Manuela Schwesig - Eine, die will

Nur jetzt noch nicht: Unter den drei kommissarischen SPD-Chefs ist Manuela Schwesig die einzige mit weiteren Ambitionen. Aber erst nach ihrer Landtagswahl

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Manuela Schesig baut sich derzeit ihre Machtbasis auf, um die Landtagswahl 2021 zu gewinnen / picture alliance
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Michael Seidel ist Chefredakteur der Schweriner Volkszeitung.

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Hoch im Norden weht ein rauer Wind“, sang ein Shanty-Chor zum Auftakt des SPD-Landesparteitags Ende März im Warnemünder Kurhaus. Zu dem Zeitpunkt war Manuela Schwesig als Ministerpräsidentin und Landesparteichefin angeschlagen. Ihre Umfragewerte waren schlecht. Ihre teils rüde Personalpolitik in Partei wie Regierung wurde kritisiert. Es grummelte in der Nordost-SPD. Einige Genossen schlossen Wetten ab, mit wie viel Prozent die Parteibasis die Chefin abstrafen würde. Es grummelte auch in der Wirtschaft: Als „Ankündigungsregierung“ firmierte Schwesigs Kabinett inzwischen. 

Doch dann kam ihr Auftritt im Kurhaus: Manuela Schwesig auf offener Bühne. Ohne Rednerpult, stattdessen mit Headset. Eine geschlagene Stunde deklinierte die Frau, an der sich im Lande die Geister scheiden, ihre Agenda für das Land und ihre Partei in freier Rede. Eine Agenda, in der bundespolitischer Gestaltungswille mitschwang. Am Ende bestätigten die Delegierten sie mit 94,8 Prozent für weitere zwei Jahre im Amt. Das beste Ergebnis aller Parteichefs seit 1990. Fast 4 Prozentpunkte mehr noch, als sie zwei Jahre zuvor wie einen Vorschuss bekommen hatte, als sie das Amt von ihrem krebserkrankten Mentor Erwin Sellering übernahm. 

„Gewinn doch erst mal eine Wahl“

Mit solchem Rückhalt ausgestattet, empfahl er Schwesig, die seit 2009 auch eine der stellvertretenden Bundesvorsitzenden der Sozialdemokraten ist, „für Höheres“, wie es in ihrem Umfeld hieß. Da ahnte noch niemand, dass mit dem 2. Juni, dem Tag des Rücktritts von Parteichefin Andrea Nahles, die Frage plötzlich ganz konkret im Raum stehen würde. Einen Tag später präsentierte sich Schwesig als Teil der dreiköpfigen Interimsführung – mit dem prompten Bekenntnis, selbst nicht als neue Vorsitzende zur Verfügung zu stehen. Ihre Begründung, der Parteivorsitz erfordere Kraft und Präsenz in einem Ausmaß, das sich nicht mit dem Ministerpräsidentenamt in Mecklenburg-Vorpommern verbinden lasse, klang ehrenwert. 

Doch das dürfte nicht der einzige Beweggrund für Schwesigs Verzicht gewesen sein. Denn zu Hause hat die Machtpolitikerin in zwei Jahren erstmals eine Landtagswahl zu bestehen. Bisher gelangte sie in alle ihre Ämter seit 2009 eher durch „Berufung“. Diesen Makel will sie unbedingt loswerden. „Gewinn doch erst mal eine Wahl“ – diesen Spruch hört sie nicht nur aus dem „Flurfunk“. Aber sie ist auch selbst überzeugt, dass die jenseits des Landes am Boden liegende SPD sich nur über die Länder regenerieren werde. 

Wer sich mit Schwesig auf ein Gespräch einlässt, muss sich fachlich wie rhetorisch wappnen. Jede noch so flüchtige Konversation – etwa auf Empfängen – nutzt sie mindestens, um die Meinung des Gesprächspartners zu einem konkreten Thema herauszukitzeln. Selbst geübte Talkerinnen wie Maybrit Illner oder Anne Will mussten schon die Erfahrung machen, dass Schwesig sich nicht abwürgen lässt. Vielmehr quatscht sie Partner wie Gegner notfalls platt. Schwesig kann Emotionen skalieren. Von freundlich, charmant, gewinnend vermag sie blitzschnell umzuschalten – auf scharfe Attacke, beißenden Spott oder gar demonstrative Herablassung. 

Niemand wagt die Attacke

Ihre Kabinettsmitglieder können davon ein Lied singen. CDU-Innenminister Lorenz Caffier, der sie einst als „Küstenbarbie“ tituliert hatte, hält heute respektvollen Abstand. Niemand in der Landes-CDU wagt die Attacke. Dabei wäre manches geeignet, ihre Position ins Wanken zu bringen: die schlechte Performance einiger ihrer Fachminister oder die Ansammlung von Parteigetreuen in der Staatskanzlei. 

Als Schwesig 2009 ins Schattenkabinett von Bundeskanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier berufen wurde, dürfte das noch unter dem Kalkül „jung, weiblich, aus dem Osten – und vorzeigbar“ erfolgt sein. Damals war sie gerade ein Jahr lang Sozialministerin in Schwerin – als damals jüngste Ministerin bundesweit. Ihr Förderer Erwin Sellering sah in der 34-jährigen Diplomfinanzwirtin das Potenzial, einen Brückenkopf in Berlin zu etablieren. Im Gegensatz zu ihren Amtsvorgängern, die bundespolitisch eher im Hintergrund agierten, ist sie nicht nur medial in Berlin präsent.

Zu Beginn ihrer Karriere hatte sie den Küstenbarbie-Anwurf kühl abtropfen lassen: „Frauen begegnet es oft, dass sie zunächst über Äußerlichkeiten definiert werden. Frauen müssen immer beweisen, dass auch in ihrem Kopf etwas Kluges drinsteckt. Ich habe mich daran gewöhnt“, so Schwesig damals. Heute baut sie sich zu Hause eine Machtbasis auf, um bei der Landtagswahl 2021 zu triumphieren. Spätestens danach wird sie auch nach der SPD-Spitze greifen, sobald sich eine Chance dazu ergibt. Bis dahin folgt sie ihrem Prinzip: ein Drittel SPD, ein Drittel Ministerpräsidentin, ein Drittel Familie. 


Dieser Text erschien in der August-Ausgabe des Cicero, die Sie am Kiosk oder direkt bei uns portofrei kaufen können.

 

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