Manuel Hagel - Eintopf für alle

Manuel Hagel war mal ein Merkel-Kritiker, der sich für die CDU mehr konservatives Profil wünschte. Um Ministerpräsident in Stuttgart zu werden, erfindet er sich neu.

Langfristig will Manuel Hagel den Grünen Landeschef Winfried Kretschmann im Amt beerben / Annette Cardinale
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Volker Resing leitet das Ressort Berliner Republik bei Cicero. Er ist Spezialist für Kirchenfragen und für die Unionsparteien. Von ihm erschien im Herder-Verlag „Die Kanzlermaschine – Wie die CDU funktioniert“.

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Der Gaisburger Marsch ist ein schwäbischer Eintopf. Rinderbrühe, Ochsenfleisch, Suppengrün – so weit, so normal. Das Besondere aber ist, zur Stuttgarter Spezialität gehören Kartoffeln und Spätzle. Man könnte sagen, es hat etwas Unentschiedenes. Zwei Sättigungsbeilagen sind doch eine zu viel.

Manuel Hagel, der CDU-Fraktionsvorsitzende im baden-württembergischen Landtag, isst gerne den Gaisburger Marsch, zumindest ziehe er das bodenständige Gericht einem Vier-Gänge-­Menü vor, sagte er. Doch mehr noch: Mit dem Eintopf kann man wenig falsch machen. Weder die Kartoffel-Fans noch die Spätzle-Fraktion ziehen beleidigt ab. 

So ungefähr erging es der CDU im Ländle seit Jahrzehnten, gespalten war die Partei in unterschiedliche Lager. Auf der einen Seite das eher katholisch-soziale mit Annette Schavan und Erwin Teufel, auf der anderen Seite das konservativ-­liberale mit Wolfgang Schäuble und Günther Oettinger. Nun muss Hagel eine neue Suppe kochen. Er sagt, er schätze beide Seiten. 
Die CDU war vom Wähler mit dicken Wahlergebnissen und einer schier endlosen Regierungszeit verwöhnt. Doch seit die Grünen mit Winfried Kretschmann die CDU 2011 aus der Villa Reitzenstein vertrieben haben, herrscht Depression bei den Christdemokraten zwischen Rhein und Neckar. Zwar regiert die CDU seit 2016 als Juniorpartner mit, doch das macht das Leiden eigentlich kaum geringer. 

Mit den Kumpels zur Realschule

Der fast noch jugendliche Manuel Hagel, Jahrgang 1988, verheiratet, Vater zweier Söhne, soll nun die CDU zu neuer Größe führen; gerade wurde er von Demoskopen als zweitbeliebtester Politiker im Südwesten ausgemacht, hinter dem Ministerpräsidenten. Im kommenden Jahr will er den angeschlagenen CDU-Landeschef Thomas Strobl beerben und sich dann auf die Landtagswahl 2025 vorbereiten, Die CDU rechnet sich dann in der Nach-Kretschmann-Ära wieder mehr Chancen aus.
Doch wie reibungslos Übergang und Neuanfang gelingen, ist noch offen. Manche sagen, Hagel habe zu lange im Schlepptau Strobls agiert. Immerhin war Hagel dessen Generalsekretär, der die Wahlniederlage von 2017 mit zu verantworten hat. Aber vielleicht war das der alte Hagel – und nun gibt es einen neuen. 

Bipolar ist er aufgewachsen. Sein Vater kam vom Bauernhof. Bei den Großeltern hat er im Stall ausgeholfen. Zusammen mit 21 Cousinen und Cousins. Sein Opa war Mesner in der Kirche, Katholizismus auf dem Dorfe war Hagels Kinderstube. Seine Mutter hingegen repräsentierte die bildungsbürgerliche Seite. Er musste Klavierspielen lernen und viel lesen. Goethe und Schiller seien wichtig, war das mütterliche Credo. Eine gemischte Familie also, wie der Eintopf, wie die CDU. 

Dann gab es eine Schlüsselszene der Kindheit. Die Mutter hatte in ihrer Offenheit gesagt, das Kind solle selbst entscheiden, ob es zum Gymnasium gehe oder nicht. Die Noten stimmten schon, aber die ganzen Fußballkumpels gingen zur Realschule. Deswegen die Entscheidung des Buben: Realschule. Am Küchentisch dann wollten die Eltern ihren Sohn umstimmen, vielleicht würde er sich doch Zukunftschancen verbauen, wenn er kein Abitur machte. Doch er blieb dabei.

Schwarz das neue Grün?

Ursprünglich wollte Manuel Hagel Förster werden, dann ging er doch zur Bank, machte eine Ausbildung. Später schickte die Sparkasse ihn noch zu einem Managementstudiengang nach Frankfurt. Er wurde dann Filialleiter in seiner oberschwäbischen Heimatstadt Ehingen, unweit von Ulm. Manche in der Partei lästern darüber. In der CDU gilt man als Jurist schon als Intellektueller, als Filialleiter aber nicht. Doch mit diesem Unterschätztwerden kann Hagel umgehen. Er weiß: Auf dem Land hilft es ihm, dass er sich in Wald und Flur besser auskennt als im Großstadtdschungel. 

2017 gab es noch den alten Manuel Hagel, damals gehörte er nach der verlorenen Bundestagswahl zu den Merkel-­Kritikern. Mit dem Papier „Wach auf, CDU!“ wollte er seiner Partei einen konservativeren Kurs verordnen. Prompt regte sich die Frauenunion darüber auf, damals. Heute sagt Hagel, er sei immer noch konservativ, aber seine Streuobstwiese liebe er auch. Sowieso seien die Schwarzen die eigentlichen Grünen. Er ist gegen neue Atomkraftwerke, aber gegen das Gendern und die Identitätspolitik ist er auch. Reicht das schon an Profil?

Mit 18 Jahren übrigens wollte er sich engagieren und suchte eine politische Heimat. Er war offen. Zusammen mit seinem Onkel ging er auf die Pirsch, zu Wahlkampfveranstaltungen von Gerhard Schröder und Guido Westerwelle. Aber am überzeugendsten sei Angela Merkel auf dem Ulmer Münsterplatz gewesen. Merkel mag gerne Kartoffelsuppe. Aber bei der CDU ist Manuel Hagel geblieben. 

 

Dieser Text stammt aus der Dezember-Ausgabe des Cicero, die Sie jetzt am Kiosk oder direkt bei uns kaufen können.

 

 

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