Prepper und die Coronakrise - „Eine Pandemie kann schlimmer sein als Krieg“

Mit der Corona-Pandemie schlug die Stunde der Prepper. Die horten Lebensmittel und bereiten sich mit Survival-Kursen auf den Tag X vor. Doch ihr Image ist nicht das beste. Bastian Blum kämpft seit Jahren dafür, sie ernst zu nehmen. Das Interview mit ihm hat im April viele Leser interessiert.

Nicht ohne meine Tütensuppe: Bastian Blum ist schon seit Jahren gewappnet für den Tag X / picture alliance
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Autoreninfo

Antje Hildebrandt hat Publizistik und Politikwissenschaften studiert. Sie ist Reporterin und Online-Redakteurin bei Cicero.

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Bastian Blum ist Rettungssanitäter in Krefeld. 2013 hat er die – inzwischen wieder aufgelöste – Prepper-Gemeinschaft Deutschland gegründet. Zusammen mit anderen betreibt er das Infoportal Katastrophen-Selbsthilfe. 

Herr Blum, Sie haben mir gerade erzählt, dass Sie vom Einkaufen im Supermarkt zurückgekommen sind und alles bekommen haben. Sie klangen fast enttäuscht.
Ach, was heißt enttäuscht? Eigentlich ist es mir egal. Ich hatte meinen Notvorrat schon lange vorher angelegt, sogar Klopapier.  

Aber Prepper fordern doch, dass man sich Vorräte für den Ernstfall anlegen soll. Und wenn es noch alles zu kaufen gibt, fehlt da nicht der Thrill? 
Wir haben die Leute auf unserem Katastrophen-Selbsthilfe-Infoportal schon Ende Januar darauf hingewiesen, dass sie die Warnungen vor der Pandemie ernstnehmen sollten. Und das bedeutet, dass man sich mit den Hygienevorschriften beschäftigen und beginnen sollte, langsam seine Lebensmittelvorräte aufzufüllen.

Ende Januar hat das Gesundheitsministerium noch behauptet, das Corona-Virus käme nicht nach Deutschland. Woher wussten Sie da schon, dass das nicht stimmt?
Als die WHO am 30. Januar zwar die Gefahrenstufe 1 verhängt, aber keine Reisebeschränkungen erlassen hat, da wussten wir schon, das geht in die Hose.

Warum?
Ein Virus macht nicht vor Grenzen und Worten Halt. Das weiß jeder, der sich schon mal mit dem Thema beschäftigt hat. Zwei unserer Kollegen sind Ärzte, ich bin Rettungssanitäter. Dass die WHO und die Regierung nichts getan haben, hat uns ziemlich aufgeregt und enttäuscht.  

Dabei waren Prepper bislang nur auf Naturkatastrophen, längere Stromausfälle, Unglücke in Atomkraftwerken oder Kriege vorbereitet. Auf einer Skala von 0 bis 10, wo siedeln Sie die Corona-Krise an?
Bei 10. Eine Pandemie ist immer der Ernstfall. Es kann schlimmer als Krieg sein, weil der Feind unsichtbar und nicht direkt zu bekämpfen ist. Ebola als Pandemie wäre unkontrollierbar.

Ist das nicht ein bisschen alarmistisch?
Nein, im Krieg wird zwar die Infrastruktur zerstört, man kann auch selbst getötet werden. Aber oft gibt es noch die Möglichkeit, selbstbestimmt zu handeln und zu fliehen. Man hat noch die Kontrolle über das eigene Leben. Diese Quarantänemaßnahmen und Ausgehverbote haben auf uns spürbarere Auswirkungen als ein Krieg. Sie schränken uns massiv ein. 

Für unsere Großeltern war es noch völlig normal, Kartoffeln einzukellern oder Obst und Gemüse einzumachen. Wann fing das an, dass Vorratshaltung zu einer Disziplin für Männer wurde, von denen sich viele heimlich danach sehnen, Krieg zu spielen?
Dieses Prepping – abgeleitet von to prepare (sich vorbereiten) – kommt aus den USA. Es begann während der Kubakrise. Da haben Menschen begonnen, sich eigene Schutzbunker in den Garten zu setzen. Sie haben sich Notvorräte angelegt, um ihren Lebenssstandard in den eigenen vier Wänden so lange wie möglich zu bewahren. Nach dem Terroranschlag 9/11 kam es richtig in Mode.

Wann sind Sie zum Prepper geworden?
Das war während der Finanzkrise 2009. Keiner wusste, was passiert. Ob man überhaupt noch an sein Geld herankommt.

Aber das war doch kein Grund, Konservendosen zu horten.
Für mich schon. Ich erinnerte mich an Berichte über die Wirtschaftskrise zwei Jahre zuvor in Argentinien, wo die Menschen plötzlich kein Geld mehr vom Konto mit ihrer EC-Karte abheben konnten.

Heute haben Sie einen Vorratskeller. Was ist da alles drin?
Konservendosen, Marmeladen, Nudeln, Reis, Instantkartoffelpürree, Apfelmus, Tomatenmark, Cracker, Bratwurst in Dosen. Rindfleisch in Dosen, Würstchen – und so weiter. 

Fällt Ihnen irgendein leckeres Rezept aus Konservendosenfutter ein?
Ja, Reis mit Bratwurstfleisch aus der Dose und eine Tomatensoße dazu. Mit Pfeffer, Salz und getrocknetem Basilikum würzen. 

Orthodoxe Prepper bunkern spezielle Konservendosen, die bis zu zehn Jahre lang haltbar sind und die man über einer Flamme erhitzen kann. Ist das nicht albern?
Dachte ich auch erst. Inzwischen denke ich, das ist eine gute Alternative für Leute, die sich schnell einen Vorrat anlegen wollen, aber keine Zeit haben, sich intensiv damit zu beschäftigen.

Was raten Sie Anfängern?
Ihren Vorrat ganz langsam aufzubauen, über einen Zeitraum von sechs Wochen. Immer nur ein oder zwei Teile mehr kaufen als sonst, damit man nicht angepöbelt oder gar überfallen wird für eine Packung Klopapier. Ganz wichtig: auch an ein batteriebetriebenes Radio denken. Eine Liste finden Sie auf der Homepage des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK).

In den USA horten Prepper gerade Waffen. Gehören die bei Ihnen auch zur Grundausstattung?
Nein, auf gar keinen Fall. Waffen bedeuten den Amerikanern das, was uns unsere Grundrechte bedeuten. Sie sind ein Symbol für Freiheit.

Ist es nicht eher so, dass sich die Menschen für den Fall vorbereiten, dass US-Präsident Donald Trump auf dem Höhepunkt der Pandemie den Kriegszustand verhängt?
Doch, das ist die Reaktion darauf. Aber wovor haben die Menschen genau Angst? Doch in erster Linie davor, dass ihre Nachbarn mehr Waffen haben als sie.

Viele dürfte das in ihrem Vorurteil gegenüber Preppern bestätigen – dass es wütende, weiße Männer sind, die ein bisschen durchgeknallt sind. Ärgert Sie das nicht?
Doch, es ärgert mich tierisch. In Deutschland und Europa herrscht eine ganz andere Kultur. Allein unsere Gesetzgebung erschwert ein Horten von Waffen, was wir auch absolut richtig finden. Eine Waffe ist eine Waffe und kein Spielzeug.

Aber auch in deutschen Prepper-Shops kann man Elektroschocker kaufen. Prepper docken gern in einem Milieu an, wo Waffen eine wichtige Rolle spielen, zum Beispiel bei Reichsbürgern oder Rechtsextremisten. Warum gerade da?
Für viele von ihnen sind Verschwörungstheorien die Basis des eigenen Glaubens. In unseren Augen sind das keine Prepper, sondern Doomer – Leute, die an die Weltwirtschaftskrise oder den Einmarsch dunkler Mächte glauben und sich in erster Linie mit Waffen auf die Krise vorbereiten. Prepper sind eher realistische Krisenvorbereiter. Politisch waren wir immer neutral. Und wir sind in der Mehrzahl. Auf zwei Prepper kommt ein Doomer.

Könnte die Zahl der Doomer durch die Wirtschaftskrise steigen? 
Das befürchte ich. Jeder, der jetzt im Stich gelassen wird, wird anfällig für Verschwörungstheorien. 

Wie oft müssen Sie sich selbst anhören, Sie hätten einen Knall?
Ach, in den sozialen Netzwerken passiert das tausendfach. „Knall“ ist auch noch eine harmlose Formulierung. Wie oft musste ich mir schon anhören, ich sei total bekloppt. In Deutschland könne doch sowieso nichts passieren. Und falls doch, gebe es doch noch den Katastrophenschutz. 

Und was antworten Sie dann?
Na, das erleben wir doch gerade. Was ist denn mit der Pandemie? Und wir haben den Höhepunkt noch nicht mal erreicht. 

Die Fragen stellte Antje Hildebrandt. 

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