Anti-Corona-Demo in Dresden eskaliert - Das wahre Gesicht der Querdenker

Einen Tag vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz meldeten sich die Querdenker mit Demos in Großstädten zurück. In Dresden eskalierte die Situation, als Teilnehmer eine Polizeikette durchbrachen. Welches Signal senden die Veranstalter mit solchen Bildern an die Regierung?

Großaufgebot trotz Demoverbots: In Dresden versuchten 1.800 Polizisten zu deeskalieren / dpa
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Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Es sind Bilder, die zeigen, dass sich etwas verändert hat im Land. Demonstranten  durchbrechen eine Polizeikette. Einzelne von ihnen gehen auf die Beamten los. Die Polizisten werden brutal attackiert – sogar dann noch, wenn sie schon am Boden liegen. Ein Wutbürger auf dem Altmarkt sagt, das nächste Mal bringe er eine Waffe mit. Und „wenn ich zwei umschieße“.

Dresden, am Samstag. Hunderte, wenn nicht Tausende Menschen ziehen durch die Innenstadt. Die meisten tragen keine Maske, sie halten keinen Sicherheitsabstand ein. Sie skandieren: „Frieden, Freiheit – keine Diktatur.“ Die von den Querdenkern angemeldete Demonstration ist nicht genehmigt. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen hatte das Verbot des Dresdener Verwaltungsgerichts wegen der zu erwartenden Verstöße gegen die Hygiene-Auflage bestätigt.

Der Winterschlaf ist vorbei 

In der Vergangenheit hatten sich die Querdenker an solche Verbote gehalten – zuletzt an Silvester. Da wollten 22. 500 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni in Berlin „für das Jahr der Freiheit und des Friedens“ auf die Straße gehen. Doch nach dem Verbot blieb es ruhig in der Hauptstadt. Der Gründer der Querdenker-Bewegung, Michael Ballweg, hatte davon abgeraten, nach Berlin zu fahren. Nachdem Vorwürfe laut geworden waren, er hätte sich an dem Verkauf  von Querdenker-Fanartikeln bereichert, war er abgetaucht. 

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Doch wer erinnert sich heute noch daran? Die Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg stehen bevor. Die Querdenker sind zurück. In einem Video vom 25. Januar hat sich Ballweg, „von der Winterpause verabschiedet“. Er behauptet, der von Bundesregierung verhängte „Megalockdown“ dauere mindestens bis 2022. „Und dazu sagen wir Nein.“ Ballweg zitierte den ehemaligen Bundesverfassungsrichter Hans-Jürgen Papier. Die Bürger seien keine Untertanen. Es sei ihr gutes Recht, gegen die Freiheitsbeschränkungen auf die Straße zu gehen.

Wasserwerfer vor dem Impfzentrum 

Von Gewalt hatte Papier nichts gesagt. Doch Videos von der Demo in Dresden zeigten, dass einzelne Demonstranten auch davor nicht mehr zurückschreckten. Ein Großaufgebot von 1.800 Polizisten sollte dafür sorgen, dass die Demo nicht eskalierte. Dass das Verbot niemanden abschrecken würde, davon war man also schon ausgegangen.

Doch mit der Wut der Teilnehmer und der Wucht der Angriffe hatte offenbar niemand gerechnet. Die Nerven bei den Bürgern liegen blank. Seit einem Jahr hangelt sich die Regierung von Lockdown zu Lockdown, ohne dass die Infektionszahlen sinken. Und während andere Länder ihre Bürger vorbildlich durchimpfen, verdirbt hierzulande Impfstoff, weil auch die Verteilung der Vakzine nicht klappt. In Dresden musste die Polizei Wasserwerfer einsetzen, um ein Impfzentrum vor Angriffen zu schützen. 12 verletzte Beamte, 47 Straftaten, 943 Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Corona-Ordnung. Das war die Bilanz dieser Demo. Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks verurteilte die Angriffe. „So genannte Querdenker zeigen ihr wahres Gesicht“, schrieb er auf Twitter.

„Respekt für die Arbeit der Polizei“

„Gewaltbereite Extremisten am Werk.“ Tatsächlich deutete diesmal nichts daraufhin, dass die Demo von Hooligans oder rechtsextremen Aktivisten „gekapert“ wurden wie 2020 in Berlin. Eine von der rechtsextremen Initiative „Heidenauer Wellenlänge“ angemeldete und genehmigte Kundgebung vor dem Congress-Centrum verlief friedlich.

Auf ihrer Facebook-Seite postete die Initiative Bilder, die die angebliche Brutalität der Polizei dokumentieren sollte. Dafür bekam sie nicht nur Zustimmung. „Könnt Ihr alle mal friedlich bleiben? Bringt nix, die Gewalt“, kritisierte einer. Ein anderer schrieb: „Die Aggression geht doch klar von den Demonstranten aus. Eine so unübersichtliche Situation ist für die Polizei höchst schwierig und gefährlich für sie selbst. Respekt für ihre Arbeit!“

Kampfansage an die Regierung 

Auch in Berlin, Hannover, Stuttgart, Düsseldorf und in München gingen Menschen am Samstag auf die Straße. Auch hier war die Stimmung zum Teil aufgeheizt, doch Bilder wie in Dresden gab es hier nicht. In München hatte eine Demo mit 2.500 Teilnehmern eher Happening-Charakter. Auf dem Marienplatz tanzten Menschen eine Polonäse. Hier reichten 500 Beamte, um die Kundgebung aufzulösen.

Der Zeitpunkt für die Demos war günstig. Die Empörung über den Maskenskandal in der Union schlägt hohe Wellen. Und wo, wenn nicht bei den Landtagswahlen, sollten die Bürger den Parteien einen Denkzettel verpassen? Man muss kein Querdenker sein, um sich über das Versagen der Politik die Haare zu raufen. Aber zwischen Kritik an der Politik und Gewalt verläuft eine rote Linie. Die Querdenker haben sie überschritten. Den Auftritt des Wutbürgers, der auf dem Dresdener Altmarkt gesagt hat, das nächste Mal bringe er eine Waffe mit und schieße Polizisten, nutzen sie  als Kampfansage an die Regierung. Gefilmt und im Internet verbreitet hat ihn der ihnen nahestehende Journalist Martin LeJeune.   

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