Neue Rechte - Signale aus der Steinzeit

Götz Kubitschek und sein neu-rechtes „Institut für Staatspolitik“ werden neuerdings vom sachsen-anhaltischen Verfassungsschutz als Rechtsextremisten betrachtet, nicht mehr nur als „Verdachtsfall“. Intellektuellen wie Armin Nassehi und Claus Leggewie ist es nun peinlich, dass sie in der Vergangenheit mit Kubitschek diskutiert haben.

Die rechtsnationalen Publizisten Jürgen Elsässer (r.) und Götz Kubitschek (l.) / dpa
Anzeige

Autoreninfo

Mathias Brodkorb ist Cicero-Autor und war Kultus- und Finanzminister des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Er gehört der SPD an.

So erreichen Sie Mathias Brodkorb:

Anzeige

Seit dem Jahr 2020 wird das neu-rechte „Institut für Staatspolitik“ (IfS) im sachsen-anhaltinischen Schnellroda vom Bundesamt für Verfassungsschutz als rechtsextremer „Verdachtsfall“ eingestuft. Besonders im Blickfeld der Behörden steht dabei der Bundeswehroffizier und Verleger Götz Kubitschek. Lange vor dem Einzug der AfD in den Bundestag arbeitete er an der Ausbildung eines rechtsintellekuellen Milieus in Deutschland, und seit dieser Zeit verabreichen er und seine Mitstreiter dem besonders rechten Flügel der AfD „geistiges Manna“ (Björn Höcke). Es dürfte vor allem der enge Kontakt Kubitscheks zu eben diesem Björn Höcke sein, der das IfS und den Verlag „Antaios“ so interessant macht für die staatlichen Behörden.

Seit wenigen Monaten nun hat der Verfassungsschutz von Sachsen-Anhalt die Gangart verschärft. Kubitschek und Co. sind kein „Verdachtsfall“ mehr, sondern werden im örtlichen Verfassungsschutzbericht als „Rechtsextremisten“ verhandelt, feinsäuberlich einsortiert zwischen den Kategorien „Gewaltbereiter Rechtsextremismus/Rechtsterrorismus“ und „Parteiungebundener, vornehmlich neonazistisch geprägter Rechtsextremismus“. Der Betroffene selbst hält das alles für hanebüchen. Dem Staat gehe es dabei bloß um „Kriminalisierung und Rufmord“. Keines der von ihm herausgegebenen Bücher sei schließlich je „indiziert“, also verboten worden.

Am eigenen Schopf herausreißen

Dass Kubitschek in seinem Verlag vor einigen Monaten zwei mit ihm geführte Briefwechsel mit dem Soziologen Armin Nassehi und dem Politikwissenschaftler Claus Leggewie veröffentlichte, kann daher gar nicht anders als der Versuch interpretiert werden, sich am eigenen Schopf aus dem Sumpf des Extremismusverdachts zu ziehen. Der Verleger spricht lieber von „Signalen der Normalität aus der Steinzeit“.

Die Reaktion der Professoren ließ nicht lange auf sich warten. Beide distanzierten sich vom Abdruck der Briefwechsel, dieser sei nämlich ohne ihre Zustimmung und ohne ihr Wissen erfolgt. Dabei wurde mit der Veröffentlichung gar kein Geheimnis verraten. Schon Jahre zuvor hatte Nassehi denselben Text einem seiner Bücher als Anhang beigegeben, und im Jahre 2017 war auch der Briefwechsel mit Leggewie auf Kubitscheks Internetseite „Sezession“ veröffentlicht worden. Aber damals stand er auch noch nicht im Fokus des Verfassungsschutzes.

Der Inhalt der Briefwechsel ist schnell erzählt: Nassehi und Kubitschek begegnen sich auf Augenhöhe und mit intellektuellem Interesse am jeweiligen Gegenüber. Letztlich läuft das ganze Gespräch auf die Frage zu, ob „das Grundproblem moderner Gesellschaftlichkeit an mangelnder Homogenität seines Personals“ liege oder nicht. Während Kubitschek das bejaht, kommt es Nassehi naiv vor, den Prozess der Liberalisierung und Individualisierung der Lebenswelten mit der Wiederbelebung nationaler Narrative rückgängig machen zu wollen.

Der Übertritt

Das Gespräch mit Leggewie folgt einem anderen Sound. Dessen Interesse gilt nicht dem Verstehen des Anderen, sondern Kubitscheks Niederlage. Konkret geht es um dessen Übertritt aus der Welt der Publizistik in die der Politik. Mehrfach war er im Rahmen der Pegida-Bewegung lautstark als Redner in Erscheinung getreten und hatte, aus Sicht Leggewies, die Massen aufgewiegelt. Der Vorwurf: „Die Grenze zwischen geistigem Bürgerkrieg, den Sie ja wollen, und realem Tumult können Sie kaum definieren und noch weniger praktisch ziehen.“ Oder mit anderen Worten: Kubitschek müsse es sich persönlich zurechnen lassen, wenn gewaltbereite Rechte nach einer seiner Reden oder nach der Lektüre seiner Texte auf Andersdenkende oder -aussehende einprügelten. Die Frage, ob es auch umgekehrt sein könnte, dass gewaltbereite Antifas nach der Lektüre der Texte Leggewies auf „Bullen“ oder Nazis einschlagen, stellte Kubitschek nicht. Dabei hätte das eine interessante Diskussion über die Verantwortung des Intellektuellen für die Folgen seines öffentlichen Sprechens werden können. Aber darum ging es in Wahrheit ja auch nicht.

Worum es eigentlich ging, hatte Leggewie bereits am 2. November 2017 im Bildungszentrum Wetzlar deutlich gemacht, als er sich für seinen Briefwechsel mit Kubitschek im Rahmen eines öffentlichen Vortrages rechtfertigte. Dieser sollte einfach „übers Stöckchen“ springen und hätte es schließlich auch getan. Leggewie hätte ihm nämlich das Geständnis entlockt, dass „die Rechte gegebenenfalls bereit ist, (…) Gewalt gegen Flüchtlinge und Andersdenkende anzuwenden (…). Das wusste doch alle Welt? Na woher, wenn man nicht mit Rechten redet?“ Nicht um das Verstehen ging es Leggewie also, sondern um das Entlarven.

Nun kann man den wissenschaftlichen Mehrwert dieser Enthüllungsaktion für begrenzt halten. Eine echte Sensation wäre nämlich das Gegenteil gewesen, also einem „extremen Rechten“, einem Bundeswehroffizier zumal, ein Bekenntnis zum Pazifismus abzuringen. Bemerkenswert ist hingegen, dass dem Briefwechsel keine Stelle zu entnehmen ist, in der der Überführte in Gewaltfantasien schwelgt. 

Angesprochen auf diesen Widerspruch, verweist Leggewie zunächst auf eine Passage, in der Kubitschek auf den Vorwurf geistiger Mittäterschaft reagiert und dieser Leggewie umgekehrt fragt: „Was ist, wenn der angemessene Widerstand [gegen die Aufnahme von Flüchtlingen, M. B.] wiederum unterliegt, weil er zu zaghaft war, und dann tatsächlich ein gewalttätiger, punktuell brachialer und enthemmter Widerstand gegen die Regierungspolitik sich Bahn bricht?“ Was also, das jedenfalls meint Kubitschek, wenn seine Reden noch zu harmlos waren, um den Protest der Massen erfolgreich zu kanalisieren und diese genau deshalb gewalttätig werden?

Aus dieser Frage ein Bekenntnis zur Gewalt abzuleiten, dürfte ohne besondere hermeneutische Fähigkeiten nicht ganz einfach sein. Und so rollt Leggewie denn schließlich auch die Fahne wieder ein und konstatiert auf nochmalige Nachfrage: „An keiner Stelle sage ich, dass Kubitschek selbst zu Gewalttaten aufruft oder solche begangen hat.“ Die Betonung liegt freilich auf „selbst“.

Intellektuelles Interesse

Seinerzeit habe Nassehi den Briefwechsel aus einem ernsthaften intellektuellen Interesse heraus geführt. Es sei für ihn ein Gebot der „intellektuellen Redlichkeit“ anzuerkennen, dass „nicht alles falsch ist, was die inhaltlichen Gegner sagen“. Heute hingegen würde er einen solchen Briefwechsel nicht mehr führen. Das hat vor allem mit Kubitscheks Beobachtung durch den Verfassungsschutz zu tun. Und seiner Nähe zu Björn Höcke. Zumindest bei diesem zeige sich eine „Delegitimierung und Destabilisierung demokratischer Verfahren. Wenn das droht, ist eine Beobachtung und Prüfung sehr wohl angezeigt.“

Mit einem Angriff auf die Demokratie begründen die Verfassungsschutzämter des Bundes und des Landes Sachsen-Anhalt ihre Maßnahmen allerdings nicht. Bei ihnen steht im Vordergrund, dass das IfS „ethnischen Minderheiten die Zugehörigkeit zum Staatsvolk“ verwehren wolle oder gar ausgewählten Personengruppen „pauschal negative Eigenschaften“ zuschreibe. Beides sei mit Artikel 1 des Grundgesetzes nicht vereinbar.

Fragt man bei den Verfassungsschutzämtern nach, wie sie ihr folgenreiches Urteil inhaltlich begründen, erhält man aus Magdeburg bloß die Antwort, dass man sich dazu nicht äußern wolle. Das Bundesamt ist da offenherziger. Kubitschek bekenne sich zum Konzept des „Ethnopluralismus“, also dem Erhalt verschiedenartiger Kulturen und Völker. Zwar schließe das Einbürgerungen „nicht komplett“ aus, aber man verlange von den Eingebürgerten eben Assimilation und „nicht nur eine Integration“. Zudem würden die Eingebürgerten „nicht als ‚deutsch‘“ angesehen und könnten von Kubitschek folglich „auch nicht als Teil des Staatsvolkes“ verstanden werden. 

Fragt man bei Kubitschek selbst nach, wie es sich bei ihm mit dem Staatsvolk und der Einbürgerung verhält, bekommt man eine etwas andere Antwort. Deutscher im Sinne des „Staatsvolkes“ und damit Staatsbürger könne demnach werden, „wer sich assimiliert, wenigstens aber loyal integriert.“ Allerdings dürfe die Staatsbürgerschaft in diesen Fällen nicht leistungslos verschenkt werden, sondern müsse auf Verdienst beruhen. Und sie stoße auch auf eine quantitative Grenze des Verträglichen.

Eilantrag gegen den Verfassungsschutz

Und selbst in der Frage, ob „Fremde“ irgendwann im ethnischen Sinne dem „deutschen Volk“ zugehören können oder nicht, scheint Kubitschek eine andere Auffassung zu haben, als der Verfassungsschutz von ihm glaubt: „Es gibt Angehörige des Staatsvolks, die nicht zur Herkunftsgemeinschaft der Deutschen gehören. Manche davon gehen früher oder später im deutschen Volk auf, manche nicht, aber auch sie sind im Sinne einer tragfähigen Bestimmung des Staatsvolks Deutsche.“ Der Frontmann des IfS stellt sich das „deutsche Volk“ und „die Fremden“ in Deutschland also offenbar als zwei Kreise vor, deren Schnittmenge das „Staatsvolk“ bildet, und die in Teilen sogar miteinander verschmelzen können. 

Der Verfassungsschutz dürfte das für eine bloße rhetorische Ausflucht halten. Neue Nahrung für eine solche Einschätzung hat Kubitschek erst wenige Tage vor dem Weihnachtsfest geliefert. Im Rahmen einer Vorstellung der aktuellen Ausgabe der Institutszeitschrift „Sezession“ äußerte er größtes Unverständnis für Konservative, die sich im Interesse der „Volksgesundheit“ für einen starken Staat aussprächen, der auch die Impfpflicht gegen Corona durchsetzen solle. Für Kubitschek kommt das einer Verwechslung der Idee vom Staat mit seiner realexistierenden bundesrepublikanischen Wirklichkeit gleich: „Diesem Staat keinen Gehorsam!“, bekannte er unzweideutig. 

Obwohl Kubitschek zunächst ausschloss, gegen den Verfassungsschutz vor Gericht zu ziehen, hat sich die Lage nunmehr geändert: Seit einigen Wochen liegt dem Verwaltungsgericht Magdeburg ein Eilantrag gegen den Verfassungsschutz vor. 

Ein Rechtsstreit mit den beiden Professoren wegen unerlaubten Abdrucks der Briefwechsel hat sich längst auf anderem Wege erledigt. Leggewie forderte stattdessen nachträglich ein moderates Autorenhonorar von 500 Euro ein, erhielt es auch und spendete nach eigenen Angaben die doppelte Summe an Opfer rechter Gewalt. Nassehis Anwältin riet von einer rechtlichen Auseinandersetzung in der Sache gleich ganz ab. Das Risiko zu verlieren sei zu hoch. Es handele sich urheberrechtlich um eine „Grauzone“. Ein Honorar wollte Nassehi allerdings nicht haben: „Das hätte den Abdruck nachträglich auch noch legitimiert.“

Anzeige