Habeck und das Tempolimit - Grüner Flirt mit dem Ausnahmezustand

Grünen-Chef Robert Habeck will ein allgemeines Tempolimit durchsetzen. Seine Begründung dafür speist sich aus einer zynisch-dekadenten Romantisierung der Coronakrise. FDP-Generalsekretärin Linda Teuteberg warnt vor der Instrumentalisierung der Pandemie.

Kein Recht auf Rasen, aber auch kein Recht zu schleichen / dpa
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Autoreninfo

Linda Teuteberg ist Bundestagsabgeordnete und Bundesvorstandsmitglied der FDP.

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Erste Maßnahme einer neuen Bundesregierung unter grüner Beteiligung solle laut Robert Habeck ein allgemeines Tempolimit von 130 Stundenkilometern auf deutschen Autobahnen sein. Fragen nach der Verhältnismäßigkeit dieses in der Sache durchaus diskutablen Vorschlages seien „jetzt irgendwie noch lächerlicher als ohnehin schon – jetzt nach der Schließung von Kirchen, Schulen und so weiter.“

Bemerkenswert an Robert Habecks Vorstoß ist die darin zum Ausdruck kommende absurde Prioritätensetzung der Grünen. Statt sich um die drängenden Probleme der Menschen in Deutschland wie Infektionsrisiken und Sorgen um die wirtschaftliche Existenz zu kümmern, soll erstmal der grüne Verbotskatalog abgearbeitet werden. Immerhin bleibt Robert Habeck sich damit treu angesichts seiner gutgemeinten Ratschläge an notleidende Gastwirte zu Beginn der Pandemie, sich eine neue Heizungsanlage anzuschaffen: Konsequente Ignoranz gegenüber den Existenzsorgen hart arbeitender Menschen.

Instrumentalisierung der Pandemie

Besonders perfide ist seine Begründung, dass wenn schon Schulen und Kirchen geschlossen werden könnten, Freiheitseingriffe inzwischen kaum noch der Rechtfertigung bedürften. Robert Habeck und die Grünen erliegen damit der Versuchung, den Ausnahmezustand der letzten Monate zum Modell zu erklären nach dem Motto: Jetzt seht ihr, was geht, wenn man nur will!

Das ist eine zutiefst illiberale Instrumentalisierung der Pandemie. Das zynische Romantisieren der Krise beschränkt sich nicht auf Fragen unserer Wirtschaftsordnung, was allein schon schlimm genug wäre. Der grüne Flirt mit dem Ausnahmezustand macht auch vor den weiteren Grundrechten der Bürgerinnen und Bürger nicht halt.

Kein Recht auf Rasen

Natürlich gibt es kein Recht auf Rasen in Deutschland. Diese Habecksche Sentenz ist ebenso richtig wie sie irrelevant ist für eine überzeugende Argumentation in der Sache. Es gibt auch kein Recht zu schleichen auf deutschen Autobahnen - geschenkt. Entscheidend ist jenseits des Lifestylegeplänkels darüber, wie autoaffin oder –abstinent jemand ist, dem Niedergang grundrechtlicher Denkkategorien zu widersprechen.

Die Frage nach der Verhältnismäßigkeit von Freiheitseinschränkungen ist im freiheitlichen Rechtsstaat immer verhältnismäßig. Und damit je nach abzuwägenden Rechtsgütern und Lageeinschätzung unterschiedlich zu beantworten, aber keinesfalls lächerlich. Wer anderes vertritt, mag vieles sein, aber bestimmt nicht liberal. Dieser Ausfall rechtsstaatlicher Argumentationsstandards ist ein Infektionsrisiko für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Mehr Dynamik statt Stillstand

Die Ausbreitung des Virus konnten wir durch die Stilllegung des gesellschaftlichen Lebens bremsen, den Klimawandel nicht. Änderungen an unserem Lebensstil können sinnvoll sein, doch eine Reduktion der Treibhausgase gegen Null erreichen wir so nicht. Dazu brauchen wir beschleunigte ökologische Innovation und massive Investitionen in die Erneuerung unseres Energiesystems, des Verkehrs und der Industrie sowie einen konsequenten marktwirtschaftlichen CO2-Zertifikatehandel, also mehr Dynamik statt Stillstand. Ambitionierter Klimaschutz braucht wissenschaftliche Innovation und wirtschaftliche Dynamik.

Unsere wichtigsten Ressourcen sind der Ideenreichtum und Erfindergeist einer offenen Gesellschaft. Darauf sollten wir bauen, statt mit einem ökologischen Notstandsregime zu flirten. Schon die jetzige Bundesregierung und erst recht eine neue Regierung nach der Bundestagswahl 2021 täte gut daran, eine konsequente Vorfahrtregel für Wachstum und Beschäftigung zu ihrer Handlungsmaxime zu machen.

Denn Wachstum und Beschäftigung sind entgegen einer Erzählung, die sich in den letzten Jahren von Ausnahmekonjunktur mit Rekordbeschäftigung und ebensolchen Steuereinnahmen weit verbreitet hat, weder eine fixe Idee noch hat unser Land ein Abonnement darauf. Wirtschaftswachstum und Beschäftigung sind das Fundament für die Lebens- und Aufstiegschancen von Menschen. Dies zu vernachlässigen ist weder sozial noch liberal, sondern schlicht dekadent.
 

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