Streit um Maskenpflicht - Es lebe das Gesichtskondom!

Es ist unverantwortlicher Unsinn gegen den Mund- und Nasenschutz ins Feld geführt worden, als er Pflicht wurde in Bussen, Bahnen und Läden. Inzwischen weiß man, wie effizient dieses simple Mittel schützt. Der Fehler sollte nun nicht ein zweites Mal gemacht werden.

Mit gutem Beispiel voran: Auch Merkel trägt jetzt Maske / dpa
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Christoph Schwennicke war bis 2020 Chefredakteur des Magazins Cicero.

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Manchmal wünschte man sich Masken, die auch Schall schlucken. Und manchmal muss man Leute in verantwortlichen Positionen an den Unsinn erinnern, den sie in unverantwortlicher Weise verzapft haben. Ende April war es, die Maskendebatte war in vollem Gange und die Pflicht, sie zu in Bussen und Bahnen zu trage, gerade flächendeckend eingeführt, da behauptete Frank-Ulrich Montgomery, die Masken seien nicht nur unnütz, sondern sogar gefährlich. Schals, Tücher oder „irgendein Lappen vor dem Gesicht" könnten durch die Ansammlung von Viren im Stoff oder dadurch, dass sie unsachgemäß abgelegt oder aufgesetzt würden, sogar gefährlich sein.

Theoretisch müsse ein Schal dann auch zwei Mal am Tag gewaschen werden. „Welcher Politiker glaubt, dass die Menschen ihre Schals in Zukunft zweimal am Tag waschen?", sagte der Mann, der sich „Weltärztepräsident“ nennt, was ihm die Nachfrage nach öffentlicher Befragung sichert.

Der „Lappen vorm Gesicht“ stoppt das Virus

Inzwischen steht außer Frage, was auch damals schon jedem einigermaßen vernunftbegabten Laien klar sein konnte: Dieser „Lappen vor dem Gesicht“ ist eine ebenso einfache wie wirkungsvolle Maßnahme, das Virus in seiner Verbreitung aufzuhalten. Es wäre interessant, die asiatische Sektion der Weltärzte zum verantwortungslosen Geschwätz ihres Präsidenten zu hören. Dort werden diese Masken seit Jahr und Tag prophylaktisch getragen. Und diese Weltregion hat mehr Erfahrung mit Epidemien als wir hier in Europa. 

Mit der Begründung Montgomerys könnte man übrigens auch Kondome als Verhütungsmittel verteufeln. Denn  bei falscher Anwendung bringen die auch nichts. Und defekte oder fehlerhaft produzierte Kondome verhindern weder eine Schwangerschaft noch eine Geschlechtskrankheit. Dennoch sind Kondome zu Recht ein weltweit anerkanntes und probates Verhütungsmittel. Die Weltärzte sollten sich bei ihrer nächsten Hauptversammlung (mutmaßlich digital) einmal fragen, wen und welche Kompetenz sie sich da an ihre Spitze gewählt haben. 

Lusttöter der Konsumlibido

Es ist richtig: Die deutsche Bundesregierung hat sich in den ersten Monaten der Pandemie in Sachen Masken blamiert. Die Maskenpflicht wurden so lange für nicht wirklich hilfreich bezeichnet, wie keine da waren für eine flächendeckende Versorgung. Weshalb sie dann dennoch seit Jahr und Tag in jeder einfachen Tierarztpraxis benutzt werden und jeder verantwortungsvolle Zahnarzt sich seit Jahren mit diesem Schutz über den Patienten auf dem Behandlungsstuhl beugt, blieb damals schon das Geheimnis von Gesundheitsminister Jens Spahn. 

Jetzt wird die Maske zum Dingsymbol für einsetzenden Verdruss gegen die einstweilen dauerhafte Existenz des Virus. Manche stilisieren sie zu einer Art Gasmaske, hinter der man keine Luft bekommt. Andere machen das Gesichtskondom zu einer Art Lusttöter der Konsumlibido

Kleine Einschränkung, große Wirkung

Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich in den vergangenen Tagen nicht unbedingt verdient gemacht um die allgemeine Akzeptanz des Mund- und Nasenschutzes. Als sie gefragt wurde, warum sie keine trage, antwortete sie, dass sie ja die Abstandsregeln einhalte. Kurz darauf waren mehrere Fotos im Umlauf, auf denen man sie küssend, umarmend und Arm in Arm mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sah. Soweit bekannt ist, leben die Kanzlerin und ihre frühere Ministerin nicht in einem Haushalt. Ihr Gebaren konterkarierte all ihr Reden und Bitten an die Bevölkerung, weiterhin Vorsicht walten zu lassen und sich an die Regel zu halten. Maskenmuffel konnten sich von ihr bestätigt fühlen. 

Offenbar hat man das PR-Desaster im Kanzleramt erkannt. Merkel trägt jetzt Maske, ein EU-Modell, und sie hat den Ermüdungserscheinungen gegenüber dem Mundschutz in ihrer eigenen Partei Einhalt geboten. Sie sprach sich ebenso wie Markus Söder und andere dafür aus, die Maskenpflicht auch im Einzelhandel beizubehalten. 

„Kondome schützen“, hieß es in aufwändigen Kampagnen zu Zeiten von Aids. Masken schützen nachweislich in Zeiten von Corona. Vor allem das Gegenüber. Und vor einem möglichen nächsten Lockdown. Allein das sollte Motivation genug sein, das Ding zu tragen, das irgendwann hinter den Ohren kneift. Die Maske ist eine kleine Einschränkung des eigenen Komforts, eines einzelnen Menschen, mit einer großen Wirkung für die (Mit)-Menschheit. Alle, die daran herumnnölen, aus welchen Gründen auch immer, sollten sich dessen bewusst sein, wenn sie den Lappen vorm Gesicht schlecht machen und damit einer Maskenmüdigkeit Vorschub leisten.   

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