Markus Blume - Das konservative Momentum

Markus Blume ist der intellektuelle Kopf der CSU und die konservative Nachwuchshoffnung aus Bayern. Jetzt wird er CSU-Generalsekretär. Wir hatten ihn deshalb schon im November porträtiert

Erschienen in Ausgabe
Er sei einer der wenigen, der noch erklären könne, was moderner Konservatismus sei, sagen Parteifreunde / Foto: Dirk Bruniecki
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Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Wenn Markus Blume das Gebäude der neuen CSU-Zentrale in München verlässt, tritt er in die Welt des globalisierten Kapitalismus ein. Amazon, Microsoft und IBM heißen die unmittelbaren Nachbarn. Aus der Innenstadt ist die CSU im vergangenen Jahr in die Parkstadt Schwabing gezogen. Nichts zu sehen gibt es hier von weiß-blauer Gemütlichkeit und bayerischem Barock. Hinter den Glasfassaden wird stattdessen der Handel neu erfunden oder das Internet der Dinge entwickelt. Unternehmenssprache ist Englisch. 

Der CSU-Landtagsabgeordnete und Vize-Generalsekretär kommt richtig ins Schwärmen angesichts dieser Nachbarschaft, und gleichzeitig ist Blume überzeugt, dass die CSU hier am richtigen Ort ist, um die „Renaissance des Konservatismus“ auszurufen und über Sicherheit und Ordnung zu sprechen. „Die Veränderungsgeschwindigkeit macht vielen Menschen Sorge.“ Angesichts des dramatischen Wandels in der Welt sei es die Aufgabe der CSU, „Fortschritt zu gestalten, also Veränderungen abzufedern und die Menschen mitzunehmen“. „Der Zeitgeist ist konservativ“, frohlockt er, „diesen Rückenwind sollten wir nutzen.“

Der Anspruch: eine Volkspartei sein

Bei der Bundestagswahl hat die CSU keinen Rückenwind gespürt. Der Schock über den Absturz auf 38,8 Prozent sitzt tief. „Der 24. September stellt eine Zäsur dar“, sagt Blume, „die Koordinaten im Parteiensystem verschieben sich.“ Und: „Die Anstrengung, Volkspartei zu bleiben, ist größer geworden. Aber wenn die CSU diesen Anspruch aufgäbe, würde sie unweigerlich ihren Abstieg einleiten.“

Als Abiturient tritt Markus Blume 1994 in München in die Junge Union ein. „Schuld“ gibt er mit einem Augenzwinkern seiner Sozialkundelehrerin, „die hat bei mir die Lust am Widerspruch geweckt, aber zugleich die Leidenschaft für die Politik“. Nach dem Abitur studiert er Physik und Politikwissenschaft. Wieder setzt sich die Leidenschaft für die Politik durch. Er arbeitet als Unternehmensberater und wird 2008 in den Landtag gewählt. Eigentlich wollte Blume schon 2003 in die Landespolitik wechseln, aber da wurde er Opfer innerparteilicher Intrigen. Bei der Kandidatenaufstellung wurden zu seinen Lasten Mitgliedsanträge gefälscht. Ihm drohte gar der Parteiausschluss, weil er den Skandal öffentlich machte. 

Der Leerraum rechts der Mitte

Inzwischen ist Blume in der CSU für die großen politischen Linien zuständig. Der 42-Jährige leitet die Grundsatzkommission und hat maßgeblich das im vergangenen Jahr verabschiedete Grundsatzprogramm mitgeschrieben. Er sei einer der wenigen, der noch erklären könne, was moderner Konservatismus sei, sagen Parteifreunde und prophezeien ihm eine große politische Zukunft. 

Sorgen machen Blume alle schnellen Erklärungen zur Wahlniederlage sowie alle Durchhalteparolen jener Christdemokraten, die damit zufrieden seien, dass die Union wieder stärkste Partei geworden ist und ohne sie keine Regierung gebildet werden kann. Und dann zieht er ein Blatt Papier aus seiner Jackentasche. Es zeigt die Ergebnisse einer Langzeitbefragung. Seit 1994 hat Infratest Dimap die Deutschen gefragt, wo sie die Parteien auf einer Rechts-Links-Skala einordnen. In den vergangenen 13 Jahren ist die CDU in der Wahrnehmung der Wähler immer weiter nach links gewandert. Rechts der Mitte gibt es nur noch die CSU und einen immer größeren Leerraum, in den Blume ein rotes Dreieck gezeichnet hat. Es markiert die Vertretungslücke, der die AfD ihren Wahlerfolg verdankt. Für Blume heißt dies: Wer die Mehrheitsfähigkeit der Union langfristig sichern wolle, „muss allen bürgerlichen Überzeugungen politische Heimat bieten: liberalen und christlich-sozialen genauso wie konservativen.“ Das sei die Aufgabe für die kommende Landtagswahl in Bayern.

Jamaika als Chance

Aus der Grafik liest Blume noch eine zweite große Gefahr für CDU und CSU heraus. Der Abstand zwischen den beiden Schwesterparteien sei heute so groß wie nie zuvor. Ein solcher Spagat sei sehr gefährlich, „wenn der eine links blinkt und der andere rechts, führt das zu einem Glaubwürdigkeitsproblem“, das sei bei der Bundestagswahl offenbar geworden. Deshalb müssten CDU und CSU wieder als Union zusammenfinden, „auf ihrem angestammten Platz rechts der Mitte“. 

Ausgerechnet in einem Jamaika-­Bündnis soll das gelingen. Blume ist skeptisch. Funktionieren könne es nicht als Summe von Parteiegoismen, sondern nur mit einer klaren bürgerlichen Handschrift.

Und schon beginnt er eine Erzählung zu entwerfen, die auf vier Parteitagen bestehen kann. „Vielleicht ergibt sich aus der Not heraus die Chance, große gesellschaftliche Konflikte zu befrieden.“ Jamaika könne „Brücken bauen“, zwischen Weltoffenheit und Heimat, Wirtschaft und Ökologie, Fortschritt und sozialer Sicherheit. Natürlich werde es schwierig, weiß er, Hoffnung macht ihm, dass es in allen Parteien ein „konservatives Momentum“ gebe, „sogar bei den Grünen“.

Dieser Text stammt aus der November-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder in unserem Online-Shop erhalten.

 

 

 

 

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