CDU-Triumph in Sachsen-Anhalt - „Die Menschen kennen mich“

Die Wähler in Sachsen-Anhalt stärken Ministerpräsident Reiner Haseloff den Rücken. Ein negativer „Laschet-Effekt“ bleibt aus. Die AfD kann weniger von Protestwählern profitieren als 2016. Die Grünen bleiben West-Partei.

Ministerpräsident Reiner Haseloff zusammen mit seiner Frau Gabriele bei der Stimmabgabe am Sonntag / dpa
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Moritz Gathmann ist Chefreporter bei Cicero. Er studierte Russistik und Geschichte in Berlin und war viele Jahre Korrespondent in Russland.

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Reiner Haseloff ist der Gewinner dieses Wahlsonntags: Nach den ersten Hochrechnungen der Landtagswahl kommt seine CDU auf knapp 36 Prozent der Wählerstimmen – und liegt damit deutlich vor der AfD mit 23 Prozent. Damit konnte sich die CDU im Vergleich zu 2016 um etwa sechs Prozentpunkte verbessern, die AfD verliert leicht im Vergleich zu 2016.

Verlierer des Abends ist die SPD, die im Land erstmals klar einstellig wird (2016: 10,6 Prozent), und die Linke, die im Vergleich zu etwa sechs Prozentpunkte (2016: 16,3) verliert. Eine Fortsetzung von Haseloffs Kenia-Koalition mit SPD und Grünen ist dennoch möglich. Zur Auswahl steht als Koalitionspartner nun aber auch die FDP.

Haseloff im Mittelpunkt des Wahlkampfs

Die CDU hatte Ministerpräsident Haseloff, der das Zwei-Millionen-Land seit zehn Jahren regiert, in den Mittelpunkt des Wahlkampfs gerückt – zu Recht, wie sich gezeigt hat. Die Menschen in Sachsen-Anhalt vertrauen dem 67-Jährigen: Weil er sich zum einen glasklar gegen eine Zusammenarbeit mit der AfD positioniert hat, und weil er sich gleichzeitig als Politiker mit eigenem Kopf erwiesen hat. „Die Menschen kennen mich“ war deshalb einer seiner ersten Sätze, mit denen er am Sonntagabend vor die Kameras trat.

In der Flüchtlingsfrage vertrat Haseloff immer eine konservativere Position als die Parteiführung in Berlin – Angela Merkel eingeschlossen. In der Frage des Unions-Kanzlerkandidaten stellte er sich öffentlich hinter Markus Söder – gegen den eigenen Parteichef. Im Streit um den Rundfunkbeitrag entließ er im Dezember seinen Innenminister Holger Stahlknecht, ließ die Koalition am strittigen Thema aber nicht scheitern: Weil er nicht über die Zustimmung zum Rundfunkstaatsvertrag abstimmen ließ, kann dieser nun nicht in Kraft treten. Haseloff wusste, dass er in seiner eigenen Fraktion nicht mit einer Mehrheit dafür rechnen konnte.

Gute Wirtschaftsbilanz

Auch die Wirtschaftslage in Sachsen-Anhalt hat sich unter seiner Führung spürbar verbessert, und das gilt nicht nur für die objektiven Daten. Die Stimmung ist laut Infratest-Dimap fast so gut wie in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz: 74 Prozent der Befragten bewerten ihre persönliche wirtschaftliche Situation als gut oder sehr gut, der bisher beste Wert im Land.

Zugleich setzt sich ein Trend fort, der auch schon Bodo Ramelow in Thüringen ein sehr gutes Wahlergebnis beschert hat: In einer Situation, in der die AfD stärkste Kraft werden könnte, setzen die Menschen auf den Landesvater, ganz gleich welcher Partei er angehört.

Erwartbar war das Ergebnis dennoch nicht. Wie nervös die Union angesichts des letzten Stimmungstests vor der Bundestagswahl war, zeigte sich in den letzten Wochen: Dem Ostbeauftragten der Bundesregierung, Marko Wanderwitz, schlug aus der eigenen Partei heftiger Gegenwind über seine Äußerungen über nicht rückholbare AfD-Wähler im Osten Deutschlands entgegen. CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat Armin Laschet kann an diesem Abend aufatmen: Zumindest hat die Wahl in Sachsen-Anhalt keinen negativen Laschet-Effekt bewirkt. Die CDU hat sich hier fast zehn Prozentpunkte stärker als im Bundestrend gezeigt.

AfD profitiert kaum von Corona-Kritik

Die AfD bleibt knapp hinter ihrem Ergebnis von 2016, als die Flüchtlingskrise von 2015 den Wahlkampf beherrschte. Die Positionierung der Partei gegen die Corona-Maßnahmen von Landes- und Bundesregierung hat sich als weniger zugkräftig entpuppt. Wer sich Sorgen um die wirtschaftliche Zukunft macht, hat offenbar vermehrt die Wirtschaftspartei FDP gewählt: Die zieht nach zehn Jahren Abstinenz erstmals wieder mit knapp sieben Prozent in den Landtag ein.

Die Grünen, die von einem zweistelligen Ergebnis geträumt hatten, dürften ernüchtert sein: Sie gewinnen nur leicht hinzu auf etwa sechs Prozent. Wie zuletzt in Thüringen zeigt sich, dass die Partei ein Ostproblem hat. Ein wichtiger Faktor ist zudem, dass die östlichen Länder anders als der Westen eher nicht von großstädtischen Milieus geprägt sind. Das schwache Abschneiden der Grünen und die Rückkehr der FDP könnte nun sogar dazu führen, dass die Partei aus der Regierung fliegt: Umfragen zufolge ist eine Koalition von CDU, SPD und FDP die mit Abstand populärste im Land.

Die Grünen und ihr Ost-Problem

Die SPD steht nun vor einer schweren Wahl: Von der guten Arbeit ihres Wirtschaftsministers konnte sie nicht profitieren. Sollte sie nun weiter in der Regierung bleiben und ihrer weiteren Verzwergung zusehen?

Am deutlichsten hat in Sachsen-Anhalt die Linkspartei verloren – die Fortsetzung eines jahrelangen Trends. Die Wähler- und Parteisubstanz aus Ostzeiten schwindet von Jahr zu Jahr, und wer Protest wählen will, wählt offenbar die AfD, die sich besonders im Osten als Vertreter der kleinen Leute geriert.

Auch ein Blick auf den Balken „Sonstige“ lohnt sich: Wie vor fünf Jahren haben gut neun Prozent der Wähler andere als die etablierten Parteien gewählt. Das ist ein hoher Wert, der sich auch in Umfragen zur Bundestagswahl zeigt. Einen guten Teil der Stimmen holten auch in Sachsen-Anhalt mit etwa drei Prozent die Freien Wähler. Einen Überraschungserfolg wie in Rheinland-Pfalz, wo sie in den Landtag einzogen, konnten sie jedoch nicht wiederholen.

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