Laschet gegen Baerbock - Aufholjagd unter schwersten Bedingungen

CDU und CSU haben sich zwar auf einen Kanzlerkandidaten geeinigt, doch die Union findet nicht aus der Krise. Das liegt nicht nur an der medial gehypten Annalena Baerbock. Sondern auch am Gegenwind aus Bayern. Markus Söder ist zu einem Risikofaktor im Wahlkampf geworden.

Armin Laschet und Friedrich Merz beim CDU-Parteitag am 16. Januar / dpa
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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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Der Abnutzungskampf und seine Folgen: Einer aktuellen Umfrage des Instituts Insa zufolge fallen die Zustimmungswerte der CSU in Bayern auf 36 Prozent. Verglichen mit der CDU im Rest der Republik ist das zwar noch durchaus respektabel. Im Vergleich zu den Zahlen vom Januar allerdings ein Desaster: Vor drei Monaten kamen die Christsozialen (ebenfalls bei Insa) noch auf 46 Prozent. Ein Minus von zehn Punkten in derart kurzer Zeit, das will schon etwas heißen. Und zwar nichts Gutes.

Es ist ja auch einiges passiert seither. Markus Söder, bis vor wenigen Wochen noch eine Art stiller Kanzlerkandidat der Reserve, hat mit seinem eine Woche währenden Machtanspruch gegen die Schwesterpartei zuerst für Verwirrung und schließlich, nach Rückabwicklung seiner Ambitionen auf eine Kandidatur, für nachhaltige Verärgerung gesorgt. Erst die Backen aufblasen und wenig später klein beigeben: Das wissen offenbar auch die Wähler im Freistaat nicht sonderlich zu schätzen.

Was auch immer die Strategie des Bayerischen Ministerpräsidenten gewesen sein mag: Es scheint nicht funktioniert zu haben. Sein Ruf als tollkühner weißer Ritter der Unionsparteien ist jedenfalls dahin. Das Rennen gemacht hat tatsächlich der in der Münchener Staatskanzlei als wankelmütig und führungsschwach bespöttelte Amtskollege aus Nordrhein-Westfalen.

Potential zur Selbstzerstörung

Nun hätte Söder nach der Entscheidung zugunsten Armin Laschets die ganze Angelegenheit auch auf sich beruhen lassen können. Doch entgegen seines Versprechens, sich von nun an „ohne Groll“ mit der CDU hinter den gemeinsamen Kandidaten zu stellen, wurden weitere Pfeile in Richtung Düsseldorf geschossen. Fünf Monate vor der Wahl zeugt solch ein Verhalten nicht nur von unsouveränem Beleidigtsein, sondern von einer regelrechten Selbstherrlichkeit mit Potential zur Selbstzerstörung.

Auch die Söder-Fans außerhalb Bayerns dürften das alles mit einer gewissen Ernüchterung zur Kenntnis nehmen. Zumal das Verhältnis insbesondere der baden-württembergischen Söderianer zu ihrem Polit-Star ohnehin seltsam schizophren wirkte. Denn die hatten sich mehrheitlich ja mit Friedrich Merz einen „Anti-Merkel-Mann“ als Parteivorsitzenden (und damit auch als Kanzlerkandidaten) gewünscht. Als dieses Projekt gescheitert war, entdeckte die Südwest-CDU dann plötzlich ihre Leidenschaft für den Bayern – obwohl der sich explizit für eine Fortsetzung der Politik Angela Merkels ausgesprochen hatte und auch noch einen Lookalike-Wettbewerb mit den Grünen betreibt. An Söders Inhalten kann es also kaum gelegen haben. Sondern eher an seinem Nimbus als „starker Mann“. Davon kann inzwischen keine Rede mehr sein.

Was allerdings noch lange nicht heißt, dass mit den sinkenden Sternen des Markus Söder der demoskopische Frühling des Armin Laschet begonnen hätte. Dessen Zustimmungswerte bleiben trotz seiner nun offiziellen Kanzlerkandidatur ein ziemliches Desaster, und auch die von ihm angeführte CDU kommt nicht aus dem Tal der Tränen: Laut aktuellen Umfragen bewegt sich die Union zwischen 22 und 27 Prozent – und liegt damit hinter Bündnis90/Die Grünen. Deren Kandidatin Annalena Baerbock ist der (medial gehypte) Star der Stunde; man sieht sich schon auf dem direkten Weg ins Kanzleramt.

Interessant sind indes die Reaktionen Laschets auf den grünen Boom. Denn auch da folgt er keineswegs der Söderschen Taktik, die Grünen möglichst nachzuahmen und ihnen so thematisch den Wind aus den Segeln zu nehmen (was bei umgekehrten Vorzeichen mit Blick auf die AfD schon vor drei Jahren im bayerischen Landtagswahlkampf nicht funktioniert hatte). Vielmehr setzt der NRW-Ministerpräsident in expliziter Abgrenzung von den Grünen auf einen eigenständigen Kurs der Union, den man ungefähr umreißen könnte mit dem Slogan: Umwelt- und Klimaschutz ja, aber nicht um jeden Preis und auf Kosten der Wirtschaft.

Der Schachzug mit Friedrich Merz 

Dass Armin Laschet nun auch noch seinen einstigen Rivalen Friedrich Merz mit ins Wahlkampf-Boot geholt hat, ist zudem ein klares Signal an die Laschet-Skeptiker im Land. Ein nachvollziehbarer Schachzug, den Merz selbst schon antizipiert hatte, als er sich in der „Woche des Ungemachs“ hinter den CDU-Vorsitzenden (und gegen Söder) gestellt hatte.

Aber auch das ist natürlich noch keine Erfolgsgarantie. Zwar erinnert man dieser Tage in der Union gern an die Situation vor vier Jahren, als aus dem vormaligen „Gottkanzler“ Martin Schulz binnen weniger Wochen eine traurige Figur geworden war, die bei der Bundestagswahl 2017 schließlich mit 20,5 Prozent das schlechteste SPD-Ergebnis aller Zeiten erreichte. Doch ist die Ausgangslage diesmal komplett anders.

Denn erstens war Schulz, ganz im Gegensatz zu Baerbock, ein „alter weißer Mann“ – und entsprach damit ohnehin nicht dem Wunschbild der meisten Medienschaffenden. Zweitens hieß die Unions-Kandidatin damals Angela Merkel (Amtsinhaberin, Frau und noch dazu beliebt bis weit ins linksliberal-grüne Lager hinein). Drittens existiert nach 16 Jahren einer Unions-geführten Bundesregierung inzwischen eine merkliche Wechselstimmung im Land. Viertens herrschen weiterhin Uneinigkeit und Misstrauen innerhalb und zwischen CDU und CSU. Und fünftens wirken die diversen Masken-Skandale und Aserbaidschan-Connections einiger Unionspolitiker immer noch nach.

Kurzum: 2021 ist die Aufholjagd für Armin Laschet ein wesentlich schwierigeres Unterfangen, als sie es 2017 für Angela Merkel war. Und wenn nicht auch noch bald der Gegenwind aus Bayern nachlassen sollte, könnten sich CDU und CSU im Herbst dieses Jahres plötzlich auf den Oppositionsbänken wiederfinden. Ob Markus Söder dann noch ernsthaft behaupten wollte, mit ihm selbst als Kanzlerkandidaten wäre alles besser gelaufen? Der bayerische Ministerpräsident betreibt derzeit ein Spiel mit dem Feuer, in dem er am Ende selbst verbrennen könnte.

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