an der sich insbesondere in der Mitte andere Parteien reiben. Das erhöht die Fähigkeit, eine politische Gruppe für sich zu begeistern. Und das verhindert, dass Menschen an die Ränder abwandern. Die Mitte ist keine Moderationszone, sie ist ein Ort politischer Auseinandersetzung. Die Frage, wie wir an dieser Mitte teilnehmen, wird Armin Laschet genauso beantworten müssen wie sie Friedrich Merz hätte beantworten müssen.

Viele Anhänger von Friedrich Merz haben in ihm so etwas wie die letzte Rettung der CDU gesehen. Gibt es überhaupt eine Chance für Laschet, an diese Hardcore-Merzianer heranzukommen?
Natürlich. Vor zwei Jahren wurde auch spekuliert, dass viele aus der CDU austreten würden. Am Ende ist praktisch niemand ausgetreten. Es wird wie immer Überzeugungsarbeit sein, die geleistet werden muss. Die Überzeugungsarbeit für Merz gegenüber der Frauen-Union, die sich klar gegen ihn ausgesprochen hatte, wäre auch nicht unaufwändig gewesen! In einer Volkspartei ist diese Herausforderung selbstverständlich und es ist keineswegs unmöglich sie zu leisten. Dass an Tagen wie diesen eine Menge emotionaler Pulverdampf im Raum ist, der sich erst wieder legen muss, ist normal.

Friedrich Merz hat noch während des Parteitags per Twitter den Posten des Wirtschaftsministers gefordert – und zwar in der aktuellen Regierung. Hat ihn sein politischer Instinkt verlassen?
Auch das gehört in die Kategorie Pulverdampf. Ich werde das nicht weiter kommentieren.

Was halten Sie von dem Werbeblock von Jens Spahn für Armin Laschet in der Fragerunde kurz vor der Abstimmung - war das ein Foulspiel?
Parteien sind keine Mädchenpensionate. Aber ich würde auch sagen: Es war unter jedem Gesichtspunkt und für jeden nicht notwendig.

Ist Armin Laschet die männliche Fortsetzung von Angela Merkel?
Der Vorsitzende einer nationalen Volkspartei definiert das nicht vor, sondern nach seiner Wahl. Das haben wir auch bei Annegret Kramp-Karrenbauer gesehen. Armin Laschet wäre schlecht beraten, wenn er den Eindruck erwecken würde, dass er nur eine Kopie des Vorgängers ist. Für einige Wochen wird nun die Frage gestellt werden, wer Kanzlerkandidat wird. Auch Armin Laschet hat Erfahrung darin, Akzente zu setzen, das hat er in NRW bewiesen: Wer hätte da am Anfang vermutet, dass er Herrn Bosbach zum Thema Innere Sicherheit einlädt, dass er Herbert Reul zum Innenminister macht – und dieser sich dann so entwickelt, geradezu aufräumt. Das hätte nicht jeder angenommen, wenn er Laschet vorher kennengelernt hat.

Wie schnell sollte die K-Frage geklärt werden?
Söder und Laschet sind Profis. Die sollen sich zusammensetzen und das beurteilen.

Roland Koch / dpa

Die Unionsparteien stehen derzeit bei 37 Prozent. Wird das bis zum September halten?
Ich finde eine andere Zahl der Demoskopen interessant, nämlich bei der Frage: Wem trauen Sie die Zukunftsgestaltung zu? In diesem Punkt ist die CDU so weit vor allen anderen Parteien, dass ich denke, dass da ein Stück der 51 Jahre Regierungsverantwortung mit guten Erfahrungen gerade in kritischer Zeit eine wichtige Rolle spielt. Natürlich ist es eine Herausforderung, dass wir in ein Wahljahr gehen, ohne die Frage des Kanzlerkandidaten geklärt zu haben. Aber ich will daran erinnern, dass bei Wahlen in Deutschland immer sehr stark nach Sach-Gesichtspunkten entschieden wird. Ich weiß noch, wie frustriert Hans-Dietrich Genscher darüber war, dass er zwar der mit Abstand populärste Politiker war und zugleich mit der FDP um die Fünf-Prozent-Hürde ringen musste.

Im März stehen zwei Landtagswahlen an – in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Und gerade die Baden-Württemberger hatten sich als Merz-Unterstützer positioniert – weil sie sich von seiner Wahl einen positiven Impuls auf ihren Wahlkampf erhofften. Welchen Impuls sendet die Wahl von Armin Laschet?
Die Baden-Württemberger müssen jetzt darauf setzen, dass Laschet sie positiv überrascht. Aber er, Söder und Merkel sind durchaus in der Lage, der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz so viel wie möglich an Unterstützung zu geben.

Und welchen Eindruck hat dieser erste komplett digitale Parteitag der CDU bei Ihnen hinterlassen?
Begeisterung! Das war ein perfekter Parteitag, und es war das große Meisterstück von Paul Ziemiak und seinem Team. Das Problem für viele Delegierte wird sein, das nächste Mal zu Hause bei der Familie zu erklären, warum sie eigentlich wieder auf einen Parteitag fahren wollen. Und es macht die Frustration darüber, dass wir keinen digitalen Schulunterricht hinkriegen, eher größer.

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