Bayerische Unkenrufe kurz vor der Bundestagswahl - Die CSU gibt offenbar die Wahl verloren

CSU-Generalsekretär Markus Blume macht sich laut Gedanken darüber, was im Fall einer Wahlniederlage zu passieren hat. Das ist in mehrerer Hinsicht ein Signal: Ein Sieg ist nicht mehr drin – und Schuld daran ist die CDU. Aber die CSU hat auch ganz pragmatische Gründe dafür, in Berlin künftig lieber Opposition zu sein.

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Es gibt ein paar eherne Gesetze in der Politik. Eines davon lautet: Und sind die Aussichten noch so schlecht, so darf man nie, aber auch wirklich niemals laut darüber nachdenken, was man im Fall einer Wahlniederlage zu tun gedenkt. Wer so etwas macht, hat eigentlich schon verloren. Denn welcher Wähler will seine Stimme einer Partei geben, die keine Siegesgewissheit ausstrahlt? Wer findet potentielle Loser sexy? Niemand. Deswegen ist es auch oberste Politiker-Pflicht, selbst die miserabelste Umfragen-Lage mit den Worten schönzureden, das wäre ja nur eine Momentaufnahme. Und am Sonntag punkt 18 Uhr, da würde sich schon noch zeigen… Und überhaupt. Bla, bla, bla.

CSU-Generalsekretär Markus Blume aber hat soeben auf (fast) jegliches Blabla verzichtet. Dem Sender RTL sagte er wörtlich: Im Fall eines schlechten Wahlergebnisses für die Union müssten „die notwendigen Erkenntnisse und Erneuerungen in den Blick genommen werden“. Bei der CSU habe man das bereits getan – gleichwohl sei es „insgesamt nochmal notwendig“. 

Damit ist die Sache eigentlich klar: Die CSU gibt die Bundestagswahl verloren – und schiebt die Niederlage vorauseilend der großen Schwesterpartei in die Schuhe. Es geht Blume (und damit Markus Söder) jetzt nicht mehr nur darum, den „gemeinsamen“ Kanzlerkandidaten Armin Laschet als Sündenbock zu benennen. Aus bayerischer Sicht hat vielmehr die CDU als solche versagt, indem sie es nicht vermocht hat, sich zu modernisieren.

Schwindende Strahlkraft

Was ja auch stimmt und für jeden offensichtlich ist, der den konzeptionslosen Laschet-Wahlkampf nur aus den Augenwinkeln verfolgt hat. Sein soeben absolvierter Auftritt mit der Bundeskanzlerin in Stralsund war mal wieder beispielhaft für die schwindende Strahlkraft der Christdemokraten: kaum Publikum, stattdessen etliche Pöbler, uninspirierte Reden, eine grottenschlechte Regie. Dass der liebe Gott es auch noch in Strömen hat regnen lassen – immerhin das ist der CDU nicht anzulasten. Sehr wohl aber die Tatsache, dass diese Partei den Machtübergang von Merkel zu wem auch immer komplett versemmelt hat. Gewiss war das keine leichte Aufgabe. Aber dass ausgerechnet Wolfgang Schäuble himself nichts Besseres einfällt, als die Schuld dafür bei der Kanzlerin zu suchen: Das sagt eigentlich schon alles über den Zustand dieser Partei.

Vor diesem Hintergrund klingen die Worte von Markus Blume sogar noch brutaler. Denn weil ja die CDU erkennbar der Erneuerung bedarf, gehört sie der Logik des CSU-Generalsekretärs zufolge nirgendwo anders hin als in die Opposition. Da fügt es sich bestens, dass sich die Hinweise darauf verdichten: Am Ende eines vielleicht gar nicht so knappen Rennens wird Olaf Scholz am Sonntagabend tatsächlich vorn liegen. Damit aber bei den Christdemokraten bloß keiner auf die Idee kommen möge, auch aus dem zweiten Platz einen Regierungsauftrag abzuleiten, stellte Blume genau dies noch einmal ausdrücklich klar: Dieses Privileg falle nur der Partei zu, die als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgeht: „Am Ende geht es uns ausschließlich um Platz eins.“

Fassen wir zusammen, wie sich die Lage der Dinge für Markus Blume (und damit für Markus Söder) darstellt: Die Union wird am Sonntag nicht stärkste Kraft. Sie muss sich deshalb erneuern. Und weil sie den Regierungsauftrag verpasst hat, wird dies in der Opposition zu geschehen haben. Hätte sich die CDU mehr Mühe gegeben (sprich: Söder zum Kanzlerkandidaten gekürt), wäre den Schwesterparteien dieses Elend erspart geblieben. Leider hängt die CSU in der ganzen Sache jetzt halt mit drin, weil sich die große Schwester im Gegensatz zur kleinen Schwester nicht früh genug ein neues Makeup aufgelegt hat. So lautet die Geschichte aus Perspektive der Münchener Staatskanzlei.

„Du lässt Dich gehen!“

Das ist natürlich starker Tobak. Dagegen ist der „Asyl-Streit“ zwischen Angela Merkel und Horst Seehofer, der 2018 beinahe zum Bruch zwischen CDU und CSU geführt hatte, fast ein laues Lüftchen. Denn beim jüngsten Blume-Vorstoß geht ja nicht nur um eine sachpolitische Auseinandersetzung – sondern ums Grundsätzliche. Das ist ungefähr so erbarmungslos, wie wenn eine Frau ihrem Gatten nach 25 Ehejahren kühl mitteilt: „Du lässt Dich gehen!“ Damit ist eigentlich alles gesagt. Danach geht man allenfalls noch zum Paar-Therapeuten. Aber ganz sicher nicht gemeinsam ins Bett.

Für Söder und seine CSU gibt es natürlich noch ein paar ganz pragmatische Gründe, im Bundestag künftig lieber die Oppositionsbänke zu drücken. Da sind zum einen die bayerischen Landtagswahlen im übernächsten Jahr: Eine innerhalb der Bundesregierung geschwächte Union verspricht in dieser Hinsicht alles andere als Rückenwind (zumal auf Bundesebene demnächst schmerzhafte Reformen anstehen). Da ist es allemal besser, wenn die CSU 2023 in Berlin nicht mit in der Verantwortung steht. Und außerdem könnte Söder in vier Jahren triumphierend seinen zweiten Anlauf als gemeinsamer Kanzlerkandidaten-Kandidat von CDU und CSU nehmen.

Kurzum: Für den bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden ist es eigentlich besser, wenn die Union am Sonntagabend hinter der SPD liegt – anstatt ein oder zwei Prozentpünktchen vor den Sozialdemokraten. Und Markus Söder tut schon seit Wochen fast alles dafür, dass es exakt so kommt.

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