Politische Karriere - Mehr als schlanke Beine

Als Katja Suding im Jahr 2011 ihre politische Karriere begann, wurde sie als chancen- loser PR-Gag verspottet, inzwischen gilt die Hamburger FDP-Politikerin als ministrabel

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Je mehr sich Katja Suding von der Landespolitik entfernt, desto allgemeiner fallen ihre Statements aus / Anna Mutter
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Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Als sich Katja Suding vor sieben Jahren entschloss, Politikerin zu werden, da traute ihr kaum jemand etwas zu. Vor allem traute der PR-Beraterin niemand zu, die zerstrittene Hamburger FDP zurück in die Bürgerschaft zu führen. Selbst viele Parteifreunde hielten ihre Spitzenkandidatin für eine Fehlbesetzung. Um Wahlen zu gewinnen, unkten sie, reiche es nicht, hübsch auszusehen. Doch Katja Suding gewann Wahlen. Als Newcomerin führte sie die FDP 2011 mit 6,7 Prozent zurück in die Hamburger Bürgerschaft. Vier Jahre später kam diese sogar auf 7,4 Prozent. 

Die Wahl im Februar 2015 bedeutete nicht nur für Suding den Durchbruch, anschließend wurde sie stellvertretende FDP-Vorsitzende. Gleichzeitig begann vor 16 Monaten in der Hansestadt das „Projekt Wiederauferstehung“ der FDP. Und wenn das Projekt am 24. September erfolgreich abgeschlossen werden sollte, dann wird Katja Suding im Bundestag zu den zentralen Gesichtern der neuen FDP gehören. Manch einer hält sie sogar für ministrabel. 

Suding hat sich durchgebissen. Das politische Geschäft mit seinen nicht immer leicht durchschaubaren Regeln und schmutzigen Tricks hat sie schnell gelernt. Sie hat als Landesvorsitzende ihre innerparteilichen Gegner kaltgestellt, dabei half ihr allerdings auch der enge Draht zu Parteichef Christian Lindner. In der Bürgerschaft gilt die Fraktionschefin mittlerweile als Oppositionspolitikerin, die es ernst zu nehmen gilt. Niemand käme mehr auf die Idee, die 41-Jährige nur auf ihre schlanken Beine zu reduzieren.

Sonntags in die Kirche

Dabei kam eine politische Karriere in Katja Sudings Lebensplanung eigentlich nicht vor. Sie wächst in Vechta auf. Ihre Eltern – der Vater leitender Angestellter, die Mutter Hausfrau – waren CDU-Anhänger. Suding besucht eine katholische Mädchenschule. Sonntags geht die Familie in die Kirche. 

Nach dem Abitur studiert Suding in Münster zunächst zwei Semester BWL und dann Kommunikations- und Politikwissenschaften. Anschließend zieht sie nach Hamburg, wo sie schon während des Studiums als PR-Beraterin arbeitet und der Vater ihrer zwei Kinder zu Hause ist. Von ihm lebt sie mittlerweile getrennt. Für viele Jugendliche, die in der niedersächsischen Provinz aufgewachsen sind, ist Hamburg ein Sehnsuchtsort. Längst sei die Stadt an der Elbe ihre „Heimat“, sagt Suding. Erst mit 30 Jahren tritt sie dort 2006 in die FDP ein. 

Die FDP ist eine optimistische Partei

Doch sosehr sich Katja Suding in Hamburg politischen Respekt erarbeitet hat, so unbeschrieben ist ihr bundespolitisches Blatt. Wenn es um Fahrradwege geht, um die Elbvertiefung oder die Schulpolitik der rot-grünen Landesregierung, argumentiert sie souverän. Je mehr sie sich aber von der Landespolitik entfernt, desto allgemeiner fallen ihre Statements aus. Bei bundespolitischen Themen schwingt zudem ein wenig Nervosität in ihrer Stimme mit. Mit Bildung und Digitalisierung wolle die FDP im Wahlkampf punkten, diese würden über die Zukunft dieses Landes entscheiden, sagt sie. Die FDP sei eine „optimistische Partei“, habe keine Angst vor Veränderung. Über eine liberale Steuerreform redet sie erst auf Nachfrage. 

Bloß keinen Fehler machen, scheint die Devise zu lauten, denn auch Suding ahnt wohl, die FDP ist eine Partei unter Bewährung, jeder schwere Fehler könnte vom Wähler bestraft werden. Die peinlichen Regierungsjahre von 2009 bis 2013, an deren Ende die Partei vom Wähler brutal abgestraft wurde, sind noch nicht vergessen. Rückblickend sagt Katja Suding: „Es war ein Fehler, nicht aus der Koalition ausgetreten zu sein, als Schäuble die Steuerreform abgesagt hat.“ 

Keine Berührungsängste

Sollten die Liberalen im Herbst für die Regierungsbildung gebraucht werden, will die FDP „anders auftreten“ als in der Vergangenheit, kündigt Suding an, und „nicht um jeden Preis“ regieren. „Wir werden vor der Wahl Projekte beschließen, die wir in einer Regierung durchsetzen wollen, und wenn die sich nicht durchsetzen lassen, werden wir in keine Regierung gehen.“ Wobei Suding betont: „Schwarz-Gelb ist kein Automatismus.“ Es gebe Punkte, da stehe die FDP der CDU näher, bei anderen der SPD, auch zu den Grünen gebe es „keine Berührungsängste“. Zugleich tritt Suding auch auf die Euphoriebremse: Es sei gefährlich zu glauben, es sei schon alles gelaufen, „dann kann es schnell noch mal ganz knapp werden“. Sie klingt dabei wieder wie eine routinierte Wahlkämpferin.

Hat es sie empört, dass sie vor allem zu Beginn ihrer Karriere nur auf ihr Äußeres reduziert, als eine Art PR-Gag verspottet wurde? „Nein“, antwortet Katja Suding, „ich weiß ja, wie das funktioniert“, und natürlich sei das eine Möglichkeit gewesen, auf sich aufmerksam zu machen. Zumal alle gesagt hätten, sie habe keine Chance. Gleichzeitig habe ihr dies die Möglichkeit geboten zu erklären, wofür die FDP politisch steht.

 

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