Unabhängiger OB-Kandidat - Boris Palmer pfeift auf die Grünen

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer tritt zur Wiederwahl an – als unabhängiger Kandidat. Denn seine eigene Partei will ihn loswerden. Den Grünen droht eine Blamage.

Boris Palmer wird erneut als Oberbürgermeister von Tübingen kandidieren / dpa
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Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

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Erst vor wenigen Tagen hatte Boris Palmer angekündigt, nicht für die Grünen als Oberbürgermeister in Tübingen anzutreten. Der Grund: das gegen ihn laufende Ausschlussverfahren. Beides zugleich gehe für ihn nicht: für eine Partei zu kandidieren, die einen ausschließen will.

Fast zeitgleich startete Palmer allerdings eine Online-Spenden-Aktion. Es ging darum auszutesten, über wieviel öffentlichen Rückhalt er verfügt – und ob er auch ohne seine Partei seinen Platz auf dem Bürgermeisterstuhl verteidigen kann. Denn dazu braucht man nicht nur öffentliche Anerkennung, sondern auch Geld für einen Wahlkampf.

Fulminante Spendenaktion

Nach nur wenigen Tagen waren mehr als 20.000 Euro in der Kasse, nach etwa einer Woche mehr als 100.000 Euro. Damit war genau jene Summe erreicht, die Palmer als erforderlichen Mindestbetrag für seinen Wahlkampf genannt hatte. 

Trotz der Spendenaktion ließ Palmer allerdings bisher offen, ob er tatsächlich antritt. Seit Sonntag gibt es allerdings Gewissheit. Palmer hat sich entschlossen, gegen seine eigene Partei ins Rennen zu ziehen. 

Motiviert haben ihn dazu neben der großen Spendenbereitschaft offenbar zwei weitere Dinge. Erst kürzlich veröffentlichten 800 wahlberechtigte Tübinger einen Aufruf, in dem sie sich für eine weitere Amtszeit Palmers aussprachen. Dieser Rückhalt lasse ihn „staunen vor Glück“, teilte er mit. Außerdem hat Palmer eine Umfrage in Auftrag gegeben, um die Zufriedenheit der Tübinger mit seiner Arbeit überprüfen zu lassen. Der Rückhalt ist groß: 68 Prozent aller Befragten und sogar 86 Prozent der Grünen-Anhänger wollen am Ende, dass er weitermacht.

Parteiausschluss rückt näher

Genüsslich weist Palmer daher darauf hin, dass Bürgermeisterwahlen „Persönlichkeitswahlen“ seien und die eigene Partei zwar eine wichtige Unterstützung sei, aber selbst nicht zur Wahl stehe: „Es kommt also mehr darauf an, was der Wille der Bürgerschaft ist als auf die Beschlüsse von Parteiversammlungen.“

So hoch Palmers Chancen sind, sein Amt gegen die eigene Partei zu verteidigen, so sicher dürfte nun sein Ausschluss aus der Partei „Bündnis 90/Die Grünen“ sein. Waren die bisher gegen ihn erhobenen Vorwürfe des Rassismus weitgehend konstruiert, hat er seiner Partei nun einen tatsächlich handfesten Grund für parteischädigendes Verhalten geliefert. Denn er wird seine voraussichtliche Konkurrentin von den Grünen wohl in den Boden rammen.
 

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