Neuer Parteichef? - Merz-Therapie für die CDU

Ein Kanzlerkandidat und CDU-Chef Friedrich Merz wäre ein Glücksfall für die Demokratie und die Partei. Kanzler dürfte er trotzdem nicht werden. Stattdessen könnte mit ihm etwas eintreten, das gerade für Merz-Anhänger ein Albtraum wäre.

Ob Friedrich Merz seine Kontrahenten in die Tasche stecken kann? / dpa
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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Die Meldung der Deutschen Presse-Agentur (dpa) gestern Abend war eigentlich keine Meldung, sondern der Eintritt eines erwartbaren Ereignisses: Friedrich Merz, so heißt es aus seinem Umfeld, wolle sich um den CDU-Vorsitz bewerben. Und damit auch um den Platz im Kanzleramt, denn beide Posten, so war es den Äußerungen der Noch-Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Montag zu entnehmen, sollen zukünftig wieder in einer Person zusammenfließen.

Merz wäre für die orientierungslos in der Mitte dahinwabernde CDU ein Glücksfall: Mit ihm als CDU-Chef wäre der konservative Flügel der Partei, dessen Merkel-Groll sich in der kleinen, rebellischen Werteunion kristallisiert, wieder integriert. Gleichzeitig ist Merz nicht so rechts, dass er den liberalen Teil seiner Partei verprellen würde. In der CDU wird Merz zusammenführen, was zusammen gehört. 

Überflüssiges altes Eisen

Größtes Hindernis auf dem Weg an die Spitze ist das Berliner Partei-Establishment: Im Konrad-Adenauer-Haus hält man Merz bestenfalls für überflüssiges altes Eisen. Ralph Brinkhaus, Chef der CDU/CSU-Fraktion etwa soll der Meinung sein, dass ein Merz in Berlin nicht nötig sei, weil er selber doch auch all die Adjektive bieten könne, die man Merz zuschreibt: wirtschaftsfreundlich und konservativ in der Ausstrahlung. Hinter der Ablehnung steht auch der Neid angesichts Merz’ Popularität.

Aber Merz hat die Unterstützung der Parteibasis im Rücken, weil er eine Projektionsfläche für all jene ist, die nachts von Kohl träumen und tagsüber an Merkel verzweifeln. Wer etwa beim letzten Deutschlandtag der Jungen Union in Saarbrücken dabei zusah, wie sich die Parteijugend Merz zu Füßen warf - zu einem Zeitpunkt, als AKK noch fest im Sattel saß -, der weiß, wie die CDU derzeit tickt. Natürlich bekamen damals auch Jens Spahn und Armin Laschet Applaus. Aber mehr nicht. Und Merz wirkt auch darüber hinaus: Wo immer er dieser Tage auftritt - die Säle sind ausverkauft bis zum letzten Platz.

Kandidat der Basis

Merz ist auch derjenige, für den sich die Parteibasis mit Leidenschaft in den Wahlkampf werfen wird, und das gilt auch im Osten. Über den Merz-Konkurrenten Armin Laschet heißt es dort dagegen, er sei „kaum vermittelbar”, weil er zu sehr die Fortsetzung der Ära Merkel verkörpert. Was kümmert uns der Osten, hört man zuweilen aus dem Laschet-Lager – Bundestagswahlen werden schließlich in den großen Ländern entschieden. Das mag unterm Strich stimmen: Aber welche Legitimation hätte ein Bundeskanzler, dessen Partei in den östlichen Bundesländern durch die Bank weg der AfD unterlegen wäre? Die Krise, in die die deutsche Demokratie stürzen würde, will man sich nicht ausmalen.

Merz dagegen wäre es zuzutrauen, der AfD wieder ein paar Prozent der abgewanderten CDU-Wähler abzujagen. Der einzige, der da mithalten könnte, wäre Markus Söder. Aber der beharrt darauf, dass sein Platz in Bayern sei. Und die angestrebte Personalunion von CDU-Chef und Kanzler schlösse einen CSU-Kanzler eigentlich aus. Und aus Söders Lager heißt es: Am Ende wird er den Kandidaten unterstützen, der bei der Wahl die meisten Stimmen holt.

Es wird ihm an Partnern fehlen

Auch den Kampf um die politische Mitte wird Merz’ Kandidatur beleben: Linke, Grüne und SPD werden Merz für seine Vergangenheit beim „Heuschrecken-Investor” Blackrock und sein abgehobenes Privatjet-Leben im Privatjet attackieren, Merz wird gegen linke (Um)-Verteilungsträume setzen, dass jeder Euro, den man ausgeben will, erstmal verdient werden muss. 

In dieser Konstellation steckt aber auch der Grund, warum Merz selbst nach einem erfolgreichen Wahlkampf und einem CDU-Ergebnis von 35 Prozent plus nicht Kanzler werden dürfte: Es wird ihm schlicht an Partnern für eine mehrheitsfähige Koalition fehlen. Einen Teil der Stimmen wird sich Merz von der AfD holen, einen guten Teil dürfte er aber auch der FDP abjagen, weil er persönlich mindestens so viel FDP ausstrahlt wie Christian Lindner. Eine schwarz-gelbe Koalition fällt also ins Wasser, eine Zusammenarbeit mit der AfD ist ausgeschlossen. 

Merz’ Lagerwahlkampf wird dafür eine Mehrheit auf der linken Seite des politischen Systems erzeugen. Paradoxerweise – und jetzt müssen alle Merz-Fans ganz stark sein – könnte ein erfolgreicher Friedrich Merz am Ende eine grün-rot-rote Bundesregierung ins Amt bringen.
 

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