Landtagswahl im Saarland - Keine Experimente

Das Bundestagswahljahr beginnt mit einer Landtagswahl, die einen klaren Sieger und viele Verlierer kennt. Aber die Union sollte nicht zu laut jubeln

Große Siegerin im kleinen Saarland: Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer / picture alliance
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Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Was für ein Wahlergebnis. Die Landtagswahl im Saarland wird zu einem Triumphzug für die CDU und für Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer. Mehr als fünf Punkte können die Christdemokraten im Vergleich zu 2012 zulegen, sie kommen auf 40,7 Prozent. Die SPD liegt 11,1 Punkte zurück, verliert leicht und kann den Schulz-Effekt nicht in einen Wahlerfolg verwandeln. Die Linke verliert deutlich, die Grünen fliegen aus dem Landtag. Die FDP scheitert an der 5-Prozent-Hürde. Die AfD kommt auf 6,2 Prozent und zieht seit 2014 in das elfte Landesparlament in Folge ein, aber der Höhenflug der Rechtspopulisten hat einen deutlichen Dämpfer erhalten. Zweistellige Ergebnisse für die AfD gehören vorerst der Vergangenheit an.

Wechsel nicht erwünscht

Wer gedacht hätte, es könnte spannend zu gehen bei der ersten Landtagswahl im Bundestagswahljahr, es könnte ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD geben, der sah sich am Wahlabend getäuscht. Seit 2005, seit Angela Merkel Kanzlerin ist, hat die CDU bei einer Landtagswahl nicht mehr so stark zugelegt. Der Amtsbonus von Ministerpräsidentin Kramp-Karrenbauer war durchschlagend. Das Saarland wird auch in den kommenden fünf Jahren von einer Großen Koalition regiert werden.

Die Botschaft der Wähler ist eindeutig. Sie wollten keinen Wechsel an der Saar, sie wollten weder Rot-Rot, noch Rot-Rot-Grün. Sie wollten, dass die beliebte Landesmutter Kramp-Karrenbauer weiterregieren kann. Das Bundestagswahljahr beginnt mit einem Paukenschlag, aber der klingt anders als in den letzten Wochen vermutet wurde. Es gibt einen klaren Wahlsieger und viele Wahlverlierer.

Politische Kontinuität in den Ländern gefragt

Was bedeutet das alles für die Bundestagswahl am 24. September. Ist der Schulz-Effekt bereits verpufft, gibt es doch keine Wechselstimmung in Deutschland? Wird es auch im Herbst keine Alternative zur Großen Koalition geben?

Eigentlich ist das Saarland so unbedeutend, dass es vermessen wäre, aus dem Wahlergebnis einen klaren bundespolitischen Trend abzuleiten. 800.000 Wahlberechtigte waren an diesem Sonntag an der Saar zur Wahl aufgerufen, das sind nur 1,3 Prozent der Wähler, die es in sechs Monaten bundesweit sein werden. Eigentlich wurde die Landtagswahl stark von den landespolitischen Verhältnissen und den saarländischen Besonderheiten bestimmt.

Und eigentlich hat sich im Saarland nur der Trend fortgesetzt, der seit der Bundestagswahl 2013 fast alle Landtagswahlen entscheidend beeinflusst hat. Zehn Mal in Folge konnte sich der Amtsinhaber dabei durchsetzen, egal ob diese der CDU, der SPD oder den Grünen angehörten. Nur eine Ministerpräsidentin wurde in Thüringen abgewählt. Seit dreieinhalb Jahre setzen die Wähler bei Landtagswahlen auf personelle Kontinuität und nicht auf politische Veränderungen.

Merkel kann aufatmen

Die Union und Angela Merkel können also erst einmal aufatmen. Eine Niederlage hätte die Christdemokraten extrem nervös gemacht und die Basis verunsichert. Die Zerstrittenheit der Union, vor allem in der Flüchtlingspolitik, wäre wieder in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Die Wahl im Saarland hat Kanzlerin Merkel also Luft verschafft.

Doch wer bereits jetzt tönt, der Schulz-Effekt sei wieder verpufft, sei vielleicht sogar nur eine Erfindung der Medien gewesen, der freut sich zu früh. Ohne Zweifel hat sich die SPD seit der Kür von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten stabilisiert, ohne Zweifel zeigt der Trend der Partei nach oben. Aber es hat sich im Saarland gezeigt, dass die SPD noch mehr liefern muss als ein frisches Gesicht, dass sie programmatisch konkreter werden muss. Die Wähler wollen sehr genau wissen, was es für sie bedeutet, wenn Martin Schulz wortreich mehr soziale Gerechtigkeit verspricht. Und die Wähler, auch die SPD-Wähler, lehnen ein rot-rot-grünes Bündnis im Bund mehrheitlich ab.

Schulz muss Wechselstimmung forcieren

Martin Schulz und seiner SPD muss es also in den kommenden Monaten vor allem gelingen, die Wechselstimmung im Lande zu forcieren. Die SPD hat bei der Bundestagswahl im September nur dann eine Siegchance, wenn die Wähler bis dahin mehrheitlich zu der Überzeugung gelangen, dass eine SPD-geführte Bundesregierung beziehungsweise eine Große Koalition unter einem Kanzler Schulz besser für das Land wäre als vier weitere Jahre Angela Merkel. Einfach wird das nicht, aber es ist trotz der Niederlage im Saarland nicht unmöglich.

Das Wahljahr hat gerade erst begonnen

Die CDU startet zwar ohne Gegenwind in den Bundestagswahlkampf. Aber das Wahljahr ist noch lang, der Wahlkampf wird viel Kraft kosten. Erstens wird in diesem Wahlkampf sicherlich mehr über die Schwächen von Angela Merkel diskutiert werden als 2013. Zweitens wird ihr die Strategie der asymmetrischen Demobilisierung nicht mehr zur Verfügung stehen. Und drittens: Je lauter die Union klagt, die SPD habe keine Konzepte, sie bleibe in ihren politischen Forderungen vage, desto klarer könnten die Wähler erkennen, dass auch CDU und CSU nach elf Jahren an der Macht derzeit nicht konkret sagen können, warum sie eigentlich weitere vier Jahre regieren wollen. Der Amtsbonus alleine wird Merkel nicht ihren vierten Wahlsieg bescheren.

Darüber hinaus stehen im Mai in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen zwei Landtagswahlen an, in denen die Ausgangslage für die CDU wesentlich schlechter ist, vor allem weil die SPD dort mit Torsten Albig und Hannelore Kraft die Amtsinhaber stellt. Es könnte sein, dass im Mai zwei Mal die Sozialdemokraten vorne liegen und triumphieren werden. Und das bei zwei Landtagswahlen, die wesentlich bedeutsamer sind und wesentlich mehr Wähler an die Wahlurne bringen werden als die im Saarland.

An diesem Wahlsonntag jubelt die Union, sie sollte allerdings nicht zu laut jubeln. Das Wahljahr ist noch lang.

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