Krawalle in der Rigaer Straße - Kapitulation vor linker Gewalt

Bei schweren Krawallen vor einem teilbesetzten Haus im Berliner Stadtteil Friedrichshain wurden am Mittwoch 60 Polizisten verletzt. Sie sollten den Kiez abriegeln, damit ein Brandschutzprüfer das Gebäude betreten konnte. Die Mängel sind schon jahrelang bekannt, aber ein grüner Stadtbaurat hatte die Prüfung aus politischen Gründen verhindert.

Nur mit Gewalt konnten Polizisten die Tür öffnen, damit der
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Es sind Bilder wie aus einem Bürgerkrieg. Vermummte errichten Barrikaden aus Autoreifen, Holzpaletten und Gittern und zünden sie an. Nein, das ist nicht das Westjordanland, wo Palästinenser gegen israelische Besatzer kämpfen, ditt is Berlin, die Rigaer Straße in Friedrichshain. Oder, wie die Bewohner des teilbesetzten Hauses in der Nr. 94 sagen: die „autonome Zone“.

Tatsächlich ist dort so etwas wie ein rechtsfreier Raum entstanden. Der gerade vorgestellte Verfassungsschutzbericht 2020 stuft die Rigaer Straße 94 und das benachbarte Haus in der Liebigstraße 34 als Hot Spots linker Gewalt ein. Über die Mitglieder der Szene heißt es, sie verstünden jede Form staatlichen Handelns als „Angriff auf ihr naturgegebenes Selbstbestimmungsrecht“. Dass für eine Brandschutzprüfung am Donnerstagmittag die Polizei die Eingangstür zur Nr. 94 mit Gewalt aufbrechen musste, zeigt, dass sich die Bewohner in ihrer autonomen Zone eingerichtet haben. Schon die brennenden Barrikaden am Tag davor waren eine Machtdemonstration. „Hier regieren wir“, diese Botschaft sendeten die Bilder. Kampflos kommt hier keiner rein. 60 verletzte Polizisten, das war die Bilanz der Krawalle. In drei Fällen ermittelt die Polizei jetzt wegen eines versuchten Tötungsdelikts.

Grüne Doppelmoral 

Das Echo in der Politik: Einhelliges Entsetzen – über alle Parteigrenzen  hinweg. „Wer sich einer Brandschutzbegehung durch Brandsätze, Steinwürfe und massive Verletzungen von Einsatzkräften widersetzt, hat nur noch ein hartes Durchgreifen verdient“, resümierte SPD-Landeschefin Franziska Giffey, die Regierende Bürgermeisterin werden will. „Berlin darf sich nicht länger auf der Nase herumtanzen lassen“, forderte CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner. Sogar die grüne Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann, stimmte in den Chor der Kritiker ein.

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Sie sei „bestürzt“ und „verärgert“  über die Ausschreitungen im Samariterkiez, schreibt sie in einer Pressemitteilung. Der Aufbau von Barrikaden und das Anzünden von Pyrotechnik sei „keine Form der demokratischen Willensäußerung“. „Es kann nicht sein, dass Kinder heute aus ihren Kitas und ihrer Schule evakuiert werden mussten.“ Wer für bezahlbare Mieten sei, solle sich zu Wort melden oder Transparente zeigen. Den verletzten Polizisten wünschte sie „gute Besserung“.

Katz und Maus mit der Polizei  

Die betroffenen Beamten müssen sich von Herrmann verschaukelt gefühlt haben. Schließlich haben die Grünen in Friedrichshain maßgeblich dazu beigetragen, dass die Bewohner der Rigaer Straße 94 und – nur einen Steinwurf weit entfernt liegenden – Liebigstraße 34 jahrelang mit der Polizei Katz und Maus spielen und Anwohner terrorisieren konnten. 

Schon 2016 hatte die Polizei den Bezirk darüber informiert, dass sich die Bewohner hinter einer stählernen Tür verbarrikadiert hatten. Ein klarer Verstoß gegen die Brandschutzordnung. Auch von nachträglich eingebauten Falltüren im Haus war die Rede, die geeignet seien, Menschen zu erschlagen.

Aussitzen „aus politischen Gründen“

Die zuständige  Baubehörde war also alarmiert. Trotzdem passierte jahrelang: NICHTS. Er sei davon ausgegangen, dass die Mängel längst beseitigt worden seien, erklärte der grüne Stadtbaurat Florian Schmidt 2020 auf eine Anfrage des rbb. Dabei war er es selbst, der die Brandschutzprüfung bewusst hintertrieben hatte – offenbar, um einen Großeinsatz der Polizei zu verhindern. Das hatte das Magazin „Kontraste“ im Herbst 2020 aufgedeckt. Die Reporter hatten mit  Sachbearbeitern gesprochen, die den Baurat wiederholt auf die Mängel hingewiesen hatten. Und sie hatten ein internes Schreiben zitiert, in dem Schmidt seine Mitarbeiter angewiesen hat, „bis auf Weiteres nicht gegen bauliche Missstände“ vorzugehen.

Seine Begründung dürfte auch Monika Herrmann bekannt sein: „Dies ist eine politische Entscheidung des Bezirks.“ Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) fand dafür harte Worte. „Obwohl es um den Schutz von Leben und Gesundheit von Menschen geht und es deshalb keinen politischen Ermessensspielraum geben darf, versucht Florian Schmidt immer noch die mit Gewalt drohenden Bewohner der Rigaer Str. 94 vor rechtsstaatlichem Handeln zu schützen“, sagte er dem Tagesspiegel.

Eigentümer muss sich sein Recht erstreiten 

Dass jetzt doch endlich ein Brandschutzprüfer mit Polizeibegleitung das Haus betreten durfte, liegt aber nicht an der Politik, sondern am Eigentümer. Vor dem Verwaltungsgericht hatte er sich sein Recht erstritten, das Haus mit einem Gutachter zu betreten. Dass ihm der Bezirk im März mit einer eigenen Begehung ohne Polizeischutz zuvorgekommen war, die angeblich „keine schwerwiegenden brandschutztechnischen Mängel“ feststellen konnte, davon ließ er sich nicht beirren. Das Verwaltungsgericht hatte diese Prüfung als unzureichend eingestuft. Sein Misstrauen sei gerechtfertigt, entschied das Gericht. Schließlich könne nicht ausgeschlossen werden, dass die Behörde wie schon bisher aus anderen als baupolizeilichen Gründen von einer umfassenden Dokumentation der Mängel abgesehen hätte.

Man ist geneigt, von einer Posse zu sprechen. Aber die Anwohner erfüllen die Winkelzüge des Baurats mit Wut. Mit dem Urteil haben die Richter dem grünen Bezirk ein Misstrauensvotum gestellt. Deutlicher hätten sie nicht formulieren können, dass der vor der linken Gewalt im Samariter-Kiez kapituliert hat. 

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