Markus Söder und die CSU - Aufbruch am Abgrund

Der Machtkampf in der CSU ist entschieden: Markus Söder wird neuer Ministerpräsident von Bayern und beerbt Horst Seehofer. Doch Söder wird die Existenzkrise der CSU kaum beenden können. Längst wird in der Partei schon über ganz neue Wege diskutiert

Ende eines zähen Kampfes: Horst Seehofer übergibt in Bayern an Markus Söder / picture alliance
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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Der Machtkampf in der CSU war brutal, jetzt ist er entschieden. Markus Söder wird neuer bayerischer Ministerpräsident und damit der neue starke Mann in der CSU. Horst Seehofer macht nicht ganz freiwillig Platz für seinen Nachfolger. Zum Trost darf er auf seine alten Tage eine Ehrenrunde als Parteivorsitzender drehen und wird vielleicht noch einmal Minister in Berlin. Aber dem 50-jährigen bisherigen Finanz- und Heimatminister gehört die Zukunft, zumindest für die kommenden neun Monate. Denn welche Zukunft die CSU tatsächlich hat und damit auch Markus Söder, wird erst bei der bayerischen Landtagswahl im September 2018 entschieden. Und der Richtungsstreit, vor dem die CSU anschließend steht, könnte noch viel brutaler werden.

Seehofers Alternativen nicht überzeugend

Noch bis Ende vergangener Woche hatte Seehofer versucht, Söder zu verhindern und mögliche personelle Alternativen in Stellung zu bringen. Doch überzeugend waren diese alle nicht. Weder der bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner noch dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann traute die große Mehrheit der Strippenzieher in der CSU einen erfolgreichen Landtagswahlkampf zu. In ihrer Not schart sich die Partei stattdessen hinter Söder, der sich in den vergangenen Jahren mit großer Beharrlichkeit ein festes Netzwerk von Unterstützern in ganz Bayern aufgebaut, sich mit seinem burschikosen Politikstil aber auch Feinde gemacht hat.

Die Angst vor einem Ende des bayerischen Sonderweges und einem dauerhaften Bedeutungsverlust ist in der CSU so riesig, dass die Söder-Gegner in der CSU alle ihre Bedenken beiseitegeschoben haben und am Ende selbst Seehofer einlenkte. Jede andere Entscheidung des CSU-Vorstandes und der CSU-Landtagsfraktion hätte den Machtkampf in der CSU weiter angeheizt, hätte die Partei zerrissen. Gleichzeitig sind die Erwartungen der Partei hoch, die Sehnsucht nach einem Retter groß. Markus Söder muss die absolute Mehrheit für die CSU in Bayern liefern, die seit dem Absturz auf 38,8 Prozent bei der Bundestagswahl akut gefährdet ist. Und eigentlich ist diese Erwartung kaum zu erfüllen.

Ein Zwischenfrieden für die CSU

Bei 37 Prozent steht die CSU laut Umfragen derzeit in Bayern. Um wieder die absolute Mehrheit zu erreichen, muss die Partei im jetzt beginnenden Wahlkampf nicht nur 13 Punkte zulegen. Sie hätte mit der FDP, den Freien Wählern und der AfD viel Konkurrenz im bürgerlichen Lager und müsste vor allem die Rechtspopulisten unter die Fünf-Prozent-Hürde drücken. Was schon deshalb schwierig sein dürfte, weil die CSU sich in den kommenden Monaten kaum gegen den Bund und gegen Angela Merkel profilieren können wird. Schließlich sucht sie in Berlin zusammen mit der Schwesterpartei CDU weiterhin nach einem Koalitionspartner, umwirbt die SPD und muss sich möglicherweise auf Neuwahlen im Bund einstellen.

Ob sich in der CSU nun wieder alle lieb haben, darf also bezweifelt werden. Vermutlich beginnt stattdessen nur eine kurze Phase des Zwischenfriedens. Natürlich: Gelingt Söder der Wahlerfolg, wird ihm die CSU zu Füßen liegen und Söder wird die Chance nutzen und auch nach dem Parteivorsitz greifen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass es selbst Markus Söder nicht gelingen wird, ein politisches Wunder zu vollbringen.

Kommt der Bruch mit der CDU?

Nach der Landtagswahl wird die CSU stattdessen vermutlich vor der bitteren Erkenntnis stehen: Auch Markus Söder bringt die alte christsoziale Herrlichkeit nicht zurück. Strategische Zukunftsfragen werden sich, wenn der bayerische Sonderweg im kommenden Herbst beendet sein sollte, für die CSU sehr viel grundsätzlicher stellen. Und der Richtungsstreit wird unter völlig neuen Vorzeichen fortgesetzt werden. Der Verlust der absoluten Mehrheit bei der bayerischen Landtagswahl wäre eine Niederlage, die für die Partei die Existenzfrage aufwerfen würde. Selbst wenn sie in einer Koalition das Bundesland weiter regieren würde.

Längst gibt es in der CSU Vordenker, die spätestens seit der Flüchtlingskrise an dem Bündnis mit der CDU grundsätzlich zweifeln, denn offenbar ist die Arbeitsteilung zwischen den Schwesterparteien für die CSU in Bayern kein Erfolgsgarant mehr. Weil die stolzen Bayern nicht als 16. Landesverband der CDU enden wollen, gibt es in der Partei längst Planspiele sich von der CDU loszusagen. Die Überlegungen jedoch gehen in zwei völlig unterschiedliche Richtungen. Die einen wollen sich als Regionalpartei nach dem Vorbild der Lega Norte in Italien oder der Scottish National Party ganz auf Bayern konzentrieren, andere denken eher daran, sich in Konkurrenz zur CDU als konservative Alternative bundesweit auszudehnen.

Nach der Bundestagswahl 2017 blickte die CSU in einen politischen Abgrund, nach der Landtagswahl 2018 wird sie trotz Markus Söder aller Voraussicht nach feststellen müssen, dass dieser Abgrund noch einen Schritt näher gekommen ist.

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