GroKo-Personaldebatte - Zum Trost darfst du Minister sein

Union und SPD erwecken den Eindruck, als spielten bei der Vergabe der Ministerämter allein persönliche Befindlichkeiten und Parteigeklüngel eine Rolle. Das könnte fatale Auswirkungen auf die Kompetenz des Kabinetts haben. Dem Ansehen von Politik schadet es ohnehin

„Du hast mir doch damals das Außenministerium versprochen, wenn ich nicht kandidiere!“ / picture alliance
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Yves Bellinghausen ist freier Journalist, lebt und arbeitet in Berlin und schreibt für den Cicero.

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„Inhalteee, lassen Sie uns doch bitte über die Inhalteee sprechen!“, entgegnen Politiker von Union und SPD dieser Tage, wenn Reporter sie auf Ministerposten ansprechen. Klingt eigentlich sehr vernünftig. Doch bahnen sich im kommenden Kabinett ein paar Kandidaten an, die auf recht absurde Weise zu ihrem Amt gekommen sind.

Anscheinend besonders beliebt im 24. deutschen Regierungskabinett: das Ministeramt als Trostpreis. Innerhalb der SPD war dabei das Trost-Ministeramt Außenministerium besonders umkämpft. Verständlich: Den Außenminister umgibt eine Aura des Kosmopolitischen und zudem sind die Beliebtheitswerte deutscher Außenminister traditionell sehr hoch. Der geschäftsführende Außenminister Sigmar Gabriel etwa ist zurzeit der beliebteste deutsche Politiker. Er würde sein Amt gerne behalten. Aber Wahlverlierer Martin Schulz befand, er habe sich das Amt nach dem zugegeben harten Jahr 2017 doch eigentlich selbst verdient – Trostpreis. Da schreckte Sigmar Gabriel plötzlich hoch: Das Außenministerium, das war doch sein Trostpreis! Damals, als er auf die Kanzlerkandidatur verzichtet hatte! Respektlos sei der „Wortbruch“ der Parteiführung und sehr haarig fände seine Tochter den Mann, der ihm seinen Trostpreis nun streitig machen will!

Horst Seehofer war klüger

Für viele in der SPD war das nun doch ein wenig zu schrill. Und so könnte die Pointe des absurden Streits um das Außenministerium sein, dass letztlich keiner von beiden zu seinem Trostpreis kommt. 

Etwas klüger gemacht hat es Horst Seehofer. Nach der aus CSU-Sicht verpatzten Bundestagswahl gab er dem Druck seiner Partei nach. Er wurde nicht ausfällig, sondern machte Platz für seinen Erzrivalen Markus Söder. Die Partei dankt mit dem Innenministerium. Um den Abschied nicht zu schwer zu machen aus Bayern, der „Vorstufe zum Paradies“. Und – ach, was soll der Geiz? – aus dem Innenministerium lässt sich flugs ein Heimatministerium machen und die Zuständigkeit fürs Bauen gibt es obendrauf, für den bayerischen Ministerpräsidenten, der selbstlos von seinem Thron steigt.

Politikverdrossene dürfen sich bestätigt fühlen

Aber Deutschland sei doch keine Monarchie, beschwerte sich CDU-Politiker Jens Spahn in der österreichischen Presse am Sonntag gegenüber seiner eigenen Partei. Nicht etwa, weil die CDU Trost-Ministerämter vergibt. Sondern weil die Stimmen in der CDU lauter werden, Merkel solle einen neuen Kanzlerkandidaten aufbauen. Roland Koch, ehemaliger hessischer Ministerpräsident, sagte der FAZ, Merkel solle ihre Nachfolge regeln. In ihrem eigenen Interesse solle sie „die nächste Generation ins Kabinett holen“. Ein Ministeramt, um die eigene Nachfolge zu regeln?

In der perfekten Demokratie sollte doch der Fähigste Minister werden oder der mit der meisten Erfahrung oder wenigstens der, dem die meisten Menschen vertrauen. Schon klar, das ist ein frommer Wunsch: Wer Minister wird und wer nicht, hängt immer auch von Persönlichem und von Parteipolitik ab, das ist zunächst einmal nichts Neues.

Ein Kabinett als Resterampe

Was aber im Moment besonders irritiert, ist die Selbstverständlichkeit, mit der SPD und CSU die wichtigsten Ämter als Dankeschön für altgediente Parteigranden ausgeben und die CDU Ministerposten dazu nutzen will, Merkels Nachfolger „aufzubauen“. Im schlimmsten Fall hätten wir am Ende ein Kabinett, in dem die prestigeträchtigsten Posten von alten Männern besetzt werden, die von ihren Parteien auf die Resterampe geschoben wurden und sich gedanklich schon mal auf die Pensionierung einstellen. Und die anderen, weniger prestigeträchtigen Posten? In denen wetteifern dann die Neulinge darum, sich zu profilieren und den nächsten Schritt auf der Kabinettsleiter zu erklimmen. Wer ohnehin politikverdrossen ist und an der Parteiendemokratie zweifelt, wird sich bestätigt sehen. 
 

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